Peking Koma - Ma Jian

  • Inhalt:


    Was geschah im Juni 1989 in Peking auf dem Platz des himmlischen Friedens? Wie kam es zur Bildung der Studentenbewegung und was waren ihre Ziele? Diesen Fragen widmet sich das Buch, in Form eines Romans.
    Beschrieben wird das Geschehen aus Sicht von Dai Wei. Er liegt seit Jahren im Koma, nachdem er bei den Kämpfen zur Niederschlagung der Studentenbewegung im Juni 1989 angeschossen wurde. Nun erinnert er sich an seine Kindheit, vor allem an seinen Vater, der als Rechtsabweichler gebrandmarkt wurde und Jahre in Umerziehungslagern verbrachte. Erst als Dai Wei nach dem Tod seines Vaters als Jugendlicher dessen Tagebuch liest, beginnt er zu verstehen, welches Unrecht und welche Grausamkeit seinem Vater widerfahren ist - und vielen anderen Menschen während der Kulturrevolution ebenso.
    Dai Wei beginnt schließlich in Guangzhou Biologie zu studieren und begegnet dort seiner ersten Liebe A-Mei. Nachdem er das Studium erfolgreich abgeschlosen hat, kehrt er schließlich nach Peking zurück und möchte dort seinen Doktor machen. Doch nach und nach gerät Dai Wei in den Sog der Studentenbewegung, die mehr Freiheit und Demokratie fordert - und dafür auf die Strasse geht. Nach einigen kleineren Aktionen beschließen die Studenten in den Hungerstreik zu gehen und den Platz des Friedens zu besetzen, mit der Forderung nach Presse- und Demonstrationsfreiheit sowie Gesprächen mit der Regierung. Diese weigert sich jedoch - und bereitet damit den Weg in das Blutbad...
    Neben den Erinnerungen an die damaligen Geschehnisse erhält man aber auch Einblicke in das aktuelle Leben von Dai Wei, als er - steif wie ein Holzbrett- jahrelang in seinem Bett liegt und von seiner Mutter gepflegt werden muss. Denn Dai Wei kann seine Umwelt hören und riechen...


    Meinung:


    Mit reichlich 900 Seiten ist das Buch schon ein ziemlich dicker Brocken - entsprechend gekürzt kann man hier auch nur den Inhalt andeuten. Sehr markant ist auf jeden Fall der Schwerpunkt des Buches gelegt, denn nach bereits knapp 400 Seiten ist die Lebensgeschichte von Dai Wei bis zum Beginn der Studentenbewegung erzählt, der Rest des Buches ist mit großer Ausführlichkeit der Entstehung und Entwicklung der Studentenbewegung sowie den Ereignissen (insbesondere auf dem Platz des himmlischen Friedens) gewidmet. Dennoch kommt keine Langeweile auf, denn ständig wirbeln Machtspiele innerhalb der Studenten alles durcheinander und man muss sich jeden Tag auf etwas neues einstellen. Man lernt jedoch nicht nur etwas über die Studentenbewegung, sondern auch über die Kulturrevolution und das Leben in China in den 90er Jahren, als noch immer Willkür und Korruption an der Tagesordnung stehen.


    Ein lesenswertes Buch, das einen mit der Hoffnung zurücklässt, dass China eines Tages vielleicht doch noch aus dem Koma erwacht...


    Edit: Rechtschreibfehler korrigiert

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von saz ()

  • Danke für Deine Rezension, saz!
    Ich überlege gerade, ob ich mir irgendwann dieses Buch oder Yu Huas "Brüder" zu Gemüte führen sollte.
    Momentan spricht mich Ma Jian mehr an. Ich habe das Gefühl, dass Du es auch etwas lieber gelesen hast, oder täusche ich mich da?

  • Zitat

    Original von Vulkan
    Momentan spricht mich Ma Jian mehr an. Ich habe das Gefühl, dass Du es auch etwas lieber gelesen hast, oder täusche ich mich da?


    Ja, du hast schon recht. Aber davon solltest du vielleicht nicht unbedingt abhängig machen, welches von beiden du liest ;-) ... "Peking Koma" hat eben diesen doch recht starken historischen Bezug - nämlich den der Studentenbewegung 1989. "Brüder" hat zwar auch einen historischen Bezugspunkt, nämlich die Kulturrevolution (kommt übrigens bei "Peking Koma" auch mit vor), aber ist eben doch nicht so stark darauf fixiert. Liegt natürlich auch daran, dass "Brüder" das ganze Leben der beiden Brüder beschreibt, während "Peking Koma" nur die ersten ~ 30 Lebensjahre von Dai Wei erzählt, die eben maßgeblich durch die Studentenbewegung bestimmt waren.

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Zitat

    Original von saz
    Ja, du hast schon recht. Aber davon solltest du vielleicht nicht unbedingt abhängig machen, welches von beiden du liest ;-) ...


    Es war nur ein Versuch, mehr Informationen herauszukitzeln. :-) Eigentlich interessiert mich als Thema die Kulturrevolution mehr, aber aus den diversen Feuilletons und Berichten zur Buchmesse spricht mich "Peking Koma" irgendwie mehr an... :gruebel

  • Zitat

    Original von VulkanEigentlich interessiert mich als Thema die Kulturrevolution mehr, aber aus den diversen Feuilletons und Berichten zur Buchmesse spricht mich "Peking Koma" irgendwie mehr an... :gruebel


    Tja, aus diesem Dilemma kann ich dir aber auch nicht heraushelfen. Ansonsten eben: Beide lesen :grin

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Ich habe jetzt mit Peking Koma angefangen und bin bisher absolut begeistert. Die Rahmengeschichte mit dem komatösen Patienten kam mir ja erst sehr konstruiert vor, aber der politische und historische Kontext hat mich dann doch zu dem Buch geführt. Wie Ma Jian in Rückblenden dem Leser in diversen Episoden China seit der Kulturrevolution nahe bringt, finde ich schon sehr beeindruckend. Bisher liest es sich auch sehr flüssig und angenehm.