Fragen an Nicole C. Vosseler

  • Hallo Herr Palomar,


    ich muß dazu ein bisschen ausholen. Ich möchte immer jedem Buch etwas voranstellen, was dem Leser (wie ich hoffe) so ein gewisses Gefühl gibt, was ihn mit diesem Buch erwartet. So eine Art Einstimmung...
    Die Suche danach ist meist recht mühselig und chaotisch, und sie steht immer am Anfang der Romanarbeit. Denn ich kann nicht den ersten Satz des Romans niederschreiben, wenn nicht Arbeitstitel und einleitendes Zitat stehen - da bin ich etwas zwanghaft veranlagt! :lache.
    Ich kann nie genau sagen, WAS ich genau suche - aber wenn ich es dann habe, es in mir "klick" macht, dann weiss ich es einfach. Ich wälze Bücher, Zitatensammlungen und surfe im Netz herum, zu verschiedenen Themen oder Autoren. Und es sollte für mich immer zeitlich nicht allzu weit entfernt sein von der Zeit, in der der Roman spielt (pi mal Daumen +/- 50 Jahre).
    Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht mehr, wie ich auf Shelley kam - das liegt ja nun auch schon einige Jahre (*rechne* 12einhalb, um genau zu sein! :yikes )
    zurück... aber als ich in seinen Werken blätterte und auf diese Zeilen stieß, dachte ich: yes, DAS ist es, da steckt für mich alles drin! :-]

  • @ Herr Palomar


    ich finde das überhaupt nicht schwer... Es gibt zwar bestimmte Epochen oder historische Gestalten, die ich von jeher faszinierend finde. Aber da ist immer der Moment, in dem von irgendwo her eine Figur auftaucht - oder eine Idee, bei der es für mich "klick!" macht, und ich intuitiv weiß, das ist eine Geschichte für mich. Und die läßt mich dann auch so lange nicht los, bis ich sie geschrieben habe. (Spannend wäre natürlich die Frage zu klären, WOHER genau diese Idee kommt - aber ich will es glaube ich auch gar nicht so genau wissen, das würde mir die Magie des Ganzen nehmen ;-) ).
    Nicht jede Idee wird sofort in einen Roman umgesetzt - sei es, weil es von Verlagsseite heisst "gefällt uns nicht" oder "geht derzeit auf dem Markt nicht"; sei es, weil ich selbst mich noch nicht reif genug fühle, um die Geschichte angehen zu können. Dann bleibt sie eben so lange in der Schublade, bis sowohl innere (meine) wie äußere (Verlage) Signale grün zeigen. :-)


    Besonders reizvoll finde ich es allerdings auch, einen historischen Stoff zu bearbeiten, der schon oft erzählt wurde und dabei einen Aspekt oder ein Detail zu beleuchten, der dabei eben noch NICHT erzählt wurde.


    Schwer finde ich alles, was danach kommt: die Recherchen, die oft mühselig sind oder mich in Sackgassen führen, die Umsetzung in Szenen - wenn ich den Handlungsverlauf ändern muss, weil er zu den historischen Fakten nicht passt usw.

  • @ Pelican


    tja, wie ich zu dem Roman gekommen bin, ist eine Geschichte für sich...


    Es ging mir eigentlich zuerst gar nicht so sehr um Cook selbst, sondern um Lieutenant Hicks, das muss ich zugeben.


    Ich weiß jetzt nicht, ob das zu weitschweifig für Euch ist (oder zu peinlich für mich :lache) - aber als ich 15 oder 16 war, lief im Fernsehen über Feiertage ein Spielfilm-Vierteiler namens "Wind und Sterne" über James Cook und seine drei Reisen. Als Geschichtsfreak habe ich mich davorgesetzt, war fasziniert von den Ereignissen, den Personen - und ich fand den Schauspieler so toll, der den Hicks spielte . (wobei ich mich wunderte, dass diese Rolle irgendwie immer nur zwei, drei Sätze hatte :wow ). Und gleich darauf war in meinem Kopf auch Brittany da (wenn sie damals auch noch nicht diesen Namen trug) - schiffbrüchig auf der Insel, zur Heilerin ausgebildet, die die Reise mit Cook und seinen Mannen fortsetzt. An einen Roman habe ich mich damals noch nicht herangetraut, und so verstaute ich diese Idee erst einmal irgendwo im Hinterkopf.


