Ein Liebesgedicht

  • Ich such dich im Wasser als stummer Delfin,
    wo ich dein Boot eine Weile begleite.
    Ich bin eine Schwalbe, drum komm, lass mich ziehn!
    Du trägst mich, Sommerwind, hoch in die Weite.


    Du bist geerdet, auf Felsen gebaut,
    worauf ich als Eidechse sonnend mich wärme.
    Du schenkst mir Flügel aus Drachenhaut,
    damit ich als Schmetterling tanze und schwärme.


    Wir sind ein Leben lang frei für das Morgen,
    Wanderer auf zwei verschiedenen Reisen.
    Wie sind wir doch frei und ungeborgen!
    Monde, die ewig einander umkreisen.


    Und dennoch steht meine Sehnsucht nie still.
    Und dennoch wag ich zu hoffen.
    Obwohl ich nicht weiß ob du weißt was ich will.
    Mein Herz steht für dich immer offen.

  • Ich kommentiere jetzt als völlig Unprofessionelle einfach mal aus dem Bauch heraus.


    Schönes Gedicht, vor allem die Bilder, die du zur Veranschaulichung der Emotionen wählst, haben mir gut gefallen.


    Der Delfin: Ein stummer Begleiter... hat was, obwohl es mich nicht in dem Maße anspricht, wie einige andere Bilder. Nur das Boot gefällt mir nicht, es ist so künstlich zwischen all den "tierischen" Sinnbildern.


    Die Schwalbe: Lieben ist wie fliegen, das kenne ich. Auch der Sommerwind ist schön gewählt, ich stelle ihn mir sehr warm vor. Nur diese drei Worte "lass mich ziehn" erinnern mehr an Trennung als Zweisamkeit.


    Die Eidechse, die sich auf dem Stein wärmt: Große Klasse. Mir ist dieses Bild noch nie eingefallen, aber jetzt, wo du es sagst (bzw. schreibst), kommt mir der Gedanke, dass Liebe sich manchmal durchaus so anfühlt. Das beste Bild im Gedicht.


    Der Schmetterling: Todsichere Variante im Liebesgedicht, nichts auszusetzen. Nur den Sinn der Drachenhaut habe ich nicht wirklich nachvollziehen können.


    Die Wanderer auf verschiedenen Reisen: Erstes nicht tierisches Bild. Und die Andeutung eines trennenden Umstandes. Nicht spaktakulär, aber völlig okay.


    Die beiden Monde: Auch toll. Zwei Monde, die sich umkreisen, sind voneinander abhänging, hängen also aneinander, aber berühren sich nie. Schön. (Nur eine kleine Frage: Ist es wissenschaftlich wirklich exakt? Kreisen nicht kleine Monde um große Planeten? Aber das ist egal.)


    Das war es mit den Bildern, die ich an diesem Gedicht so toll finde. Da sie den Hauptteil ausmachen, bleibt gar nicht mehr viel zu sagen. Außer vielleicht, dass ich die Benutzung von Worten wie "Sehnsucht" und "Herz" immer schnell kitschig finde. (Achtung, subjektives Empfinden!)
    Die vorletzte Zeile finde ich aus irgendeinem Grund sehr schön, leider erschließt er sich mir nicht.


    Den Titel finde ich weniger gut, da er gleich verrät, mit welcher Gattung Gedicht man es zu tun hat. Show, don't tell. (Der kluge Satz kommt leider nicht von mir :grin). Dass es sich um ein Liebesgedicht handelt, wird durch die Reime an sich auch deutlich. Alternativvorschläge habe ich momentan leider nicht.


    Auf solche Dinge wie Richtigkeit von Reimen und Metrum will ich jetzt nicht eingehen, dafür fehlt mir der Sachverstand.


    Alles in allem finde ich dein Gedicht sehr schön, flashfrog. Obwohl es zu den Liebesgedichten gehört, denen ich sonst eher kritisch gegenüber stehe.


