Henryk M. Broder: Hurra, wir kapitulieren

  • Die Auseinandersetzung mit dem Islam im weitesten Sinne und im engeren Sinne mit seinen ... energischeren Vertretern, den verniedlichend Islamisten genannten Befürwortern von Terror, Gewalt und Intoleranz, gehört und gehörte zu den Themen, die in den vergangenen Monaten die Schlagzeilen geprägt haben. Von den Mohammed-Karikaturen über die Äußerungen des iranischen Spaßvogels Ahmadinedschad bis hin zur peinlichen Posse um das Benedikt-Zitat: Kaum ein Tag verging, an dem man nicht darüber staunen konnte, wie dünnhäutig, aber zielstrebig unsere muslimischen Welt-Mitbürger und ihre lautstarken, zumeist selbsternannten Anführer darauf reagieren, was für Westmenschen eine Selbstverständlichkeit ist, wenn es um Weltreligionen und Auffassungen geht. Nämlich das Recht, sich über alles lustig zu machen, und jeden Standpunkt in Zweifel zu ziehen. Zumal die bis zur Selbstaufgabe gesteigerte Toleranz, die jene fordern, bei ihnen selbst im Umgang mit anderen Meinungen nur in homöopathischen Dosen vorzufinden ist. Euphemistisch gesagt.


    Hendryk M. Broder wirft in seinem Büchlein die o.g. Themen mit der Ausländer-Problematik, Verzeihung, mit der Problematik um Menschen mit Migrationshintergrund, den Unruhen in Frankreich und einigen anderen Vorfällen in einen Topf. Im Ergebnis wird man mit einer durchaus genießbaren, zuweilen extrem eloquenten, nichtsdestotrotz oberflächlichen, manchmal ärgerlichen, stark polarisierenden und gelegentlich vereinfachenden Sichtweise konfrontiert. Der Tenor lautet: Wir lassen uns von den Muslimen alles gefallen, bis hin zur Selbstaufgabe. Und die Prognose: Wenn der Westen nicht aufhört, vor den kampfbereiten Schreihälsen einzuknicken, läutet er damit sein eigenes Ende ein.


    Ich gehöre zu denjenigen, die sich über die wohlgemerkt westlichen Reaktionen zu den Mohammed-Karrikaturen die Krätze geärgert haben, angefangen bei der Entlassung der zuständigen Redakteure über Entschuldigungsorgien bis hin zur Nestlé-Kampagne, in der verlautbart wurde, Nestlé würde keine Produkte aus Dänemark vertreiben. Auch angesichts der Gewalt und der Tatsache, daß kein Beteiligter die Karikaturen zu kennen schien, vor allem aber, weil es um ein nicht-diskussionsfähiges Grundrecht ging, nämlich die Pressefreiheit. Wer die opfert, sägt tatsächlich an seinem eigenen zivilisatorischen Ast. Bis hierhin muß ich Broder Recht geben.


    Aber damit endet es auch leider. Irgendwann ist nicht mehr zu unterscheiden, wovon Broder eigentlich schreibt, und der latente Ärger über inflationär praktizierte Political Correctness läßt sich nicht mehr von Broders – wahrscheinlich berechtigter – Sorge um den Staat Israel und seinen unverhohlenen Haß auf den Islam trennen. Es geht nicht mehr um das Thema Appeasement, vielmehr darum, den Spieß einfach umzudrehen. Klar, das Buch ist kein Essay, sondern eine längere Kolumne, aber es verpaßt den Punkt, an dem Differenzierung nötig gewesen wäre.


    Dennoch. Wichtig bleibt, daß jemand auf diese Art reagiert. Dem sich nach und nach etablierenden, wahrlich unschönen und meistens dümmlichen Umgang mit Intoleranz, die sich als religiöse Befindlichkeit verkauft, muß ein Riegel vorgeschoben werden, und Broders Buch ist zwar kein bahnbrechender, aber wenigstens erhellender Beitrag hierzu. Davon abgesehen ist es über weite Strecken ziemlich amüsant.

  • Sehr interessante Buchvorstellung. Mit Broder habe ich leider immer so meine Schwierigkeiten - aber aufgrund deiner Rezi werde ich wohl auch an diesem Buch nicht vorbeikommen.


    Danke für diesen Buchtipp! :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hallo, Voltaire.


    Zitat

    Mit Broder habe ich leider immer so meine Schwierigkeiten - aber aufgrund deiner Rezi werde ich wohl auch an diesem Buch nicht vorbeikommen.


    Es ist aber keine uneingeschränkte Empfehlung!


    Zitat

    Danke für diesen Buchtipp!


    Keine Ursache. War mir ein Fest. :wave

  • Zitat

    Original von Tom
    Hallo, Voltaire.