    Weihnachten 1994 wurde der Vierteiler wiederholt, und ich machte mich daran, nachzurecherchieren, wer dieser Zachary Hicks eigentlich tatsächlich gewesen war. Und fand erst mal - nichts. So gut wie nichts. Was mich erstaunte, aber nur noch mehr anstachelte. Und je länger und gründlicher ich recherchierte, desto spannender fand ich die Reise, die Personen, die Beziehungen untereinander, und als ich dann über Cooks Logbuch saß, war für mich klar: das MUSS ich schreiben! Es hatte mich einfach am Haken... ;-)

  • Zitat

    Original von Nicole
    Besonders reizvoll finde ich es allerdings auch, einen historischen Stoff zu bearbeiten, der schon oft erzählt wurde und dabei einen Aspekt oder ein Detail zu beleuchten, der dabei eben noch NICHT erzählt wurde.


    Das fasziniert mich als Leser historischer Romane am meisten.


    Es ist ja auch oft so, dass die geschichtlichen Fakten nicht immer genau bekannt sind und/oder andere Interpretationsmöglichkeiten denkbar sind.
    Diese Lücken zu finden und auf interessante Weise auszufüllen, machen einen Roman so spannend.


    Brittany ist ja zum Beispiel fiktiv und daher nicht wirklich auf der Endeavour gewesen (soviel wir wissen :grin), aber ohne sie würde dem Roman der Aufhänger fehlen. Und andere Abweichungen von geschichtlichen Fakten sind mir nicht aufgefallen.
    Aber würdest du, im Zweifelfalle, beim Schreiben aus Gründen der künstlerischen Freiheit von historisch belegten Details abweichen, wenn die Romankonstruktion es erfordert?

  • @ Herr Palomar


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Diese Lücken zu finden und auf interessante Weise auszufüllen, machen einen Roman so spannend.


    :write


    das geht mir ganz genauso!
    Z.B. hier dieser Konflikt zwischen Banks und Hicks - bis heute gibt es keinen wirklichen beweisbaren Grund für ihre gegenseitige Abneigung, lediglich Vermutungen (und manche Spitzen, die Banks Hicks gegenüber im Roman austeilt, habe ich ihm in seinen eigenen Tagebuch-Worten in den Mund gelegt :grin) - aber Brittany passt genau in eben diese Lücke. :-]


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Aber würdest du, im Zweifelfalle, beim Schreiben aus Gründen der künstlerischen Freiheit von historisch belegten Details abweichen, wenn die Romankonstruktion es erfordert?


    Ganz klares Nein! Nie!!
    Da bin ich sehr streng. Mir ist klar, dass es eine feine Grauzone dabei gibt: Geschichte ist keine absolute Wissenschaft. Es kann Fehler in der Dokumentation oder Interpretation geben oder mir kann trotz aller Bemühungen ein Fehler unterlaufen.
    Aber letztendlich kann man historische Fakten nicht mehr ändern, die sind fix und für mich unverrückbar - aber eine Romanhandlung nicht. Ich habe in jedem Roman bisher an mindestens einer Stelle eine andere Abzweigung nehmen müssen, weil mir ein historischer (oder landeskundlicher o.ä.) Fakt im Weg herum stand. Dem Buch hat es nie geschadet - im Gegenteil, manchmal war der neue Verlauf besser und spannender als der im Entwurf. ;-)

  • Wow, so lange schon war das Projekt in Deinem Kopf...


    À propos Projekt. Im Herbst erscheint ja ein Jugendbuch von Dir (zu dem es ja auch eine Leserunde geben wird). Ist auch ein neuer historischer Roman für Erwachsene in Sicht? Ich gebe zu, die Frage ist nicht uneigennützig, ich habe ja Deine Bücher schon öfter verschenkt und Du hast da schon einige Anhänger gefunden, die auf Nachschub warten.

