Lust - Elfriede Jelinek

  • Elfriede Jelinek wird ja mit Preisen förmlich überschüttet. Gerade in diesen Tagen erhält sie den Mülheimer Dramatikerpreis.
    Um diese Schriftstellerin kennenzulernen, habe ich eines ihrer Werke gelesen:


    Kurzbeschreibung von amazon:
    Seit Aids ins letzte Alpental vorgedrungen ist und "die infiziert, die in der Liebe für den Wechsel sind", muß der Fabrikdirektor auf Partnertausch und Prostituierte verzichten und wieder auf seine Frau Gerti zurückgreifen. Gerti will den sexuellen Attacken entfliehen, der routinemäßigen, langweiligen, tödlichen Wiederholungen des Immergleichen. Sie ist oft abgängig, landet - bisweilen betrunken - auf der Gendarmerie. Ihre Sexualität kann sie nicht ausleben als Mutter; Mutterschaft und Sexualität löschen einander aus. Gerti verliebt sich in das Götterbild Michael, einen Studenten, der sie auf einer ihrer Fluchten aufliest, nach allen Regeln seiner jungen Aufreißer-Kunst verführt und demütigt.


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    Bitte, wer von euch kennt dieses Werk oder ein anderes von Elfriede Jelinek? Ich werde mir bestimmt keines mehr antun. Lust war entsetzlich, abstoßend, grauenhaft. Eine hässliche Sprache, eine abstoßende Handlung, es war ein fürchterliches Erlebnis.


    Warum um alles in der Welt bekommt diese Frau Ehrungen und Preise? Oder bin ich nur zu schockiert oder kleinkariert, um einer solchen Fäkalsprachenorgie etwas abzugewinnen?


    Ich überlege gerade, ob dieser Thread eigentlich eher ins Forum Horror gehört.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

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  • Das Buch habe ich mal während der Teilnahme an einem VHS-Literaturkurs gelesen.
    Ich fands nicht schlecht, aber gewöhnungsbedürftig !
    Sie ist eben eine sehr unbequeme Autorin und Streiterin... Auch die muß es geben, gell His ???? :grin

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Hallo, Alice!


    Ja, mit Preisen wird sie tatsächlich überschüttet, und es mag auch sein, dass ihr Buch "Die Klavierspielerin" gut war - kann ich nicht sagen, ich gehe ihren Werken aus dem Weg.


    Hab mal ein Buch von ihr gelesen (vor laaanger Zeit), in dem am Ende alle von einem Jugendlichen kurz und klein gehackt wurden, nachdem er seine Sexualität nochmal voll ausgelebt hat :wow Aber wie! Das hat mich total abgeschreckt, so was Blutiges hätte ich nicht mal Stehen King zugetraut!


    Meine Mutter kennt Elfriede Jelinek persönlich, bzw. früher mal. Und sie hat mir erzählt, dass diese Frau (Jelinek) ein total gestörtes Verhältnis zur Sexualität hat und deswegen so kranke Bücher schreibt.


    Es gibt sicher Leute, Psychologen vielleicht, oder einfach solche, die mehr vertragen als ich, die Gefallen an ihren Werken finden, und die Charaktere sollen ja wirklich gut ausgearbeitet sein, ich persönlich konnte bisher gut ohne sie leben und werde es auch weiter so halten.

  • Ist schon 12 Jahre her, daß ich das gelesen hab....
    Wenn wir das damals nicht in unserem VHS-Kurs durchgenommen hätten, hätte ich es wahrscheinlich nicht angepackt.
    Kann mich erinnern, daß ich es sehr interessant fand, sowohl inhaltlich, wie auch stilistisch.