    Ich kann eh nicht reimen, und so auf keinen Fall. Deshalb :anbet


    Liebe Grüße,
    Eny

    Logisch: Wer immer den anderen hinterherläuft, wird niemals Erster sein.

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  • Liebe flashfrog,


    hier auch von mir ein paar spontane und unprofessionelle Gedanken zu Deinem Werk. :-)


    Zunächst die inhaltlichen Interpretationsansätze:


    Zitat


    Ich such dich im Wasser als stummer Delfin,
    wo ich dein Boot eine Weile begleite.


    Der Delphin sucht im Wasser, und begleitet das Boot, offensichtlich erst nachdem er es finden konnte.
    Aber nur eine Weile und dazu noch stumm.


    :gruebel


    Die Überschrift heißt "Ein Liebesgedicht".
    Also vermute ich, dass der Delphin der Liebende ist und die Person im Boot das Objekt des Interesses. Nun können Delphin und Bootsinsasse aber nicht zusammen kommen, weil das Wasser dazwischen liegt und eine Kommunikation aufgrund der Stummheit des Delphins und auch schon wegen der Artverschiedenheit nicht möglich ist. Zudem ist dieses stille Nebeneinander nur von beschränkter Dauer.
    Interpretationsansatz:
    Liebende(?) mit Kommunikationsproblemen, die auch noch in verschiedenen Sphären befinden.
    Obwohl man gar nicht weiß, ob der Bootsinsasse von einem stummen Delphin begleitet werden möchte, vielleicht möchte er auch bloß in Ruhe gelassen werden.


    Zitat


    Ich bin eine Schwalbe, drum komm, lass mich ziehn!
    Du trägst mich, Sommerwind, hoch in die Weite.


    Der Delphin mutiert zur Schwalbe, und bittet um seine Freiheit.
    Das Gegenüber wird zum Sommerwind, für mich ein Symbol des Wohlfühlens aber auch der schnellen Vergänglichkeit. Ich weiß jetzt nicht, ob der Sommerwind den Bootsinsassen als Gegenüber abgelöst hat oder aber einfach als Hilfestellung zum schnelleren Flug in die Freiheit dient.
    Ich favorisiere das Ablöse-Modell, da es m. E. immernoch um das "Du" aus den ersten beiden Zeilen geht.
    "hoch in die Weite" - Da mangelt es mir gerade an einer räumlichen Vorstellung, auf jeden Fall geht es um Entfernung vom Gegenüber.
    Das als Tatsachenschilderung, ohne Emotion vorgetragen: Weil ich eine Schwalbe bin (also so bin, wie ich bin) muss ich weiter. Nicht weil mir etwas an dir nicht behagt. Die in mir geweckte Assoziation ist die an die Beendigung einer Beziehung á la "an dir liegts nicht".


    Zitat


    Du bist geerdet, auf Felsen gebaut,
    worauf ich als Eidechse sonnend mich wärme.
    Du schenkst mir Flügel aus Drachenhaut,
    damit ich als Schmetterling tanze und schwärme.


    Mit einer Eidechse als Symbol für eine (Liebes-)Beziehung verbinde ich wenig, außer vielleicht, dass sie schnell das Weite sucht, wenn sie sich erschreckt. Und sie liegen nur in der Sonne und wärmen sich, ansonsten verschwinden sie. Eine Symbiose, die nur für gutes Wetter taugt, wenn es "schlechtes Wetter" bzw. Probleme gibt, funktioniert es nicht mehr.
    "Du bist geerdet, auf Felsen gebaut": solide, bodenständig, unflexibel (und langweilig?).
    "Flügel aus Drachenhaut" - das müssen sehr stabile Flügel sein, die Sicherheit verheißen, die ermöglichen, sich als Schmetterling zu fühlen, sich fröhlich zu bewegen, währenddessen das Gegenüber fest verankert bleibt (das Gegenüber bekommt in den zweiten beiden Zeilen kein neues Bild zugewiesen, also gilt wohl das alte). Also können das "Ich" und sein Gegenüber schon wieder nicht zusammenkommen.
    Das Gegenüber ist unbeweglich und kann (vielleicht auch "möchte") nicht mit dem Schmetterling tanzen.


