Tausend strahlende Sonnen (A Thousand Splendid Suns)- Khaled Hosseini

  • Ich habe das Buch „Tausend strahlende Sonnen“ gerade eben beendet und bin wirklich tief gerührt.


    Vor diesem Buch habe ich mich noch nie wirklich mit dem Land Afghanistan und seiner Gesellschaft unter der Herrschaft der Taliban auseinander gesetzt. Natürlich hat man in den letzten Jahren durch die nachhaltigen Unruhen und Krisen in diesem Gebiet immer mal wieder etwas in den Medien mitbekommen und weiß, dass Frauen da stark unterdrückt werden und so gut wie keine Rechte haben. Aber es ist doch etwas anderes, wenn man mal ein Buch liest, in dem die Lebenswege von zwei unterschiedliche Frauen mit unterschiedlichen familiären und gesellschaftlichen Hintergründen erzählt bekommt.


    Khaled Hosseini beschreibt das grausame und traurige Leben der beiden Frauen sehr eindringlich, sodass man wirklich mitleidet. Manchmal musste ich auch kurz aufhören zu lesen, um das Gelesene zu verarbeiten, da viele Stellen, auch wenn sie nicht sehr detailliert beschrieben werden, einfach schockierend sind. Man leidet einfach mit den Frauen mit.


    Als Leser bekommt man durch das Buch ein sehr realistisches Bild von dem Leben in Afghanistan. Besonders gut gefallen hat mir, dass auch geschichtliche Aspekte eine große Rolle spielen in dem Buch und wirklich großen Einfluss auf die Handlung haben. Dadurch versteht man auch die Kultur dieser Menschen besser, da man einfach den gesamten Zusammenhang sieht.


    Ich bin wirklich sehr froh, dass ich diese Erfahrungen nicht erleben musste und bewundere wirklich die beiden Hauptfiguren Leila und Mariam, die trotz allem doch immer wieder ein Fünkchen Hoffnung haben und die schweren Zeiten durchstehen. Ich denke, diesen Mut und die Stärke kann man den meisten afghanischen Frauen zusprechen, da viele ähnliches erlebt haben werden.


    Ich kann dieses Buch wirklich weiterempfehlen und verleihe daher 10 von 10 Punkten.

    Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste. (Heinrich Heine)


    :lesend Jeffery Deaver: Allwissend

  • Es gibt wohl nichts, das nicht schon zu diesem Buch geschrieben wurde, daher bleibe ich nur kurz bei meiner eigenen Sicht.


    Den übersprudelnden 10-Punkte-Meinungen kann ich mich nicht ganz anschließen, da ich immer Probleme damit habe, wenn Personen (auch und gerade wenn sie nur fiktiv sind) zuviel aufgebürdet wird. Da ist für mich die Hälfte an Gewalt, Brutalitäten etc. schon genug. Ich denke, das ist es auch, was die Kritiker mit "man wird emotional manipuliert" meinen.


    Die beschriebenen jeweiligen politischen Ereignisse werden aber gut dargestellt und formen Mitgefühl und Verständnis für dieses Land und seine Menschen. Die persönlichen Geschichten von Mariam und Laila sind mir jedoch zu "overloaded", wenn ich auch nicht die Augen davor verschließe, dass es so viel Elend gibt.


    Wer mir als Figur sehr gut gefallen hat, war der Leiter des Waisenhauses, der heimlich die Kinder unterrichtet - von bzw. über ihn würde ich mir noch eine eigenständige Geschichte wünschen.


    Von mir gibt es 8 Punkte.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • *Alice staubt wieder einen alten Thread ab, um ihre 2 Cent beizutragen* ;-)


    Khaled Hosseini schreibt sehr anschaulich, atmosphärisch dicht und sehr verständlich. Große Literatur ist es keine, will es wohl auch nicht sein. Aber der Autor hat es geschafft, mein Bild von Afghanistan ein wenig zurechtzurücken. In diesem Land leben Menschen wie wir, mit denselben Wünschen, Sehnsüchten, Bedürfnissen... Ist eigentlich klar, aber das Bild, das die Medien und die USA vermitteln, ist eigentlich ein Land der religiösen Fanatiker, der primitiv-rückständigen Bevölkerung und der terroristischen Organisationen. Gegen diese Eindimensionalität schreibt Hosseini an, was ich sehr gut finde.