    Es ist aber keine uneingeschränkte Empfehlung!



    Das macht es halt auch so interessant. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hallo, Beowulf.


    Zitat

    Meint ihr das wird noch broschiert oder als Tb erscheinen?


    Bisher ist nichts dergleichen angekündigt; das Buch gibt es ja noch nicht so lange, und da es einen direkten aktuellen Bezug hat, besteht durchaus die Möglichkeit, daß es kein Interesse an einer TB-Ausgabe mehr geben wird (weil: veraltet). Das aber ist Spekulation.

  • Ich selbst habe auch ene kritische Haltung zur teils entarteten Appeasement-Politik des Westens und könnte angesichts einiger Ströbelescher Äusserungen ebenfalls den Kamm schwellen lassen, fürchte aber auch, dass Leute wie Broder oder Ulfkotte mit Vorsicht zu genießen sind:


    Sie muten an wie die Micheal Moores der Islamophobie und torpedieren die eigene kritische Haltung, indem sie gerne über die Strenge schlagen.


    Schade!


    Da lobe ich mir doch beispielsweise den nüchternen Pragmatimus eines Helmut Schmidt.

  • Lese ja gerne Broder, der auch eine schöne Webseite hat ("Schmock des Monats" und weitere Blüten feinsinnigen Humors).


    Aber, Kaleun:
    Gerade "Hurra wir kapitulieren" ist keine islamophobe Kampfschrift, sondern eine bitterböse Abrechnung mit einseitiger und vernunftfreier Medienberichterstattung. Ein Tribunal über unkritisches und reflexartiges Solidarisieren mit vorgeblich Entrechteten und Beleidigten.
    Es geht um die Medien und einige Protagonisten. Wobei ich irrsinnigerweise jede Meinung von Broder teile, also - im Sinne von Dieter Hildebrandt - "Nick-Literatur" zu mir nehme.
    Wer also meint, Roger Willemsen sei ein selbstgefälliger Dummschwätzer,
    und weitere Plattitüdenverbreiter sprachlich gesteinigt sehen möchte, wird sein reines Vergnügen an dem Bändchen finden :grin


    Den Islam auf dem Seziertisch findet man bei Naipaul, Eine islamische Reise (1981). Genaugenommen befasst er sich mit dem real existierenden Islam und den islamischen Staaten, weniger mit der (theoretischen) Religion des Islam, der ja noch uneinheitlicher ist als die ganzen christlichen Varianten.

  • Broder beschreibt in diesem Buch, die ängstliche und defensive Politik der westlichen Staaten gegenüber der islamistischen Welt, gegenüber dem aggressiven Islamismus. Mit ihrer Politik der Beschwichtigung gehen die westlichen Staaten einen ganz gefährlichen Weg, einen Weg, auf dem auch unsere Werte und unsere Freiheitsrechte auf dem Spiel stehen.


    Henryk M. Broder provoziert, er überzeichnet, er polarisiert – aber jede Provokation, jede Überzeichnung und jedes Polarisieren in diesem Buch trifft zielgenau ins Schwarze. Broder spricht das aus, und er spricht es mit aller Deutlichkeit und mit allem Nachdruck aus, was viele halt nur im stillen Kämmerlein zu denken wagen.


    Es ist schon erschreckend, aber man kann es nun einmal nicht wegdiskutieren, dass Deutschland und auch Europa insgesamt wohl nichts anderes ist, als eine Gemeinschaft von Hanswürstinnen und Hanswürste. Und es ist leider keine Realsatire sondern die Wirklichkeit, wenn sich die Ikone der deutschen Betroffenheitskultur Claudia Roth in irgendwelchen peinlich-dümmlichen Reden meint, sich auch zu diesem Themenkreis äußern zu müssen. Und auch der Vater der sinnleeren Sprechblase Steinmeier, seines Zeichens Chef des Auswärtigen Amtes, hat außer irgendwelchen Luftblasen nichts zum Thema beizutragen.


    Die FAZ hat dieses Buch als „scharfsinnige Gesellschaftsanalyse“ bezeichnet. Recht hat sie, die Zeitung, hinter der angeblich immer ein kluger Kopf steckt.


    Leon de Winter bezeichnete dieses Buch als einen „tragikomischen Essay“, wobei das Komische eher nur einen Assistenzpart einnimmt. Die Tragik überwiegt. Zurückweichen, Speichellecken und „Political Correctness“ sind die Dinge, die die „Lust am Einknicken“ (so der Untertitel des Buches) am Kochen halten.


    Es ist ein Buch, dass wohl niemanden unberührt lässt und dass das Multikulti-Geschwätz als das entlarvt was es ist: totaler Blödsinn.


    Mein Tipp: Das Buch kaufen und unbedingt lesen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.