Kaitlyn von Kevin Lewis

  • Kurzbeschreibung:
    Mitten in der Nacht rast ein Krankenwagen durch London. In letzter Minute wird das Leben des zweijährigen Christopher gerettet, den der Freund seiner Mutter brutal misshandelt und schwer verletzt hat. Der Täter kommt ins Gefängnis, aber der kleine Junge kehrt nie wieder nach Hause zurück. Seine drogensüchtige Mutter und ihre Tochter Kaitlyn bleiben allein. Kaitlyn glaubt, dass alles ihre Schuld ist. Sie will ihrer Mutter helfen, und sie will weg aus der Sozialwohnung in einem von Londons übelsten Vierteln. Vor allem will sie wieder mit ihrem kleinen Bruder zusammen sein. Aber als sie sich wiedersehen, sind dreißig Jahre vergangen, und Kaitlyn ist nicht mehr dieselbe.


    Über den Autor:
    Kevin Lewis wurde 1970 in Südost-London geboren. Seine Kindheit war von unvorstellbaren Grausamkeiten geprägt. Oft musste er tagelang eingesperrt in einem kahlen Raum sitzen. Hier erfand er Geschichten, die er mangels Papier an die Wand kritzelte. Außer ihm selbst konnte das niemand lesen. Mit acht Jahren kommt er zum ersten Mal in ein Heim, mit dreizehn zu einer Pflegefamilie. Mit siebzehn schafft er den Schulabschluss. Aus Angst vor der eigenen Vergangenheit schrieb er die autobiographischen Erfahrungsberichte "The Kid" (2003) und The Kid Moves on (2005), die ihn auf Anhieb berühmt machten. Er lebt heute mit seiner Frau Jacki und zwei Kindern (einem Sohn und einer Tochter) in Surrey. Kaitlyn ist sein erster Roman.


    Meine Meinung:
    Ein paar Mal lief ich an dem Buch vorbei, hatte es in der Hand, legte es wieder weg, nahm es wieder in die Hand und schließlich schaffte es den Weg in meinen SuB. Es lag bei den Thriller, als diesen würde ich dieses Buch aber nicht einstufen, deshalb schreibe ich die Rezension auch in Belletristik. (Sollte es hier falsch sein, bitte verschieben!) Beschrieben werden die Aufs und Abs von Kaitlyn, die sich ein Leben lang Vorwürfe macht, ihrem Bruder nicht geholfen zu haben, als dieser im zarten Alter von 18 Monaten vom Vater misshandelt wurde und fast gestorben wäre. Dieser kommt dann in eine Pflegefamilie und damit nimmt das Elend seinen Lauf, der Abstieg der Familie beginnt.


    Sehr gut nachvollziehbar war, was der Autor geschrieben hat. Falsche Gegend, falsche Leute und schon ist Kaitlyn in kriminelle Geschichten verstrickt. Trotzdem finde ich, dass die Geschichte nur so dahinplätschert. Die Spannung kommt ein wenig kurz, auch wenn das Buch viele soziale Probleme behandelt. Es ist gut zu lesen, aber auch sehr schnelllebig.

  • Originaltitel: Kaitlyn (2006)
    Dtv, 2008, 430 S.


    Meine Meinung:
    Im Frühjahr 1976 lebt die sechsjährige Kaitlyn mit ihrer Mutter Angela, ihrem 18 Monate alten Bruder Christopher und Steve, dem Freund ihrer Mutter zusammen in der Roxford-Siedlung, einer der verwahrlosten Gegenden Londons. Hilflos muß sie mit ansehen, wie Steve Christopher brutal verprügelt und der nach dem Krankenhausaufenthalt nicht in die Familie zurückkehrt, sondern vom Jugendamt zur Adoption freigegeben wird. Steve kommt ins Gefängnis, die alkohol- und drogenabhängige Angela ist nicht in der Lage, sich um Kaitlyn zu kümmern.
    Kaitlyn versucht alles, um mit ihrer Mutter diesem üblen Viertel zu entkommen und ihren Bruder wiederzufinden. Als die Geschwister nach dreißig Jahren schließlich wieder aufeinander treffen, könnten ihre Lebenswege unterschiedlicher nicht sein.


    Der Verlag bezeichnet dieses Buch als Thriller, dem würde ich aber nicht zustimmen. Es ist ein Roman, eine Milieustudie über diejenigen, denen das Schicksal von vornherein keine Chance zubilligt.
    Eindrucksvoll führt uns der Autor vor Augen, was es heißt, in Armut ohne jegliche Perspektive aufzuwachsen. In einfacher Sprache mit emotionslosen Worten beschreibt Lewis den verhängnisvollen Lebensweg von Kaitlyn, die schon in ihren jungen Jahren vor allem Gewalt, Alkoholismus und Drogenabhängigkeit kennen gelernt hat. Als sie ihr Leben schließlich selbst in die Hand nimmt, ist der direkte Weg in eine kriminelle Laufbahn bereits vorgegeben.
    Christopher wird von einem Architektenehepaar adoptiert und entwickelt sich zu einem hochintelligenten, schwierigen Jungen. Man darf sich fragen, was ihn stärker prägt, die Herkunft oder das Umfeld, in dem er aufwächst.
    Lewis behandelt seine Personen alle gleich, so kam auch bei mir keine Sympathie auf für eine von ihnen. Er gewährt uns einen interessanten Einblick in einen Lebensraum, den man ganz sicher niemals betreten möchte.


