'Allerseelen' - Teil 1

  • Ich bin noch nicht mal auf Seite 20 angelangt, aber was solls


    Schon auf den ersten drei, vier Seiten hat mich Nooteboom in eine ganz eigenartige Stimmung versetzt. Ich fühle mich wie in einem Sog der mich von einem Gedanken, einer Erinnerung Arthur Daanes zur nächsten weiterzieht.


    Dies ist wohl eines der Bücher, die man oder vielleicht auch nur ich :gruebel, zweimal lesen muss, um alles zu erfassen.


    Einen Satz zum Notieren habe ich auch schon gefunden: "Ich sehe einfach nicht aus, wie ich denke, dass ich bin".

  • Ich hab den ersten Teil schon ganz gelesen und bin ehrlich gesagt noch unentschlossen, was ich von der Geschichte halten soll.


    Merkwürdig fand ich besonders den Einschnitt auf S.56/57, wo plötzlich der allwissende Erzähler auftaucht und den Leser direkt anspricht. Da weiß ich noch nicht genau, was das soll. Laut Erzähler sollen solche Einschnitte ja noch öfter vorkommen. Vielleicht erschliesst sich mir ja dann der Sinn.


    Ansonsten finde ich, dass der Schreibstil sehr plastisch ist. Der Schneesturm und die Gemälde von Caspar David Friedrich - das alles kann man sich gut vorstellen. (Auch wenn ich die Bilder von Friedrich nicht besonders mag)


    Arthur scheint auf der Suche nach sich selbst zu sein (dazu passt auch das Zitat von Salome :wave), was auch verständlich ist, nachdem seine Frau und Sohn bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen sind.
    Seinen Freund Victor kann ich noch nicht ganz einschätzen.

  • Ich habe heute die ersten 56 Seiten geschafft.


    Ich hatte das Buch vor einiger Zeit schon einmal angefangen und es dann aber beiseite gelegt.
    Jetzt bin ich wirklich überrascht, daß es mich beim 2. mal viel mehr beeindruckt!


    Von einer Handlung kann man ja eigentlich noch nicht sprechen, da Arthur Daane scheinbar ziellos durch Berlin spaziert und dabei seinen Gedanken und Erinnerungen nachhängt.
    Allerdings haben es die Gedanken in sich!
    Fast bei jedem Satz fange ich an diese aufgegriffenen Gedanken weiterzuspinnen.


    Außerdem gibt es viele Dinge, die ich nachschlagen muß, um die Gedankengänge des Protagonisten (Autors) nachvollziehen zu können.
    So sind mir z. B. die Bilder Caspar David Friedrichs kein Begriff. Auch weiß ich nicht, wer Walter Benjamin ist.
    Nietzsches Story mit dem Pferd ist mir zwar bekannt, aber mit Wilhelm Meister widerum kann ich nichts anfangen.


    Das alles ist zwar dem Lesefluß sehr hinderlich, aber es macht Spaß sich mit den Hintergründen zu beschäftigen.


    Und zu guter letzt habe ich festgestellt, daß man Homer wohl nicht einfach ignorieren kann, sondern zum Verständnis vieler anderer Bücher endlich mal lesen sollte.


    Morgen früh werde ich also mal ein paar Sachen nachlesen und mich dann hier noch mal zu Wort melden.


    Wünsche euch allen frohe Ostern!
    :wave Charlotte

  • Zitat

    Original von Charlotte
    Außerdem gibt es viele Dinge, die ich nachschlagen muß, um die Gedankengänge des Protagonisten (Autors) nachvollziehen zu können.
    So sind mir z. B. die Bilder Caspar David Friedrichs kein Begriff. Auch weiß ich nicht, wer Walter Benjamin ist.
    Nietzsches Story mit dem Pferd ist mir zwar bekannt, aber mit Wilhelm Meister widerum kann ich nichts anfangen.


    Mich stört es im Lesefluss, wenn ich mittendrin aufsteh und alles nachgoogle. Aber das hole ich jetzt mal nach, denn Walter Benjamin kenne ich auch nicht. Auch über Nietzsche werde ich mich mal informieren.
    Caspar David Friedrich kenne ich, weil einige seiner Werke in der Hamburger Kunsthalle hängen und ich schonmal dort war. Aber seine Bilder mag ich nicht besonders.

  • Gestern Abend mit dem Roman begonnen und gleich nach den ersten Seiten gedacht: wieder so ein niederländischer intellektueller Roman wie man ihn von Frau Palmen und t'Haart kennt (und wie sie mich nicht fesseln konnten). Auf den ersten Seiten wird Langeweile stilvoll celebriert.
    Und dann die Diskussion über die liberalen Niederländer, die Verkehrsvorschriften grundsätzlich überschreiten und die ordnungsliebenden Deutschen, die an jeder Ampel Halt machen. Diese Diskussion fand eher künstlich denn kunstvoll statt.
    Mal sehen wie es weitergeht und ob der Roman noch eine Botschaft vermitteln will.

