Hanns-Josef Ortheil - Die geheimen Stunden der Nacht

  • Titel: Die geheimen Stunden der Nacht
    Autor: Hanns-Josef Ortheil
    Verlag: Luchterhand Literaturverlag
    Erschienen. September 2005
    Seitenzahl: 384
    ISBN: 3630871747
    Preis: 21.90 EUR


    Autor:
    Ortheil wurde 1951 in Köln geboren und lebt jetzt in Stuttgart. Sein Werk ist mit vielen Preise ausgezeichnet worden, zuletzt erhielt er den Brandenburger Literaturpreis und den Thomas-Mann-Preis der Hansestadt Lübeck. Er lehr als Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim.


    Worum geht es?
    Der Verleger und Konzernchef Reinhard von Heuken erleidet einen Herzinfarkt. Es ist absehbar, dass er die Konzernleitung abgeben muss, seine drei Kinder Georg, Christoph und Ursula sollen laut Testament die Nachfolge in der Konzernleitung unter sich ausmachen. Georg begibt sich auf die Suche nach den Spuren seines Vaters, der auf der Intensivstation in einem Krankenhaus liegt. Er findet Hinweise und Beweise für ein Zweitleben des Vaters, einem Vater dem er erst in der Krankheit ganz nahe zu kommen scheint.


    Meine Meinung:
    Der Klappentext bezeichnet dieses Buch als einen „Gesellschaftsroman von enormer Dichte“. Da man über Begriffe und Bewertungen trefflich streiten kann, so muss man eine solche Bewertung tolerieren, sich ihr anschließen muss man nicht.
    Würde man die „enorme Dichte“ akzeptieren, so würde sie auf Kosten einer inhaltlichen Tiefe gegangen sein. Einige der Protagonisten wirken etwas künstlich und ihnen fehlt zudem die individuelle Persönlichkeit. Sie sind Namen, nicht viel mehr.
    Trotzdem ist Ortheil ein gut zu lesender Roman gelungen, und während des Lesens und auch im Nachhinein hat man nicht das Gefühl, Zeit verschwendet zu haben. Ortheil erzählt fließend, manchmal ein wenig zu sehr fließend – man vermisst so einige Ecken und Kanten, die dem Buch sicher sehr gut getan hätten. Der Schluss des Buches wirkt ein wenig hastig aufs Papier gebracht – vielleicht wurde er ja zum Essen gerufen oder musste den Mülleimer runtertragen – hier hätte ein wenig mehr Sorgfalt und Intensität sicher nicht geschadet. Ein lesenswerter Roman, der in die Kategorie des anspruchsvollen Unterhaltungsroman eingeordnet werden kann.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich bin ja ein erklärter Ortheil Fan und habe
    Die Faustinas Küsse
    Die Nacht des Don Juan
    Im Licht der Lagune und (was mein erklärter Liebling ist):


    Die große Liebe :anbet gelesen.


    hast Du schon etwas anderes von Otheil gelesen und könntest sagen,
    es ist mit diesem oder jedem vergleichbar??


    herrlicher Tag Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson


  • Eine Ähnlichkeit sehe ich nicht unbedingt. Das Schöne an Ortheil ist in meinen Augen, dass er nicht "auf einer Masche reitet", sondern dass er immer wieder was Neues liefert. Im September 2007 soll das Buch meines Wissens als Taschenbuch erscheinen - vielleicht bis dahin warten. Aber auch die Summe für diese gebundene Ausgabe ist kein "rausgeschmissenes" Geld.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Batcat
    Ich habe noch nie was von Ortheil gelesen, aber das Buch hört sich gut an! :write


    Ich habe von Ortheil bisher auch noch nichts gelesen. Da das Buch interessant klingt, frage ich mich, ob man die Bücher in einer bestimmten Reihenfolge lesen muss? :help

    Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht. (Abraham Lincoln, 12.02.1809 - 15.04.1865)

  • Nein es gibt keine bestimmte Reihenfolge.


    Faustinas Küsse (Goethe in Rom)
    Nacht des Don Juan (Mozart und Casanova in Prag)
    und Licht der Licht der Lagune (Venedig falls ich mich recht erinnere)
    sind Historische Romane mit Figuren, die tatsächlich gelebt haben, deren
    Erlebnisse aber fiktiv sind.


    Die große Liebe ist ein wunderschöner Liebesroman, den ich jedem empfehlen
    kann. Spielt aber in in der Gegenwart.


    winkegrüße von Elbereth :wave


    ach ja, sind alles
    Taschenbücher...

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Hallo voltaire,
    im großen und ganzen muss ich Dir zustimmen. Außer, daß ich das Ende sogar etwas enttäuschend fand.

    Aber vielleicht reagiere ich auch nur etwas empfindlich weil mich das Verhalten der Assistentin stört.

    Wie siehst Du das, voltaire?


    Gruß
    Leseratte

    ...Dann sagte ein Lehrer: Sprich uns vom Lehren.
    Und er sagte:
    Niemand kann Euch etwas eröffnen, das nicht schon im Dämmern Eures Wissens schlummert.


    Khalil Gibran
    Der Prophet

  • Leseratte4
    Den Schluß fand ich irgendwie nur hastig zusammengetackert. Da hat den Autor wohl die Lust verlassen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich hätte dieses Buch unter "Zeitgenössisches" eingeordnet und schlage vor, die Rezi dorthin zu verschieben (zwei andere Bücher des Autors finden sich dort ebenfalls). Für "Belletristik" macht der Autor es dem Leser zu schwer; wirklich leicht zu lesen ist seine Sprache nicht. Aber sie ist fantastisch. :anbet


    Das Buch hat mich begeistert, und das ist allein der Sprache zu verdanken, denn die Handlung an sich hätte mich in einem anderen Buch vermutlich nicht mitgerissen.


    Hier habe ich eine Leseprobe gefunden.


    Der Protagonist, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird, taugt mir nicht zur Identifikationsfigur. Dazu habe ich zu oft den Kopf geschüttelt über sein Handeln und seine Haltung.


    Dafür hat mir sein Erfolg im Umgang mit dem schwierigen Bestsellerautor Respekt abgenötigt. Und Ortheils wunderbare Sprache hat es geschafft, dass ich tatsächlich Lust hatte, diesen merkwürdigen Verleger durch das Buch zu begleiten. (Nur ein paar Semikolons hätte ich dem Autor gerne geschenkt. ;-) )


    Überhaupt fand ich die Darstellung der Verlagswelt recht interessant, nicht zuletzt auch ergänzend zu allem, was ich hier im Forum und im richtigen Leben schon darüber gelernt habe.


    Die Kritik am Schluss kann ich teilweise unterschreiben. Es löst sich alles etwas zu schnell in Wohlgefallen auf.


    Aber jemandem, der so schreibt, verzeihe ich vieles, und ich werde nach weiteren Büchern des Autors Ausschau halten. Besonders lockt mich ja ehrlich gesagt sein Venedig-Buch - siehe unten.


    Eine wichtige Warnung noch: Wer das Buch lesen will, halte sich von den Amazon-Kundenrezis fern, jedenfalls von der einer gewissen "Helga Schulz", denn darin wird der Schluss gespoilert. :fetch Leider hatte ich das zwischendurch gelesen und bin darum natürlich beim Lesen anders an den Verlauf der Geschichte herangegangen.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)