Kenzaburo Oe - Eine persönliche Erfahrung

  • Während seine Frau in den Wehen liegt, irrt Bird, ein junger Mann Mitte 20, durch die Stadt. Er kämpft mit der Befürchtung, dass mit der Geburt eines Kindes seine Jugend nun endgültig vorbei ist und sein Traum, nach Afrika zu reisen, in unerreichbare Ferne rückt. Der Griff zur Whiskeyflasche erscheint ihm sehr verlockend, doch er hatte dem Alkohol abgeschworen.


    Seine Befürchtungen verhärten sich, als er erfährt, dass sein Sohn mit einer schweren Missbildung des Gehirnes geboren wurde. Unfähig, sich mit diesem Schicksal auseinanderzusetzen, völlig überfordert und erfüllt von Gefühlen der Scham, beginnt für Bird eine Flucht vor den Tatsachen. Er gibt sich dem Alkohol hin, beginnt eine heiße Affäre mit einer früheren Freundin und wartet auf den Anruf des Krankenhauses, das ihm den Tod des Kindes mitteilt und ihn so aus diesem Alptraum befreien soll.


    Beeindruckend wird die Entwicklung des anfangs unreifen, völlig überforderten Bird geschildert. Seine Gedankengänge werden schonungslos, fernab von moralischen und ethischen Grundsätzen, aber dennoch sehr nachvollziehbar, dargelegt. Unfähig, Verantwortung zu übernehmen, unterstützt von den unglaublichen Aussagen der Ärzte, die das Baby als „Ding“ bezeichnen und sich schon auf die Autopsie freuen, versucht Bird zu entfliehen. Der Leser begleitet ihn auf diesem Ego-Trip, denn er sieht nur sein Leben betroffen, sieht seine Zukunft in Scherben. Er verliert kaum einen Gedanken daran, wie es seiner Frau geht und schon gar nicht, dass vielleicht der arme Wurm seine Unterstützung braucht.


    Ich möchte das Verhalten des Bird nicht werten, es fällt mir aber schwer, Verständnis für ihn aufzubringen, da Menschen, die sich vor Verantwortung drücken, den Egoismus nicht zurückstellen können und jeder Schwierigkeit aus dem Weg gehen, nicht meine Sache sind. Es ist aber eine Sache, eine solche Situation als Außenstehender zu betrachten und eine andere, selbst betroffen zu sein. Es ist mir aber bewusst dass es keine Selbstverständlichkeit ist, gesunde Kinder zu haben.


    Oe beschreibt dieses Buch als autobiografisch, er erzählt schonungslos und bricht mit Tabus, ich finde dieses Buch mutig und ehrlich.


    Ein sehr interessantes Interview mit Kenzaburo Oe über dieses Buch und über seinen Sohn gibt es hier

  • Hey, danke für die Rezi, Jersey :anbet
    Ich bin gerade am Reinlesen und es fällt mir wirklich sehr schwer, dieses Buch wieder aus der Hand zu legen. Ist jedenfalls genau das, was mich wirklich immer wieder aufs Neue fasziniert: Grenzerfahrungen und menschliche Schicksale und wie Menschen darauf reagieren. Für mich hat diese Form von Kunst wirklich etwas magisches