    Ach ja: Das Cover könnte eher auf ein Jugendbuch passen. Was hat sich der Verlag denn dabei gedacht?

  • „Kaitlyn“ ist eigentlich kein Thriller, auch wenn das auf dem Cover draufsteht. Es ist auch um Himmels willen kein Jugendbuch, auch wenn das Cover das fälschlicherweise irgendwie suggeriert.


    Es ist die Geschichte einer völlig kaputten Familie, die in Roxford, Londons schlimmstem Problemviertel, lebt. Steve, der Vater, säuft und wird immer gewalttätiger gegenüber Angela, seiner Partnerin und den Kindern Kaitlyn und Christopher. Als er eines Tages im Suff seinen kleinen, 20-monatigen Sohn fast erschlägt, kommt er in den Knast.


    Aufgrund der desolaten Familiensituation wird Christopher seiner Mutter weggenommen und kommt als Adoptivkind zu den Tobins, einer gutbürgerlichen Familie, die keine eigenen Kinder haben können.


    Angela, die Mutter, zerbricht daran und sackt endgültig ab. Sie wird drogensüchtig und muß irgendwann auf den Strich gehen, um ihre Sucht zu finanzieren. Kaitlyn darf nach langem Überlegen der Fürsorge bei der Mutter bleiben (und hier habe ich mich später immer wieder gefragt, was alles aus Kaitlyn hätte werden können, hätte man sie ebenfalls hier rausgeholt!) und schlägt sich mit kleineren Dealereien und als Drogenkurier durch.


    Das kleine Mädchen freundet sich mit anderen Kids aus ebensolchen Problemfamilien an und bildet seine eigene, kleine Gang. Man schlägt sich so durch – aber man kann bereits jetzt schon absehen, dass das alles kein gutes Ende nehmen wird.


    Kaitlyn, so scheint es immer wieder durch, scheint trotz allem ein sehr intelligenter Mensch zu sein (ihre Pläne und Ideen und ihr Tun machten zumindest oft auf mich den Eindruck), doch ihr Leben ist geprägt von vielen Verlusten und von der schwierigen Umgebung, aus der auszubrechen einem kaum gelingt.


    Das Buch hat eine immense Sogwirkung. Man will das alles eigentlich gar nicht lesen, das Buch ist von der ersten bis zur letzten Seite das Gegenteil von „Heile Welt“ – und man muß es doch lesen. Das Buch schont seine Leser nicht. Weder zu Beginn mit Christopher, noch später z.B. die Szenen mit Kaitlyns Freundin Louisa. Der Autor hält drauf, bis es wehtut.


    Es gibt einige Szenen (z.B. als Kaitlyn den Entzug ihrer Mutter durchzieht), da hat man für ein paar Seiten die Hoffnung, es könnte doch alles noch gut werden – aber ein Happy End in Roxford? Das kann es einfach nicht geben.


    Parallel zu Kaitlyns Geschichte erleben wir aber auch mit, wie Christopher behütet bei den Tobins aufwächst. Ein hochintelligentes, aber problembehaftetes Kind, das immer wieder durch Neigung zu Gewalt auffällt. Woran kann das liegen? Ist es Veranlagung oder haben die Tobins etwas falsch gemacht? Doch Christopher macht nach einigen Schwierigkeiten seinen Weg.


    Und eines Tages kommt es zu einem Zusammentreffen mit Kaitlyn...


    Das müsst ihr aber schon selbst nachlesen.


    Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es ist hart. Schockierend. Berührend. Die Sprache direkt und schonungslos. Es kam mir stellenweise ein wenig so vor wie „Christiane F. 2008“, obwohl der Vergleich eigentlich hinkt, denn auf Kaitlyn selbst passt er ja nicht.


    Der Autor hat selbst ganz üble Kindheit durchmachen müssen – ich kann mir gut vorstellen, dass er mit seinen Büchern das eine oder andere daraus aufarbeitet. Man wünscht jedenfalls keinem so ein Leben wie es in diesem Buch in Roxford beschrieben wird.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Wie schon von den anderen Eulen bemerkt, ist Kaitlyn kein typischer Thriller. Der von Jane angeführte Begriff Milieustudie trifft es besser.
    Alles in allem habe ich das Buch gerne gelesen, Kritikpunkte waren für mich allerdings die m.M.n. etwas platte Sprache & der teils vorhersehbare, klischeehafte Handlungsverlauf:



    Was mich dann wieder etwas versöhnt hat, ist der Schluss des Buches. Hier wurden meine Erwartungen hinsichtlich eines Happy-Ends glücklicherweise nicht bestätigt.