Der "Onkel", wie er genannt wird und dessen richtigen Namen der Leser
nicht erfährt, ist um die vierzig, Akademiker, Alkoholiker, promisk,
meistens arbeitslos, in oder auf der Suche nach einem Job, der ihm keinen
Ehrgeiz abverlangt. Er ist Bestandteil einer amorphen Familie, für die er
das "schwarze Schaf" repräsentiert, gelegentlich führt er eine neue
Eroberung vor, wohnt auch für ein paar Wochen wieder bei der Mama, um sich
im Anschluß in die nächste Amoure zu stürzen und nächtelang
hektoliterweise zu saufen. In Rückblenden und Gegenwartsepisoden erzählt
der "Onkel" von sich selbst, kommentiert und erläutert, schwadroniert und
philosophiert.
Mérots Buch ist in Frankreich umjubelt, gefeiert, gelobt und geächtet
worden - und natürlich war der Houellebeqc-Vergleich schnell bei der Hand.
Vergleiche sind so eine Sache. Während Houellebeqc die Schärfe seiner
beurteilenden Betrachtungen aus hoher Eloquenz, gnadenlosem Umgang mit den
eigenen Figuren und halbwissenschaftlichem Beiwerk komponiert, läßt Mérot
einzig seinen Protagonisten - aus dessen Sicht, manchmal aber auch ganz
allgemein dozierend - ein zynisches, asoziales, herablassendes Weltbild
formulieren. In sehr unliterarischer, halbessayistischer, oft sehr
einfacher Sprache, durchmischt mit Aphorismen und erschreckend gemeinten
Feststellungen diagnostiziert der Onkel, wie die Welt ist, insbesondere
das als sinngebend verstandene Gefüge der Familie, jener Säugetiere, die
nun einmal andere zeugen - und damit konkrete Erwartungen verbinden. Der
"Onkel" ist es, der das Gefüge mißachtet und alle Erwartungen mißerfüllt.
Er soll als derjenige verstanden werden, der die großen Lügen hinter
diesen, eigentlich *allen* sozialen Gebäuden offenbart.
Beim Lesen fragt man sich gehäuft: Warum? Was soll das? Ist es als
Haßtirade gemeint, als Bestandsaufnahme, was soll dieses aufgesetzt-
entlarvende Geschwafel über Liebe, Ehrgeiz, Bindung und Strukturen?
Ob Mérot über Kneipen schwätzt oder über Schulen, es nimmt sich
nichts; die vermeintlichen Bindungen werden als nichtexistent
ermittelt, die Menschen allgemein als Lügner, mindestens
Selbstbetrüger, der Weg des Onkels, die Verweigerung auf
niedrigstmöglichem Niveau, als der Weg aus der Misere verkauft. Das
hätte ja noch lustig sein können, intelligent, ironisch, sarkastisch,
*irgendwie* humorvoll, aber es ist leider extrem langweilig, emotionslos,
bar jeder Empathie, eine Haudrauftbeschimpfung ohne Anfang und Ende,
zuweilen sehr mäßig erzählt.