  • Hab gestern die ersten Seiten gelesen, war mir dann aber doch zu anstrengend und ich hab es immer noch mit Gantenbein in eine Topf geworfen, daher starte ich heute dann einen neuen Versuch.

  • Nach einer Woche Ferien habe ich endlich den Fuß ins Buch gesetzt und bin schon recht weit gekommen, was bei soviel intellektuellem Irgendwas schon ein kleines Wunder ist. Wie Salonlöwin stehe ich dieser Art von Buch eigentlich recht kritisch gegenüber. Aber nach ein paar Startschwierigkeiten habe ich doch hin und wieder überraschend zauberhafte (blödes Wort) Sätze gefunden, die mich bei Laune halten und den Geist beschäftigen.


    Erna als Person gefällt mir recht gut: eine direkte und kernige Dame, die einen angenehmen Gegenpol zu den intellektuellen Herren bildet. Ihre Inhalte sind mit einem Satz erfassbar und praktisch. Nah am realen Leben.


    Der Erzähler selbst ist mir noch nicht nahe gekommen. Ich mag seine Art des Filmens und sein Augenmerk auf Dinge, kleine, alltägliche oder ungewöhnliche Dinge, die Andere gern übersehen. Andererseits kann ich mich nicht in sein Leiden (in Bezug auf den Verlust der Familie) hineinfühlen, da er kühl wirkt, aber vielleicht ist genau dies sein Schutz.


    Die Stelle mit den Unfällen und der Heilsarmistin fand ich recht eindrücklich. Ich bewundere Menschen, die solche Art Hilfsdienst auf sich nehmen.

  • Ich habe einige Stellen gefunden, über die man doch bei Gelegenheit mal nachdenken kann. Ich finde die Thesen teilweise recht ungewöhnlich und wundere mich, worüber ein Mensch so sinnieren kann.


    - Das mundgerechteste Minimalwissen ist für manche Menschen noch zu viel, bzw. die kleinste Welt ist manchen noch zu groß. (S. 26)
    - Obdachlose und Penner (...) wirken wie aus der Urzeit gekommen, um die Menschen an etwas zu erinnern. (S. 31)
    - Kleider, die nicht aussterben können, aber die Bewegungen, bzw. Gangart der Frauen ändern sich über die Zeiten. (S. 55)
    - Es gibt Schuld, aber nicht bei jenen, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen. (S.61)


    Am interessantesten fand ich bisher folgende Stellen, die sich auf den Tod von Arthurs Familie beziehen oder besser, an denen er immer wieder von der Erinnerung heimgesucht wird. Er kann nicht entkommen und vergessen.


    - Arthur soll seinem Jungen den Namen nicht nehmen. (S. 28)
    - Tote vergehen nicht und bleiben immer gleich. Das einzige was vergeht ist die Möglickeit an sie zu denken wie an Lebende. (S. 40)
    - Tote, bzw. die Gedanken an sie geben einen Augenblicke zurück, in denen sie einen Moment lang existieren und man sie fast berühren kann, doch der folgende Augenblick schafft "es nicht mehr durch die Zeitmauer." (S. 41)
    - Es gibt keinen Schutz vor den Toten, und wenn sie noch so klein sind. (S. 62)


    Ich lese im übrigen folgende Ausgabe, die Seitenangaben können also abweichen.

  • So hatte nun auch endlich Zeit und Ruhe, um zu lesen und bin begeistert, bn jetzt mit diesem Teil fast fertig und finde die Erzählweise grandios.
    Selten habe ich mich so mit einer Buchfigur und ihren Gedanken verbunden gefühlt, wiehier mit Daane.
    Den Satz den Salome eingangs zitiert hat, fand auch ich toll, überhaupt wimmelt dieses Buch von solchen Sätzen.


    Schön, ich hoffe das bleibt so, endlich wieder ein SZ-Buch zum genießen!

  • Zitat

    Original von Babyjane
    So hatte nun auch endlich Zeit und Ruhe, um zu lesen und bin begeistert, bn jetzt mit diesem Teil fast fertig und finde die Erzählweise grandios.
    Selten habe ich mich so mit einer Buchfigur und ihren Gedanken verbunden gefühlt, wiehier mit Daane.
    Den Satz den Salome eingangs zitiert hat, fand auch ich toll, überhaupt wimmelt dieses Buch von solchen Sätzen.


    Schön, ich hoffe das bleibt so, endlich wieder ein SZ-Buch zum genießen!


    :write :write :write

    :lesendCharlotte Roth - Grandhotel Odessa


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)