Ritter zum Heiligen Grab/Peter Berling

  • Inhalt:
    Als Saladin 1187 Jerusalem von den Christen zurückerobert, fragt er sich, warum er sich milder zeigen soll, als die Christen dies einst bei ihrer blutigen Eroberung waren. Und was hatten die dort überhaupt zu suchen? Warum kamen sie, wo sie nicht gewollt waren?
    „Canossa“, spricht ein anwesender Christ. Was hat Canossa damit zu tun?


    Das erklärt uns dieses Buch. Als Papst Gregor VII sich einst bei Canossa 1076 dem heftigen Wunsch des Kaisers nach Vergebung beugen musste, hat die Kirche, fand der aktuelle Graue Kardinal, Herr über die Geheimen Dienste, an Prestige verloren. Dies gilt es wieder zu erringen, durch eine Großtat des Papstes ohne die widerspenstigen Herrscher. Es mündet im Aufruf zum Ersten Kreuzzug beim Konzil von Clermont 1095. Doch der Weg dorthin ist steinig und intrigenreich. Mittendrin steht eine junge Frau, Elgaine, Erbin von Gisors.


    Autor:
    Peter Berling hat dieses Buch, wie man dem Nachwort entnehmen kann, auf Drängen des Verlages geschrieben und bedankt sich dafür, wohl weil ihm das romanhafte Nachdenken darüber interessant erschienen ist.
    Inwiefern dieses Buch ein Bindeglied zu seinem Hauptwerk, der Grals-Reihe ist, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Ich würde es als für sich allein stehend betrachten.


    Meinung:
    Ich muss voranstellen, dass ich Berlings Bücher liebe, weil ich a) seine Art zu schreiben liebe, diesen boshaft-bissigen Stil bei Einzelszenen und b) sein Geschick, seine eigenen irren Geschichten wunderbar in die überlieferte Geschichte einzufügen und c) diese irren Geschichten, weil ich bewundere, wie man einen solchen Irrgarten an Buch bauen kann, ohne selbst heillos verwirrt zu sein.


    Mit a) und c) hatte ich kein Problem, das war von Anfang an vorhanden und hat mir großes Vergnügen bereitet. Das Problem war b), wobei Berling daran durchaus unschuldig sein mag, denn dies ist der erste historische Berling, wo ich beim historischen Hintergrund absolut nicht firm bin. Dieses schöne Spiel des Entflechtens von Geschichte und Geschichte konnte ich hier diesmal also nicht spielen. Dennoch begrüße ich die Wahl seines Themas, denn das ist ausgesprochen faszinierend und wenn es so nicht war – bestimmt nicht! – ist es auf jeden Fall wunderbar ausgedacht.


    Als sich dann die beiden Ebenen endgültig vereinigt haben und mir endlich dämmerte, warum hier manches geschehen ist und das Ende immer näher rückte, war ich wieder da, wo ich bei einem mittelalterlichen Berling-Roman hingehöre: in Verzückung. Oder bin ich einfach nur unheilbar?


    Für einen Berling war dieses Buch erstaunlich keusch. Ich glaube, ich habe noch nie so wenig Sexszenen in einem seiner Romane gelesen. Erstaunlich. Ich bin mir trotzdem nicht sicher, ob ich einem Neuling zu diesem Buch raten würde, denn es ist schon sehr verwickelt und verdreht. Ein herkömmlicher historischer Roman ist es gewiss nicht. Aber, ausprobieren, warum nicht.


    Was mögen erfahrene Berling-Leser dazu sagen? Schwierig, da ich nicht weiß, ob ich anfangs leicht kritisch war, weil ich ihn eigentlich für genial halte, oder ob ich gegen Ende begeistert war, weil ich ihn eigentlich für genial halte. Man sieht das Dilemma. Überkritisch oder zu wenig kritisch? Kümmert es mich? Nein, absolut nicht. Aber, ich bin gespannt, was andere zu diesem Buch sagen werden.


    Bei den Namen der Figuren klingelt es einem nur so in den Ohren. Könnten diese Menschen Vorfahren unserer lieben Freunde aus den Gralsromanen sein? Wer weiß.
    Besonders ans Herz gewachsen ist mir Berthold von der Lehburg, Bert el-Caz, der kleine rothaarige Pirat. Wer hätte das anfangs gedacht! Auch Cantar de Sion mochte ich gern, nicht zuletzt, weil mir der Name so gut gefallen hat. Wirklich unsympathisch war mir niemand, aber mit Astair hatte ich meine Probleme. Aber ich denke, die soll man auch haben. Strahlende Ritter gibt es bei Berling nicht, von daher tut man vielleicht ganz recht, seine Sympathien gleich den komischen Vögeln zu geben.