    Allerdings haben mich seine Charaktere weniger begeistert. Die beiden Frauen sind zwar sehr gut beschrieben - was sicher besonders für einen Mann dieses Kulturkreises nicht einfach ist, eine solch komplexe Geschichte aus der Sichtweise zweier ziemlich unterschiedlicher Frauen zu erzählen.
    Viel zu plakativ-böse ist in meinen Augen Raschid, der nun wirklich keine einzige positive Eigenschaft besitzt. Auch andere Charaktere, die beispielsweise der Direktor der Waisenhauses (ein hochinteressanter Mensch) wurde nur halbherzig beschrieben, ebenso Mariams Vater.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Mariam möchte aus der ärmlichen Lehmhütte zur Schule gehen. Ihre Mutter verwehrt ihr den Wunsch: „Nur eines muss sie können. Und das ist: tahamul. Aushalten.“ S. 22 Nach ihren Erfahrungen dürfen Frauen wie sie und ihre Tochter nicht viel erwarten. Nur einmal in der Woche kommt der Vater zu Besuch – die Mutter ist keine seiner drei Ehefrauen, sie war nur die Angestellte in seinem Haus und beklagt ihr Los. „Manchmal…wünschte ich, mein Vater hätte den Mumm gehabt, eines seiner Messer zu wetzen und der Ehre Genüge zu tun. Es wäre womöglich besser für mich gewesen.“ S. 10 Tochter Mariam wächst meist freudlos heran, nur der alte Mullah, der sie unterrichtet, und eine Freundin der Mutter bringen Abwechslung.


    Laila hingegen wird als behütetes drittes Kind nach zwei älteren Söhnen geboren, mit gebildeten, wohlhabenden Eltern. Der Vater legt Wert darauf, auch seiner Tochter jegliche Bildung zukommen zu lassen. Doch Laila und Mariam leben in Afghanistan und bald ergreifen die Kommunisten die Macht. Lailas Vater verliert seine Arbeit, doch immer noch schätzt er, dass die Kommunisten großen Wert auf die Schulbildung auch und gerade der Mädchen Wert legen. Die Söhne kämpfen bereits gegen die Kommunisten – Lailas Mutter lebt hauptsächlich in der Vergangenheit mit diesen Brüdern. „Laila hörte immer aufmerksam zu und hoffte im Stillen, Mami würde bemerken, dass sie, Laila, kein shaheed [Märtyrer] war und noch lebte, dass sie hier mit ihr im Bett lag und eigene Wünsche für die Zukunft hatte. Allerdings war ihr klar, dass sich ihre Zukunft mit der Vergangenheit ihrer Brüder nicht messen lassen konnte.“ S. 133 Beide Frauen haben diese Mütter…


    Die bald miteinander verwobene Geschichte der beiden ungleichen Frauen mit völlig verschiedenem gesellschaftlichen Hintergrund innerhalb Afghanistans wird von Autor Khaled Hossein zu einer Geschichte geschrieben über Liebe und Freundschaft, Willkür und Leid, aber auch Mut und Hoffnung. Es ist außerdem die Geschichte Afghanistans ab dem Jahr von Mariams Geburt, 1959, von verschiedenen Volksgruppen, den wechselnden politischen Gegebenheiten, vom König, den Kommunisten, den Mudschaheddin, den Taliban, den verschiedenen Kriegen. Hossein berichtet vom Leid der Frauen, aber auch vom Widerstand. Ich schlage sonst bei ähnlichen Bücher immer viel nach – „Tausend strahlende Sonnen“ schafft es, das Wissen über das Land ganz nebenbei mit einfließen zu lassen und gleichzeitig eine schlicht bewegende, mitreißende, wunderschöne Geschichte zu sein, die bei aller zwischendurch den Protagonistinnen zuteil werdenden Willkür immer auch von ihrer inneren Stärke und Würde erzählt.


    Ich habe eine Ausgabe vom Berliner Taschenbuchverlag gelesen, die als Nachwort sowohl ein Interview mit dem Autor als auch Fragen zur Anregung für Lesekreise enthält – besonders letztere empfand ich als hilfreich und empfehle damit ausdrücklich diese Ausgabe – und, das Buch unbedingt zu lesen!
    10 von 10 Punkten!