    Info aus Kindlers Literatur-Lexikon:


    Prosatext von Elfriede Jelinek, erschienen 1989.
    Als radikal-obszöner »Antiporno« skandalisiert, verursachte der Text bei seinem Erscheinen einen erheblichen Medienwirbel und lieferte so einen signifikanten Beitrag zur Fehlinterpretation feministischer Avantgardeliteratur.
    In Fortschreibung ihrer bereits in vorausgegangenen Werken (Die Liebhaberinnen, 1975; Die Klavierspielerin, 1983) vorgenommenen satirisch-sezierenden Erkundung der Mann-Frau-Beziehung in bürgerlichen Verhältnissen hat Jelinek in Lust ihr Thema konsequent weiterverfolgt. Ihre Perspektive wird dabei entschieden von einem marxistisch orientierten Radikalfeminismus bestimmt, der für das Scheitern der Selbstverwirklichung der Frau die einander bedingenden gesellschaftlichen Konstanten des Kapitalismus und der Männerherrschaft verantwortlich macht.
    Seit AIDS der bedenkenlosen Freizügigkeit sexuellen Verkehrs Schranken gesetzt hat, hält sich »der Mann«, ein Papierfabrikdirektor namens Hermann, ausschließlich an seine Frau, die er täglich mehrmals als Kopulationsobjekt benutzt (»Eigentum verpflichtet den Besitzer zu nichts«). Gerti, eine Frau »in der Mitte ihres Lebens«, hat sich in ihrer Situation als finanziell abgesicherte Unternehmergattin nur oberflächlich arrangiert. Ihr Alltag in dem Provinznest ist öde, Mann und Sohn sind »Makeln, die auf ihrem Leben lasten«, Einkaufen und Alkoholkonsum taugen kaum zur Ersatzbefriedigung. Oft ist sie abgängig, landet bisweilen betrunken auf der Gendarmerie. Auf einem ihrer fluchtähnlichen Spaziergänge durch die winterliche Alpenlandschaft wird »die Frau Direktor« von dem »Götterbild Michael«, einem Jurastudenten, aufgelesen, dem sie sich als »Gefühlswesen« andient. Doch Michael demütigt Gerti, indem er sie vor den Augen seiner Clique vergewaltigt. Zu Hause ist sie weiterhin den stur repetitiven sexuellen Übergriffen ihres Mannes ausgeliefert. Immer grotesker werden die Fickereien in der Direktorenvilla, die Frau flieht zu Michael, Hermann folgt ihr zu der Wohnung des Studenten; wieder wird sie vergewaltigt. In die Villa zurückgekehrt, erstickt Gerti den schlafenden Sohn, der ja doch nur zu einem Ebenbild des Vaters heranwächst, und versenkt die Kinderleiche im reißenden Bergbach. Reduziert auf ihre biologische Funktion, entpersönlicht (»Die Frau ist dem Nichts entwendet worden und wird mit dem Stempel des Mannes jeden Tag aufs neue entwertet. Sie ist verloren«), hat die alternde Frau keine Zukunft außer »Mord und Tod«.
    Höhnisch entläßt die Erzählerin ihre Figuren – und den Leser – mit dem Zuruf »Aber nun rastet eine Weile!«
    Der zyklisch strukturierte Text, der nicht als Roman ausgewiesen ist, exponiert in der erzählerischen Anordnung von Figuren und Schauplätzen einen Zustand: Im Grunde wird mit äußerster Intensität nur ein einziger, gleichsam automatisierter Vorgang gezeigt, nämlich die von der Ehe legalisierte Vergewaltigung der Frau.
    Die vom Titel geweckte, auf sinnliche Erregung gerichtete Erwartungshaltung wird durchkreuzt, sexuelle Neugier durch die aggressive »Sprachunzucht« der Autorin attackiert: Jelinek bereitet das obszöne Textmaterial mit unterschiedlichsten phonetischen, stilistischen und rhetorischen Mitteln auf – schiefe und abstrakte Sprachbilder, alliterierend-assoziative Wortspiele, Kalauer und Zoten, Wortneuschöpfungen, verballhornte Zitate der literarischen Klassik, Phrasen, Slogans, Metaphern, liturgische und biblische Texte, simulierte und echte Regionalismen, geschäftssprachliche Floskeln und Kommentare dienen der Dekomposition der (männlichen) Sprache und gleichzeitig der Demontage sexueller Erregung.