    Besonders gespannt war ich, was für ein Orden da am Ende gegründet wird. Die Vorstufe der Templer, laut Klappentext, klar. Jedoch, „die Getreuen des Grauen Kardinals“? Da lachen doch die Hühner! Oder? Auch hier, eine sehr schöne Gelegenheit am Ende, darüber nachzudenken, ob das hier nun ein Widerspruch zu Berlings Version der Prieuré de Sion ist, oder nicht.


    Sicher nicht das beste Buch von Peter Berling, das bleiben für mich für alle Zeiten die ersten drei Gralsbücher. Und wohl auch nicht das beste unter den für sich allein stehenden. Jedoch, ich habe schon früher gelernt, dass einmal lesen nicht reicht, um sich wirklich ein Urteil bilden zu können. Oder um im Detail zu verstehen, wer was wann wo warum gegen wen wegen wem. Dafür reichen oft nicht mal mehrere Durchgänge. Und dafür, wie für anderes - siehe a) bis c) – liebe ich Berlings Romane. Und das ist ein Roman Berlings. Ergo?

  • Zitat

    Original von Grisel
    Inhalt:
    Als Saladin 1187 Jerusalem von den Christen zurückerobert, fragt er sich, warum er sich milder zeigen soll, als die Christen dies einst bei ihrer blutigen Eroberung waren. Und was hatten die dort überhaupt zu suchen? Warum kamen sie, wo sie nicht gewollt waren?
    „Canossa“, spricht ein anwesender Christ. Was hat Canossa damit zu tun?


    Das erklärt uns dieses Buch.


    Genau :-)


    Berling erklärt das alles sehr ausführlich, völlig irre und deshalb genial.
    Mir hat das Buch viel Spaß gemacht, weil der Ausgang zwar bekannt, aber die Wege dorthin so schön verstrickt sind.


    Anfängern würde ich das Buch nicht empfehlen, da sie wahrscheinlich nach den ersten 50 Seiten völlig verwirrt das Handtuch werfen ;-)


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Zitat

    Original von Kalypso
    Anfängern würde ich das Buch nicht empfehlen, da sie wahrscheinlich nach den ersten 50 Seiten völlig verwirrt das Handtuch werfen ;-)


    Schön, ging es nicht nur mir so. Solltest mal meine Nebenaufzeichnungen zum Buch lesen. Am Anfang habe ich mich noch bemüht, die Wege festzuhalten. Irgendwann war das nur noch ein "A ist jetzt mit B in X. C war dort auch. Glaub ich. Und D ist in der Nähe. Oder doch nicht? Wo E abgeblieben ist, weiß ich jetzt auch nicht."
    Herrlich, ich liebe es.


    Schön, daß es Dir offenbar auch gefallen hat. Mit dem bei Berlings stets anzutreffenden timediver sind wir damit schon wenigstens drei. :-]

  • Liebe Grisel,


    gibts denn das? Erst jetzt habe ich Deine schöne Rezi entdeckt! Dabei ist sie ja schon ein paar Tage alt. (Liegt vl daran, dass ich kurz nach erscheinen in den Urlaub gefahren bin?!) Wie auch immer: Tolle Rezi, die mich aber daran gemahnt erst meinen Berling Re-Read zu beenden bevor ich hier weiter mache...


    Dass ich das Buch dennoch als HC kaufen werde, steht außer Frage!

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

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  • Ich bin habe den Roman noch nicht fertig (bin beim "Duell"), bin aber schon jetzt begeistert von dem Buch. Berling macht es einem schwer enttäuscht zu sein.


    Mir gefällt besonders die Darstellung der verwinkelten Machtkämpfe zwischen, Papst-Kaiser-Gegenpapst-Gottfried-Mathilde und dazu noch die Geheimen Dienste. Dazwischen das sehr amüsante hin und her der Gisors-Clique, das Berling in seiner gewohnt wortgewandten Schreibe erzählt. Von den Charakteren gefallen mir vor allem Remy d'Aretin, mal ein recht symphatischer "Grauer", Rinat von Sitten, der junge Öxfeld und Cantar. Wobei aber alle anderen auch sehr schön gezeichnet sind. Bei Elgaine und ihren Kaperfahrten habe ich das stumpfe Gefühl, als ob sie eine kleine Entschädigung für die entgangene "Äbtissin" ist, vielleicht ist sie Laurence Ur-Urgroßmutter. :grin


    Das einzige was mir zum Anfang des Lesens Schwierigkeiten bereitet hat, waren die engen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Protagonisten. Was durch deren Namen teilweise erschwert wird, da einige Namen von historischen Vorbildern stammen, die man aber aus anderem Zusammenhang kennt, wie Conon de Béthune, Tankred von Lecce und Balduin von LeBourg.


