Joachim Fest - Ich nicht

  • Titel: Ich nicht
    Autor: Joachim Fest
    Verlag: Rowohlt
    Erschienen: September 2006
    Seitenzahl: 368
    ISBN: 3498053051
    Preis: 19.90 EUR


    1926 wurde Joachim Fest in Berlin geboren. Er starb am 11. September 2006. Zwischen diesen beiden Daten lag ein interessantes und aufregendes Leben. In diesem Buch berichtet Joachim Fest über seine Kindheit und seine Jugend.


    Es gibt Autobiographien, da kann man die Buchstaben gar nicht lesen, weil sie soweit oben sind, weil der Autor seine eigene Person auf einen riesigen Sockel gestellt hat. Joachim Fest hat das nicht gemacht. Der langjährige Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen“ erzählt engagiert, spannend und ohne Pathos. Nicht sich selbst stellt er in den Mittelpunkt, im Mittelpunkt steht seine Familie. Da ist der Vater, der schon kurz nach der Machtübernahme der Nazis seine Stellung als Schulleiter verlor, da ist der geliebte Bruder Wolfgang, der 1944 in einem Lazarett an einer Lungenentzündung starb, ein Verlust, den Joachim Fest offensichtlich nie richtig überwunden hat.


    Falsche Sentimentalitäten sind nicht seine Sache. Er analysiert nüchtern und auch schon in seinen jungen Jahren hat er sich immer wieder eingemischt, etwas das ihn auch im weiteren Leben auszeichnete.


    Joachim Fest gehörte zu den Menschen, die etwas zu sagen hatten. Der promovierte Jurist und Historiker stand zu seinen konservativen Werten und war ein unerschütterlicher Demokrat.


    Seine Kindheits- und Jugenderinnerungen sind keine Selbstbeweihräucherung und Eitelkeiten haben in ihnen keinen Platz. Sie sind eine Auseinandersetzung mit unserer jüngeren Vergangenheit. Dieses Buch wird sicher dafür sorgen, dass diese unsagbaren Verbrechen, nicht wie vielfach gefordert, in Vergessenheit geraten.


    Eine wirklich spannend zu lesende Autobiographie. Sehr zu empfehlen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Danke für die Rezension und die Erinnerung, Voltaire. :-)


    Ich habe das Buch schon eine Weile hier und jetzt ist auf meinem SuB wieder ein wenig nach oben gerutscht.


    Ich habe von ihm die Biographie von Speer gelesen und habe - entgegen meiner Gewohnheit bei Biographien - auch bis zum Ende durchgehalten. Es gehört wirklich viel dazu, einen Tatsachenablauf so zu schreiben, dass er den Leser fesseln kann und nicht langweilt.


    :wave

  • Ein sehr subjektiv geschriebenes Buch- ganz anders als von dem Biographen Fest gewohnt nichts aus der Übersichtsperspektive. Die Erlebnisse der eigenen Kindheit und Jugend ohne Pathos und Selbstverliebtheit berichtet, bewusst aus diesen engen Blickwinkel und damit natürlich fordernd viele solche Bücher zu lesen um das Leben der einfachen Menschen in der Diktatur der Nationalsozialisten als Mosaik zusammensetzen zu können. Gut gefallen hat mir, das Fest tatsächlich berichtet und nicht gleichzeitig versucht im nach hinein zu rechtfertigen, so beschönigen. Er wägt ab, was er berichtet, versucht zu rekonstruieren, wie war ein Ereignis aus den Augen der Mutter oder des Vaters zu werten. Auch die Widersprüche im System, das anonyme Warnungen vor Besuchen der Gestapo sich nach Kriegsende als von einem sehr überzeugten Parteigenossen ausgehend herausgestellt haben, das sind Erlebnisse, die in der Draufsicht auf des Gesehen von "oben", beim Blick aufs "große Ganze" verloren gehen, in der Nahsicht natürlich auch nur Facetten sei können, aber ohne die Geschichte nicht lebendig werden kann. Jeder hat das Grauen unterschiedlich erlebt und überlebt. Fest beschrieb seine Lebenszeit, schade nur, dass er zu früh verstarb um seine Lebenserinnerungen fortzuführen, seine Sicht auf die fünfziger und sechziger Jahre wäre sicher ebenso faszinierend geworden wie es diese Buch für mich war.

  • "Joachim Fest gehörte zu den Menschen, die etwas zu sagen hatten."


    Und das hat er in diesem Buch ebenso interessant wie ansprechend getan.
    Ich schließe mich der lobenden Rezi von Voltaire an.
    Das Buch wird vermutlich mein Monatshighlight.
    Aufgefallen ist mir die mit einem heutigen Jugendlichen wohl kaum mehr vergleichbare umfassende humanistische Bildung. Zwar stammte Fest aus einem Akademikerhaushalt und natürlich hat die zu bewältigende Wissensmenge sich seither vervielfacht, aber trotzdem (Vermutlich etwas OT, fiel mir aber auf).

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)