    Zitat


    Wir sind ein Leben lang frei für das Morgen,
    Wanderer auf zwei verschiedenen Reisen.
    Wie sind wir doch frei und ungeborgen!
    Monde, die ewig einander umkreisen.


    Wieder kein Zusammenkommen.
    Auf zwei "verschiedenen Reisen", ewig nur umkreisend, nicht treffend.
    Aber aus "Ich" und "Gegenüber" wurde immerhin schon mal ein "wir" bzw. sind beide Monde, also aus der gleichen Art.
    Zweimal erscheint "frei". Das sollte also eine Bedeutung haben. "Frei" klingt immer gut, auf niemanden Rücksicht nehmen und tun und lassen, wonach einem behagt. Aber "ungeborgen"? Kommt hier langsam der Preis der Freiheit zum Vorschein, ein leises Bedauern ob der Unverbindlichkeit?


    Zitat


    Und dennoch steht meine Sehnsucht nie still.
    Und dennoch wag ich zu hoffen.
    Obwohl ich nicht weiß ob du weißt was ich will.
    Mein Herz steht für dich immer offen.


    Delphin, Schwalbe, Eidechse und Schmetterling sehnen sich also und hoffen. Im Hinblick auf den Titel des Gedichtes und das "offene Herz" wohl nach Liebe. Der Standpunkt des Gegenüber, des Begehrten ist aber unklar, da sich das "Ich" noch nicht offenbarte.
    Das steht für mich im Widerspruch zu den ersten Strophen, da ich dort von einer bestehenden Beziehung mit Problemen ausging.


    Stilistisch:


    Ich finde, es sind zu viele Holperer im Rhythmus enthalten.
    Die schlimmste Zeile ist für mich ausgerechnet die, die Eny so schön findet, also die vorletzte. So verschieden kann das sein.
    Also wenn das Gedicht auf Schienen munter dahinrappelt, an dieser Stelle ist es entgleist. Da gibt es sicher Möglichkeiten, diese vorletzte Zeile, wohl eine der zentralen Stellen des Gedichtes, etwas eleganter zu gestalten.


    ----


    Der Versuch der Interpretation hat mir Freude bereitet, aber insgesamt kann mich das Gedicht leider nicht überzeugen. Es berührt mich emotional nicht. Ich fühle nicht mit "Delphin" oder "Eidechse". Zudem bin ich auf eine Art zu bequem, um mich ständig an neue Bilder zu gewöhnen. Ich mag es lieber, wenn ein Bild beständig genutzt wird. Aber das ist Geschmackssache.


    Ich freue mich aber schon auf Deine nächsten Schreibversuche. :-)


    Viele Grüße,


    die Fride. :wave

  • Liebe Eny und Friderike, endlich habe ich Zeit, auf eure tollen Interpretationen zu antworten.
    Erstmal: Wow, so eine ausführliche Analyse hätte ich gar nicht erwartet! Vielen Dank euch beiden dafür!! :anbet


    Und, ja, inhaltlich würde ich das alles so unterschreiben, wie ihr es gedeutet habt. :write
    Es geht in der Tat um eine Achterbahn-Beziehung zwischen einem schwärmerischen Künstlertyp und einem bodenständigen Sturkopf. Beide wollen um keinen Preis ihre Unabhängigkeit aufgeben und sind dennoch an aneinander gebunden, genau das wollte ich ausdrücken.


