Das Heiligenspiel von Ursula Niehaus

  • Da mir das Buch "Die Seidenweberin" der Autorin sehr gut gefallen hat, war "Das Heiligenspiel" sozusagen Pflichtlektüre.


    Vielleicht liest das Buch ja im Moment noch jemand und hat Lust sich ein bißchen darüber auszutauschen??


    Ich bin jetzt etwa bei der Hälfte und bis jetzt fesselt mich das Buch garnicht. Irgendwie läuft alles so glatt und problemlos und all die Themen, die ein bißchen Spannung versprechen, werden garnicht ausführlich beschrieben. Egal ob zu Beginn die Aufnahme in Odas Hütte oder später das Zusammenziehen mit Mutter und Schwester oder der Beichtvater, der weiß, das Anna keine Hungerheilige ist. Das wird alles nur kurz erwähnt und fertig. Und der Rest plätschert so vor sich hin...



    Kurzbeschreibung
    Augsburg im ausgehenden Mittelalter: Die junge Anna entspricht nicht gerade dem Schönheitsideal ihrer Zeit, aber mit Klugheit und Witz schlägt sie sich tapfer durchs Leben. Als sie das Opfer einer Intrige wird, wird sie aus ihrer geliebten Heimatstadt verjagt ...
    Bei Oda, einem alten Kräuterweib, das mitten im Wald lebt, findet sie Aufnahme und lernt bei ihr alles über die heilende Kraft der Natur. Nur Oda ist es zu verdanken, dass Anna schließlich nach Augsburg zurückkehren darf. Doch bald droht neues Unheil, denn durch einen unglücklichen Zufall kommt das Gerücht auf, Anna sei eine Hungerheilige und ernähre sich allein von der geweihten Hostie. Mehrfach versucht Anna den Irrtum richtigzustellen, doch der Glaube ihrer Mitbürger, die ihre klugen Ratschläge und ihre Heilkunst zu schätzen wissen, ist stärker. Bald pilgern die Menschen von weit her zu ihr, von der sie sich Genesung und Trost erhoffen. Doch auch eine vermeintliche Heilige ist nicht gefeit gegen die Liebe: Der reiche Kaufmann Anton Welser ist nicht nur von Annas ungewöhnlicher Klugheit fasziniert.

  • ACHTUNG SPOILER


    Anna Laminit (um 1480, Augsburg / damals freie Reichsstadt, heute Dtschld. - 1518, Freiburg im Üechtland / damals freie Reichsstadt, heute Schweiz), die Protagonistin des Romans "Das Heiligenspiel" von Ursula Niehaus, hat tatsächlich gelebt und geriet während ihres Lebens mehrmals mit den Obrigkeiten in Konflikt. Allerdings scheint sie mit Blick auf die damaligen Rechtsverhältnisse auch immer wieder Fürsprecher/innen gehabt zu haben, die für sie interveniert haben dürften. Bekannt wurde sie vor allem als vorgebliche (Hunger-)Heilige. Nach ihrer Ausweisung aus Augsburg ließ sie sich in Freiburg im Üechtland nieder, wo sie schließlich hingerichtet wurde.


    Auf den ersten Blick handelt es sich um einen historischen Stoff, der für einen historischen Roman des 21. Jahrhunderts, wie er zurzeit am Buchmarkt reüssieren kann, eher ungeeignet ist. Als Betrügerin, die offensichtlich in eigener Sache tätig war, entspricht Anna nicht der typischen Romanheldin, ihrer Geschichte fehlt zudem das obligatorische Happyend. Hinzu kommt, dass Anna auch nicht eine der beiden "Frauen-Stereotypen" erfüllt, bei denen diese "Mängel" in Kauf genommen werden können. Zumindest die historische Anna war wohl doch kein unschuldiges Opfer wie dies z. B. bei einer Katharina Stadellmennin ("Die Hexe von Freiburg") der Fall ist und sie kämpfte auch nicht für eine bessere Welt oder eine große Idee oder Ähnliches wie z. B. eine Jeanne d'Arc.


    Insofern ist die Entscheidung von Niehaus für diesen Stoff mutig. Allerdings, ohne Rücksicht auf den Buchmarkt, bietet der Stoff auch eine Menge Möglichkeiten. Möglich gewesen wäre z. B. eine Sittengeschichte oder Roman über das Leben in einer Reichsstadt zu Beginn des 16. Jahrhundert, ein Schelminnenroman oder eine Tragikomödie, woei der Umstand, dass Anna historischen Persönlichkeiten wie Kaiser Maximilian, Anton Welser und sogar Martin Luther begegnet ist, zudem noch die Möglichkeit bietet, historische Persönlichkeiten aus einer etwas fragwürdigen (eventuell sogar lustigen Perspektive zu zeigen).