  • @ Pelican


    ja, ich bin selber oft verblüfft, wenn ich merke, wie weit die "Wurzeln" eines Stoffes bei mir selber zurück reichen... Die Grundidee zu "Das Haus der Spione" (oder kurz "Nicholas" ;-) ) habe ich auch sehr lange mit mir herumgetragen, bis ich den Roman endlich schreiben "durfte".


    Danke, dass Du meine Bücher verschenkst :knuddel1 - und es freut mich riesig zu hören, dass nach mehr verlangt wird! :-)
    Liebe Grüße an die entsprechenden Leser, bei Gelegenheit! :wave


    Für das Sommerprogramm 2008 von Lübbe ist der nächste Erwachsenen-Roman von mir geplant. Er wird "Unter dem Safranmond" heißen und dieses Mal geht es in den 1850ern von England in die britische Kronkolonie Aden und ins arabische Hinterland.
    Auch da freue ich mich, dass ich endlich, endlich über Sir Richard Francis Burton schreiben darf, was ich schon so lange wollte! :-] Er hat keine Hauptrolle, aber immerhin eine sehr wichtige... ;-)

  • Zitat

    Original von Nicole
    und es freut mich riesig zu hören, dass nach mehr verlangt wird! :-)


    Deine Bücher haben schon einen richtigen Erfolgsgarantiefaktor - und zwar in allen Altersklassen.


    Kollegen, die wissen, daß ich viel lese, fragen mich ja auch gelegentlich nach Geschenkideen und haben mit Deinen Büchern die gleiche Erfahrung gemacht.


    Zitat

    Für das Sommerprogramm 2008 von Lübbe ist der nächste Erwachsenen-Roman von mir geplant. Er wird "Unter dem Safranmond" heißen und dieses Mal geht es in den 1850ern von England in die britische Kronkolonie Aden und ins arabische Hinterland.
    Auch da freue ich mich, dass ich endlich, endlich über Sir Richard Francis Burton schreiben darf, was ich schon so lange wollte! :-]


    Das klingt ja schon sehr gut! Und ich fürchte, diesmal muß ich mich erst mal selber beschenken... :grin

  • auf vielfachen Wunsch hin... :wave


    Verzeichnis der Haupt- und Nebenfiguren des Romans


    Aus dem Prolog
    An Bord der „Seagull“:
    Captain Howard James Addison
    Brittany Anne Addison, seine Tochter; tahitischer Name : Tiare’ita
    Lieutenant Harold Johnson, erster Offizier an Bord


    Zuhause in Greenhill / England
    Patricia „Patty“ Burton, Captain Addisons verwitwete Schwester, Brittanys Tante
    In memoriam Anne Marie Addison, geb. de Briand (1727-1752), Brittanys Mutter


    Auf Tahiti
    Ratanea, Heilerin, Brittanys Ziehmutter
    Purea, Stammesfürstin
    Tupia, Priester, geht mit an Bord der „Endeavour“
    Taiata, sein Diener, folgt seinem Herrn an Bord des Schiffes


    An Bord der „Endeavour“
    (der Übersichtlichkeit halber in alphabetischer Reihenfolge)


    Besatzung
    John Bootie - Midshipman
    Charles „Charlie“ Clerke - Midshipman
    Lieutenant James Cook - Captain des Schiffs auf dieser Reise
    Thomas Dunster - Marinesoldat
    John Edgcumbe - Sergeant der Marinesoldaten an Bord
    John Gathrey - Bootsmann
    Samuel Gibson - Marinesoldat
    Lieutenant John Gore - Zweiter Offizier an Bord
    William Harvey - Steward
    Lieutenant Zachary Hicks - Erster Offizier an Bord
    William Howson - Steward
    Benjamin Jordan - Vollmatrose
    James Maria Magra - Vollmatrose
    Robert Molyneux - Maat
    Jonathan Monkhouse - Midshipman
    William Brougham Monkhouse - sein älterer Bruder, Schiffsarzt
    Nathaniel Morey - Steward
    Richard Orton - Cooks Sekretär
    William Perry - Assistent von Schiffsarzt Monkhouse
    Richard „Dick“ Pickersgill - eigentlich Kapitänsmaat, fährt aber im Rang eines Midshipmans
    Daniel Preston - Marinesoldat
    Thomas Rossiter - Trommler der Marinesoldaten
    John Satterley - Schiffszimmermann
    Patrick „Paddy“ Saunders - Midshipman
    Alexander Simpson - Vollmatrose
    Isaac Smith - Cousin Elizabeth Cooks, Vollmatrose
    John Thompson - Schiffskoch
    John Truslove - Marinekorporal
    Clement Webb - Marinesoldat
    Francis Wilkinson - Bootsmannsmaat
    Archibald Wolfe - Vollmatrose
    John Woodworth - Vollmatrose
    Nicholas Young - Schiffsjunge, genannt „Young Nick“