    Indem Jelinek in denunziatorischer Absicht auch das Verfahren mimetischen Sprechens anwendet, passagenweise eine Kopie der phallozentrischen Pornographiesprache herstellt, decouvriert sie »Lust«, die männliche Geilheit, als ausschließlich männliche Machtbefriedigung. Solcherart prangert die kalkuliert rüde Benutzung des Männerjargons in einem Umkehreffekt deren Erfinder an: »Die Lust soll nicht konsumiert werden wie kommerzielle Pornographie. Sie soll durch ästhetische Vermittlung sozusagen dem Leser ins Gesicht zurückschlagen. Der Zweck ist, daß man sich darin nicht wälzen kann wie ein Schwein in der Kuhle, sondern daß man blaß wird beim Lesen.« (E. Jelinek)
    Es war insbesondere die sprachexperimentelle Ebene des Textes, die von der Literaturkritik hervorgehoben wurde (»Litanei der Perversion«, S. Cramer; »Kannibalismus der Sprachaktionen«, W. Schptte; »Trivialroman in experimenteller Tarnung«, W. Isenschmid), doch greift eine Interpretation zu kurz, die Lust nur als feministischen Angriff auf die Pornographie deutet.
    Hermann und Gerti sind Grand-Guignol-Figuren, die in ihrer Archetypik auf Grundgegebenheiten der Welt zielen; das stereotype Geschehen und die Personenkonstellation besitzen einen hohen Grad an Verallgemeinerbarkeit. In einem geschlossenen System, dessen einander gegenseitig stützende Hauptkoordinaten Unternehmertum (»der Direktor«), Katholizismus und Frauenentrechtung sind, ist weibliche Individuation von vornherein ausgeschlossen.
    Das Geschlechterverhältnis in der bürgerlichen Gesellschaft wird von Jelinek marxistisch-materialistisch analysiert, sie begnügt sich nicht nur mit der Verhöhnung von Männerphantasien oder dem Aufzeigen des pathologischen Verhältnisses von Mann und Frau, sondern gebraucht die literarische Groteske als ein Stilmittel gesellschaftlichen Engagements, verzichtet dabei aber auf den Entwurf konkreter Gegenwelten: »Ich bin immer jemand, der die Wirklichkeit überspitzt zeigt, keine Lösung, keinen Ausweg anbietet. Ich entwerfe keine Utopie, aber produziere eine ins Extreme getriebene Analyse dessen, was ist.« (E. Jelinek).
    Dr. Cornelia Fischer

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Abartig, pervers und wahnsinnig gut.


    Allein die Sprache der Jellinek! (Ich bin so begeistert davon, dass ich es hier nochmal posten muss, obwohl ich es gestern bereits bei einer andern Buchvorstellung von Jellinek gesagt habe.)


    Jorinde

  • Ich fand dieses Buch widerlich, pervers, deprimierend. Ich werfe selten ein Buch weg, aber dieses landete bei mir in der Abfalltonne, wo es meiner Meinung nach hingehört.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Zitat

    Original von Alice
    Ich werfe selten ein Buch weg, aber dieses landete bei mir in der Abfalltonne, wo es meiner Meinung nach hingehört.


    Hoppla ! Das finde ich nun gar nicht, denn komischerweise erhitzen sich die Gemüter ja irgendwie immer eher an Büchern von Frauen, die derbe zur Sache gehen !


    Und auf den Müll ???? Das finde ich schon etwas krass ....

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • @ Alice
    Widerlich: Ja. Pervers: Ja. Deprimierend: Ja. Gebe dir in allem recht, aber nicht in der Schlussfolgerung.


    "Lust" fühlt sich in meinem Regal wohl in der Nähe von "Das Parfüm" und "Salz auf unsrer Haut".


    Jorinde