    Der Roman selber hat solche Möglichkeiten genutzt. Anna ist hier keine negative Figur, sondern zu Beginn ein braves, tüchtiges Mädchen, dass Opfer einer falschen Freundin wird und dafür schwer büssen muss. Zum Glück gibt es mit der (fiktiven?) Figur der Oda jemanden, der sich um sie annimmt und ihr zu einem Neuanfang verhilft. Die Rolle als Hungerheilige wird Anna eher aufgedrängt, ihre Entlarvung geschieht aus fragwürdigen, wenn gleich nachvollziehbaren Gründen und dass sie letztlich wegen Augsburg verlassen muss, hängt auch mit der Liebesbeziehung zusammen, die sie im Roman mit Anton Welser hat. Auch der Betrug, wegen dem Anna letztlich hingerichtet wird, als sie sich gerade in Freiburg ein neues Leben aufgebaut hat, ist im Roman kein Betrug, sondern das Ergebnis einiger Missverständnisse, die Personen, die Anna feindlich gesinnt sind, nützen, um sie auszuschalten, wobei sich Niehaus noch etwas hat einfallen lassen, um sich dem aktuellen Buchmarkt obligatorischen Happyend doch noch anzunähern.


    Auch die historische Anna wurde an den Pranger stellt, ausgepeitscht und daraufhin aus der Stadt ausgewiesen, durfte aber einige Zeit später wieder zurückkehren und fand in einer seriösen Einrichtung Aufnahme. Das ist mit Blick auf das historische Zeit ungewöhnlich und wenn diese Darstellung tatsächlich auf Fakten beruht und nicht etwa von Chronisten und späteren Zeitgenossen erfunden oder ausgeschmückt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass da vielleicht wirklich etwas nicht gestimmt hat und Anna offensichtlich das Glück hatte, jemanden zu haben, der ihr diese zweite Chance vermitteln konnte.


    Als Ausgangspunkt habe ich die Idee, dass Anna zunächst einmal selbst Unrecht angetan wird, nebenbei, dramaturgisch betrachtet, gut gefunden, ich vermute aber, dass es für das Buch selbst besser gewesen wäre, Anna in der Folge etwas mehr zur zielstrebigen Täterin werden zu lassen, die eben aus dieser Erfahrung auch negative Lehren gezogen hat.


    Dass Anna immerhin auch von ihrer Umgebung zu dem Heiligenspiel verführt wird, hat mir als Idee allerdings gut gefallen, und in dieses auch einige weitere Figuren als Mitwisser verwickelt sind, ist zumindest eine überzeugende Erklärung dafür, dass dieser historisch belegte Betrug tatsächlich nicht gleich aufgeflogen ist.


    Was mir insgesamt gut gefallen hat, war, dass die meisten Figuren, wenn gleich nicht gerade vielschichtig, erstaunlich "normal" sein durften.


    Weniger überzeugend fand ich dagegen Annas Beziehung mit Anton Welser, und dass sie natürlich auch eine Kräuterkundige ist und weitere Talente hat, dass sie nett zu gesellschaftlichen Außenseitern wie eben dem Henker ist und Ähnliches, war mir persönlich etwas zu viel des Guten.


    Die Missverständnisse, die Annas Hinrichtung zur Folge hatten, haben mich allerdings nicht überzeugt. Hier wäre wohl eine tatsächliche betrügerische Handlung, die Anna diesmal tatsächlich auf den Kopf fällt, vielleicht abgemildert durch soziale Umstände, überzeugender gewesen.


    Das tatsächliche Ende, dass Anna hier findet,

    , hat mich dagegen eigentlich nicht gestört, vermutlich, weil es irgendwie zur Romanhandlung gepasst hat.


    FAZIT:
    Muss man nicht gelesen haben, aber insgesamt ein recht unterhaltsames Buch, auch wenn mich nicht alles überzeugt hat.
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    Für Chiclana - wenn du dich noch ein wenig über dieses Buch mit mir austauschen möchtest (allerdings sind 7 Jahre doch eine sehr lange Zeit), ich habe es gelesen und ich habe im Moment Urlaub und damit auch ein paar freie zeitlichen Kapazitäten.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)