    Ob es der beste Berling ist wag ich nicht zu beurteilen, wie ich überhaupt seine Werke nicht gegeneinander vergleichen mag. Jedes ist ein literarisches Juwel für sich. Sogar als Reiseführer sind die gut zu gebrauchen, oder wer hat schon mal von Lerici und seiner "heiteren Sirene" gehört. :drink

  • Zitat

    Original von Paule
    Das einzige was mir zum Anfang des Lesens Schwierigkeiten bereitet hat, waren die engen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Protagonisten.


    Ich habe schon sehr bald einen Stammbaum zeichnen müssen. Vor allem an der gebärfreudigen Fedaye bin ich bald verzweifelt. :lache


    Zitat

    Was durch deren Namen teilweise erschwert wird, da einige Namen von historischen Vorbildern stammen, die man aber aus anderem Zusammenhang kennt, wie Conon de Béthune, Tankred von Lecce und Balduin von LeBourg.


    Conon ist zu früh dran, aber Tankred und Balduin von LeBourg übernehmen dann schon den Lebensweg ihrer historischen Vorbilder, wenn auch nicht deren Vorfahren. Wobei mich bei Tankred das "Lecce" etwas verwirrt hat, weil ich Tankred von Lecce als den unehelichen Hauteville kenne, der sich zum König von Sizilien hat krönen lassen. Aber der Tankred, unser Tankred des ersten Kreuzzugs, ist sonst eher als Fürst von Galiläa bekannt. Zumindest scheint es, als hätte ihm sein Vater keinen eingängigen Titel vermacht.
    Ich frage mich, ob Berling das absichtlich gemacht hat, um uns zu verwirren.

  • Zitat

    Original von Grisel
    Aber der Tankred, unser Tankred des ersten Kreuzzugs, ist sonst eher als Fürst von Galiläa bekannt. Zumindest scheint es, als hätte ihm sein Vater keinen eingängigen Titel vermacht.


    Gelegentlich wird der Kreuzfahrer Tankred als Sohn des Markgrafen Odo genannt. War wohl ein enger Gefolgsmann der Hauteville.


    Was übrigens auch zu früh dran ist, ist die Burg Gisors. Laut franz Wiki wurde die erst 1097 von Robert de Belleme im Auftrag von Wilhelm Rufus gebaut. Zunächst nur als Donjon mit einem hölzernen Palisadenzaun. Heinrich I. Beauclerc lies erst viel später die Palisaden durch eine Steinmauer ersetzen. Später war sie dann ja einen heißes Streitobjekt zwischen Franzosen und Normannen.

  • Zitat

    Original von Paule
    Gelegentlich wird der Kreuzfahrer Tankred als Sohn des Markgrafen Odo genannt. War wohl ein enger Gefolgsmann der Hauteville.


    Richtig, den Odo hatte ich auch gefunden. Nur eben interessanterweise ohne irgendeinen "Nachnamen". Und die Mutter war eine Hauteville, Emma, glaube ich, Schwester von Bohemund I.
    Na, immerhin Normanne ist er bei Berling geblieben.

  • So, fertig und sehr zufrieden mit dem Werk. Schade das ein paar symphatische Charaktere über die Klinge gehen mussten, aber bei Berling weis man ja nie wer den nächsten Tag erlebt. Mir haben die Erzählungen des Rinat über Jerusalem am Ende gefallen, vor allem die Beschreibung Peters des Einsiedlers und die herschenden Zustände am Vorabend des Kreuzzuges.


    Zitat

    Original von Grisel
    Besonders gespannt war ich, was für ein Orden da am Ende gegründet wird. Die Vorstufe der Templer, laut Klappentext, klar. Jedoch, „die Getreuen des Grauen Kardinals“? Da lachen doch die Hühner! Oder? Auch hier, eine sehr schöne Gelegenheit am Ende, darüber nachzudenken, ob das hier nun ein Widerspruch zu Berlings Version der Prieuré de Sion ist, oder nicht.


    Ich denke nicht das es ein Widerspruch ist. Die Templer sind sicherlich der Kurie unterstellt, drehen später aber auch ihr eigenes Ding. Und Remy d'Aretin ging es bei ihrer Gründung vor allem um die Einflussnahme im Kreuzzug und der zukünftigen Herrschaft in Jerusalem.