    Mit dem Widerspruch in der letzten Strophe, wo es auf einmal das flüchtige Schmetterlingswesen ist, das die Nähe sucht, hast du natürlich völlig Recht, Friderike! Dieser Widerspruch liegt vermutlich i, emotionalen Zustand des Autors begründet, man sollte halt im Gefühlsüberschwang keine Liebesgedichte posten. :lache



    Was die Holperer betrifft, wäre ich sehr dankbar, wenn ihr Eulen mir sagt, an welchen Stellen ihr Probleme habt, damit ich die glätten kann.
    Als Schreiber hat man da ja oft blinde Flecken, weil man selbst ja genau weiß, wie man es betonen würde.



    (Edit: Achja, einen Titel hat das Gedicht (bislang noch) nicht. Aber irgendwas muss man ja eingeben in die Betreffzeile. :-) )

  • Zitat

    Original von flashfrog


    Was die Holperer betrifft, wäre ich sehr dankbar, wenn ihr Eulen mir sagt, an welchen Stellen ihr Probleme habt, damit ich die glätten kann.
    Als Schreiber hat man da ja oft blinde Flecken, weil man selbst ja genau weiß, wie man es betonen würde.


    Hallo flashfrog,


    freut mich, dass Du su souverän mit meinen Anmerkungen umgehst. Ich hatte schon ein wenig Bedenken, ob ich vielleicht an einigen Stellen über das Ziel hinausgeschossen bin. :knuddel


    Ich habe das Gedicht jetzt noch einmal studiert. :-)


    Bezüglich der "Holperer" muß ich mich ein wenig zurücknehmen. Die Umsetzung ist konsequent so, dass die erste und die dritte Strophenzeile und die zweite und vierte rhythmisch korrespondieren. Wenn man jeweils nur ein-drei-eins-drei... liest, dann passt es, ebenso bei zwei-vier-zwei-vier.


    Das hatte ich beim ersten Lesen nicht erkannt. :-(


    Jetzt bei näherer Betrachtung gefällt es mir sogar, weil durch diese rhythmische Zweigleisigkeit auch die widersprüchlichen Charaktere eingefangen werden. Zwei Rhythmen parallel zueinander, aber doch miteinander verwoben...das hat durchaus etwas.


    Noch einmal zur letzten Strophe: Dieses zweimal "und dennoch" finde ich sehr gut. Das ist der Trotz der Hoffnung. :-)


    An der vorletzten Zeile störe ich mich aber immernoch. :grin
    Die fällt in meinen Augen aus dem Rahmen. Vielleicht stören mich gar nicht die formalen Dinge, sondern die inhaltlichen. Die letzte Strophe ist eigentlich dem "Ich" gewidmet, wie es mit der Situation umgeht. Dann wird auf einmal wieder spekuliert, was das Gegenüber will, was aber für die momentane Gefühlslage des "Ichs" völlig unerheblich ist, da es sich ja gerade "trotz allem" für die Hoffnung entschieden hat. Egal was das Gegenüber denkt oder will. Dem Gegenüber wird in der letzten Zeile die Hand bzw. das Herz gereicht, aber vielleicht würde der vorletzten Zeile noch ein wenig mehr "Ich" guttun.
    Ich kann das gerade ziemlich schlecht beschreiben, aber diese Zeile mag ich nicht. :-(


    Viele Grüße,


    die Fride. :wave

  • Kritik und Fragen sind bei den Texten, immer erwünscht! Ich stelle sie ja hier rein, weil ich sie selbst als unfertig und verbesserungsfähig betrachte und hier auf lesende/schreibende Mitstreiter hoffe, die mir beim Kanten abschmirgeln ein wenig helfen. :-)


    Tja, die vorletzte Zeile sollte wohl in etwa heißen: Obwohl ich nicht sicher bin, dass du weißt, dass ich in Wirklickeit auch die Nähe suche, auch wenn ich so tue, als wollte ich meine Freiheit. :gruebel


    Drachenhaut verleiht auf magische Weise die Kraft zu fliegen und macht den zarten übermütigen Schmetterling unverletzlich.
    Kann schon sein, dass sich die Bilder da ein wenig beißen, da ist wohl die Eidechse (-> Drachen) mit mir durchgegangen... :lache