    Zivile Passagiere
    Joseph Banks, Gentleman von Beruf und Naturkundler aus Leidenschaft
    John Reynolds, sein Diener
    James Roberts, ebenfalls Banks’ Diener
    Peter Briscoe, ebenfalls Banks’ Diener
    Herman Spöring, Assistent Banks’
    Daniel Carl Solander, Botaniker
    Charles Green, Astronom
    Sydney Parkinson, Künstler, soll naturkundliche Zeichnungen anfertigen


    In Batavia
    Petrus Albertus van der Parra, holländischer Generalgouverneur
    Adriana van der Parra, seine Frau
    Jan Alting, reicher Schnösel auf der Suche nach einer Frau
    Dr. Jäggi, Schweizer Arzt


    Am Kap und dahinter
    Ryck Tulback, holländischer Gouverneur von Cape Town
    Mevrouw Janssen, Pensionswirtin
    Captain Elliot, H.M.S. "Portland", deren Weg sich mit dem der heimkehrenden "Endeavour" kreuzt
    Offizier Hanson, "Portland"

  • Liebe Nicole! :wave
    Geschafft, ich bin an Bord..... !:lache


    Als erstes interessiert mich gleich mal, ob du auch selbst segelst? Auf hoher See? Am Bodensee?
    Deine Beschreibungen sind so schön, dass ich fast darauf wetten könnte...., du bist ein alter Seebär. :knuddel1


    Interessant fand ich auch, dass der Captain ein für die damalige Zeit sehr hohes Alter erreicht hat.

  • Liebe Vollmatrosin Eli :grin,


    nein, ich habe leider keinen Segelschein, bin aber selber furchtbar gerne am / im / auf dem Wasser, am liebsten natürlich am Meer. Aber See und Seerhein hier sind schon ein guter Ersatz! :lache Von dem her war es natürlich schön, dass ich meine Leidenschaft für das Meer mit in den Roman einfließen lassen konnte. :-]


    Zitat

    Original von Eli
    Interessant fand ich auch, dass der Captain ein für die damalige Zeit sehr hohes Alter erreicht hat.


    Du meinst Brittanys Vater, Captain Addison, richtig? :-)
    Ich habe im Vorfeld nachgeschaut, wie alt Seeleute damals üblicherweise wurden. Entweder starben sie sehr jung oder wurden steinalt, dazwischen gab es irgendwie recht wenig. Brittanys Vater sollte ja ein erfahrener, "mit allen Wassern gewaschener" Captain sein. Einen, den man gut mit einer solchen heiklen Mission (die im übrigen nicht allein meiner Fantasie entsprungen ist - solche Fahrten gab es tatsächlich, und auch viele Schiffe, die dabei untergegangen sind) betrauen konnte. Ein Captain, bei dem es doppelt tragisch sein würde, wenn er nicht durch eigenes Verschulden und Unachtsamkeit, sonden durch höhere Gewalt sein Leben auf See lässt. Die meisten in der höheren Marine-Laufbahn haben außerdem (wie im Militär auch) meist recht spät geheiratet, allein aus finanziellen wie zeitlichen Gründen.
    Aufgrund dieser Fakten und Überlegungen habe ich dann Captain Addisons fiktive Biografie entwickelt. :-)

  • :wave Nicole!
    Die Leidenschaft für das Meer spürt man sofort. :-]


    Zitat

    Original von Nicole
    Ich habe im Vorfeld nachgeschaut, wie alt Seeleute damals üblicherweise wurden. Entweder starben sie sehr jung oder wurden steinalt, dazwischen gab es irgendwie recht wenig.


    Aber wie erklärst du dir dieses Extrem?