Frisch - Mark McNay

  • OT: Fresh


    Kurzbeschreibung:


    Zwei Brüder, Archie und Sean - und Maggie, Seans Frau. Royston, ein Stadtteil von Glasgow, ein so genannter sozialer Brennpunkt. Eine Hühnerverarbeitungsfabrik, in der Sean sein Auskommen hat, durch harte, ehrliche Arbeit. Archie hingegen, der Ältere, ist schon früh auf die schiefe Bahn gedriftet. Sean hasst den Bruder für seine Grobheit, die Unverfrorenheit, mit der der sich nimmt, was er haben will, aber dass Archie sich schon als Kind in der Schule für ihn geprügelt hat, damals, als sie gerade ihre Mutter verloren hatten, das vergisst er ihm nie. Und als er sich von den tausend Pfund, die Archie bei ihm »hinterlegt« hat, siebenhundert »ausleiht«, damit die Tochter ins Schullandheim fahren kann und Sean selbst vielleicht beim Pferderennen gewinnt, da ahnt er nicht, dass diese kleine Verfehlung sein Leben für immer verändern wird …


    Über den Autor:


    Mark McNay, 1965 in Glasgow geboren und aufgewachsen in einem ehemaligen Bergarbeiterdorf in Schottland. Nach einer abgebrochenen Ausbildung zum Elektroingenieur, hatte McNay für die nächsten fünfzehn Jahre die absonderlichsten Jobs, bevor er 1999 creative writing an der University of East Anglia belegte, was er 2003 mit Auszeichnung abschloß. Für ›Fresh‹, seinen ersten Roman, gewann er 2007 noch vor der Publikation den Arts Foundation Prize für New Fiction.


    Meine Meinung:


    Eigentlich ist die Geschichte ganz einfach: Zwei Brüder aus sozial benachteiligter Schicht versuchen, aus ihrem Leben etwas zu machen. Der ältere auf illegalem, der jüngere auf legalem Weg. Wir begleiten den jüngeren Bruder Sean einen Tag lang und erfahren an diesem Tag doch sein ganzes Leben. In Rückblicken lässt er uns an entscheidenden oder persönlich bedeutsamen Momenten teilhaben, die nicht nur zu seiner jetzigen Situation, sondern auch zu den Ereignissen geführt haben, die dieser Tag noch bereithält. Eigentlich ist auch die Sprache ganz einfach: Hier wird nicht viel drum herum geredet; direkt, hart, schmutzig – so ist das Leben und so sprechen die Menschen, hier in Royston, einem sozialen Brennpunkt von Glasgow.


    Und doch ist das Buch nicht einfach und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Rein formal verlangt es dem verwöhnten Leser einige Konzentration ab, denn die fehlenden Anführungszeichen und Apostrophs sorgen für allerlei Verwirrung, so dass oftmals nur unter Mühen erkannt werden kann, wer was wann sagt. Im Laufe der Geschichte gewöhnt man sich jedoch daran, wären da nicht die ständigen Zeitsprünge in die Vergangenheit, die nur dadurch zu erkennen sind, dass sie aus der Ich-Perspektive von Sean erzählt werden, während es in der Gegenwart ein auktorialer Erzähler ist. Doch Sean erinnert sich im Laufe der Geschichte nicht nur an Episoden aus seiner Vergangenheit, sondern verfängt sich des öfteren auch in Tagträumereien, die seinem eintönigen Leben ein wenig Farbe verleihen mögen, aber mich während des Lesens doch immer wieder irritierten.


    Dennoch schafft es McNay, die triste Atmosphäre heraufzubeschwören, die den öden Alltag eines Fabrikarbeiters, der davon träumt, weitab von den kriminellen Machenschaften seines Bruders, mit seiner kleinen Familie ein neues Leben zu beginnen, sehr gut und authentisch abbildet.


    Die Momente, in denen man mit Sean mitfühlt und tatsächlich an seinem Leben teilnimmt, sind vorhanden, aber mir persönlich nicht häufig genug. Es gibt eine unüberbrückbare Distanz, die ich einfach nicht überwinden konnte, wobei ich nicht sagen kann, ob der Autor das beabsichtigt hat oder nicht. Einige gute Ansatzpunkte, die es wert gewesen wären, ihnen zu folgen (z.B. die Geschichte der Eltern oder die Beziehung zwischen Sean und seinem früheren besten Freund), wurden nur am Rande gestreift.


    Eine Geschichte mit Potential, das meiner Meinung nach jedoch nicht voll ausgeschöpft wurde. Von mir 6 Punkte.

  • Sean arbeitet in einer Glasgower Lebensmittelfabrik, in der Hühnchen verarbeitet werden. Sein Lohn reicht kaum aus, um die kleine Familie zu ernähren oder gar die Sonderwünsche der pubertierenden Tochter Donna zu befriedigen. Aber der Bruder, Archie, der noch bis zum Jahresende im Knast sitzen soll, hat Sean tausend Pfund aus Drogengeschäften anvertraut, wovon der sich siebenhundert "ausgeliehen" hat, um sich und den seinen ein bisschen was zu gönnen. Archie wird allerdings vorzeitig entlassen, und obwohl es Sean gelingt, den fehlenden Betrag mit Hängen und Würgen aufzutreiben, endet der Tag, von dem das Buch erzählt, in einer vorhersehbaren Katastrophe.
    Sean, der bei den Rückblenden als Ich-Erzähler auftritt, ist ein etwas verträumter, leicht manipulierbarer Gutmensch, wohingegen Archie, der große Bruder, ein gewalttätiger und skrupelloser Verbrecher ist, der das Leben des anderen nachhaltig beeinflusst, ihn ständig unter Druck setzt und sogar dessen Frau Maggie bedroht. Angesiedelt im nordbritischen Arbeitermilieu zwischen Pubs, Second-Hand-Märkten und illegalen Pokerrunden, erzählt "Frisch" in einfacher, manchmal leider nicht zwingender, aber nachvollziehbarer Weise vom Brüderkonflikt, von Drogen, Alkohol, ekligen Details aus der Hühnerverarbeitung und dem Traum vom besseren Leben. Die im Klappentext avisierten brüllkomischen Szenen sucht man allerdings vergeblich. Ein kurzer, böser, nachdenklich stimmender Roman, der im Abgang aber etwas zu kühl und klinisch wirkt.

  • Dieses Buch habe ich vor einigen Monaten zum Spottpreis in einem Wühltisch gefunden und aufgrund des Textes auf der Buchrückseite gekauft. Ich fand es allerdings weder "zum Umfallen komisch" noch "brillant", wie da so vollmundig versichert wurde. Für mich ist "Frisch" ein düsterer, bedrückender Roman, mit dessen Schreibweise ich vor allem anfangs erhebliche Probleme hatte (man weiß in der direkten Rede bei längeren Dialoge nicht immer genau, wer jetzt eigentlich spricht). Daran habe ich mich allerdings recht schnell gewöhnt und die Rückblenden in die Vergangenheit ganz gut und interessant gefunden. Die Gegenwartspassagen in der Hühnerfabrik allerdings fand ich auf Dauer etwas nervig, vor allem die Träumereien von Sean, während er seiner monotonen Arbeit nachgeht. Nach Schichtende nimmt das Buch an Fahrt auf und endet in einer Tragödie, die einen drastischen Schlußpunkt setzt unter ein für mich allenfalls durchschnittliches Buch.