Greg Bear: Die Stadt am Ende der Zeit

  • Das soll Science-Fiction sein?
    Ich verstehe die Welt nicht mehr.
    Oder die Welt ist nicht mehr so wie sie vor dem Buch war?
    Oder hat das Buch die Welt verändert?
    Ich fürchte ich habe die Welt verändert indem ich das Buch gelesen habe.


    ok, ganz langsam und ganz von vorne. Oder besser von hinten. Ich fange am besten mit dem Klappentext von Greg Bears Buch an.


    Zitat

    Träumen Sie von einer Stadt am Ende der Zeit?


    Diese Frage findet sich eines Tages im Kleinanzeigenteil etlicher amerikanischer Zeitungen. Offenbar ein skuriller Scherz. Aber als einige Leser auf diese Anzeige antworten beginnt eines der phantastischsten Abenteuer, das je erzählt wurde. Denn es gibt sie wirklich: die Stadt am Ende der Zeit. Eine Stadt, deren Technologie so weit fortgeschritten ist, dass man sie von Magie kaum mehr unterscheiden kann. Eine Stadt, in die sich die letzten Lebewesen eines sterbenden Universums geflüchtet haben. Eine Stadt, die nun Kontakt mit der Gegenwart aufnimmt - um zu retten, was wir als Mensch bezeichnen...


    Ganz ehrlich: Ich habe selten so lange durch ein Buch hindurch gebraucht wie bei dem Vorliegenden. Dabei ist das Buch weder langweilig, noch schlecht geschrieben. Ganz im Gegenteil, es ist hochspannend. Und es ist ein Feuerwerk sprachlicher Bildhaftigkeit.
    Dennoch: es war wirklich wunderbar mühsam.


    Es handelt sich tatsächlich um Scince-Fiction. Und wie im Klappentext angedeutet geht es um das Ende der Zeit. Was das ist? Oder was das philiosphisch bedeutet? Greg Bear teilt es uns in einer Weise mit, die einen mit offenem Mund wie ein kleines Kind dastehen lässt. Denn verstanden hat man nichts davon.


    ´Die Stadt am Ende der Zeit´ ist kein streng wissenschaftlich durchsetztes Buch. Greg Bear hat viel mehr viele völlig unterschiedliche weltanschauliche Konzepte in seinem Buch zu einem - erstaunlicherweise funktionierenden - grossen Ganzen miteinander verflochten. Er verarbeitet wissenschaftliche Sichtweisen genauso wertfrei wie die indische Mystik oder griechische Mythologie.
    Glücklicherweise hat der Autor jedoch keinen Anfall missionarischen Selbstfindungswahns erlitten, unter dessen Einfluß er uns nun bekehren möchte.


    Er verwendet viel mehr einen massiven Strom bildhafter Schilderungen um den Leser klein und demütig zu halten. Denn - der Klappentext reisst es vorsichtig an - Greg Bear ist wahrhaftig am Ende der Zeit angelangt und beschreibt Technologien und Vorgänge ohne sie je zu erklären. Und ohne den kleinsten Versuch, diese Vorgänge verstehen zu wollen. Denn wir in unserem verschmutzten, armseligen 21. Jahrhundert können sie schlicht weder begreifen noch sie uns erklären lassen.
    Daher hat es wirklich allerortens den Anschein von Magie und Fantasie und muss bildhaft beschrieben werden.
    Man könnte es auch schon fast Fantasy nennen. Denn auf weiten Strecken liest sich der Roman fast wie ein Fantsy-Werk in dem mittels Zauberei und allerei mystischen Fadenziehens hinter den Kulissen am Ende alles möglich wird.


    Zwei Handlungsstränge streben unaufhaltsam aufeinander zu:


    In - mehr oder weniger - unserer Gegenwart spielen sich zunehemend seltsame Dinge ab. Besagte Kleinanzeigen geben vor, etwas von der Stadt am Ende der Zeit zu wissen. Manch einer träumt sogar von dieser Stadt. Bücher sind nicht mehr das, was sie einst waren. Es gibt Menschen, die ihr Schicksal buchstäblich selbst in die Hand nehmen.


    In der Zukunft geht die Zeit unaufhaltsam ihrem Ende zu. Oder einem Anfang?
    Die chaotischen Auswüchse eines Kosmos der sich mit seinem eigenen Tod konfrontiert sieht, bringen Anfänge und Enden völlig auseinander. Was das bedeutet? ich kann es nur ahnen.


    Ich versuche in dieser Rezension ein wenig von dem unterschwelligen Geheimnis wiederzugeben, das einen durch das ganze Buch hindurch begleitet. Phantasienamen werden nicht erklärt. Phantasievorgänge werden nicht erklärt. Phantasiezusammenhänge bleiben im Dunkeln. Dennoch ergibt sich Seite für Seite ein immer spannender werdendes Konglomerat an Dingen und Vorgängen die man sich nicht vorstellen kann, sondern einfach nur bildhaft und staunend auf sich wirken lassen muss.


    Ich habe das Buch auf der letzten Seite umgeblättert und mir gedacht: "Wow, war das spannend! Aber was? Ich weiss es immer noch nicht..."


    Alles in allem: angenehm mühsam und viel Arbeit für den Leser. Aber die Welt ist danach nicht mehr wie sie war. Ein bisschen zumindest...


    P.S.: Eigentlich sollte man das Buch zweimal lesen um nachzusehen ob Druckfehler dazugekommen sind.
    Was das bedeutet?
    Selber lesen, sagte er mit einem Lächeln das etwas hämisches haben mochte, drehte sich um und machte sich davon.

    ***Platzhalter für pseudo-philosophischen Dünnpfiff***

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Dasir ()

  • Das ist eine wirklich tolle Rezi, die mich unheimlich neugierig auf diese Buch gemacht hat!


    Aber irgendwie...trau ich mich nicht. Du hast mir auch Angst gemacht.


    Ich zitiere mal:
    "Dennoch: es war wirklich wunderbar mühsam."
    "Wow, war das spannend! Aber was? Ich weiss es immer noch nicht..."


    Soll ich es wagen? :cry


    :grin

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Ich weiß nicht, was ich zur Leseprobe sagen soll: entweder fasziniert oder irritiert :gruebel
    Jedenfalls hat sie mir gefallen und das Buch steht auf meiner WL.
    Danke übrigens für die Einführung und gleichzeitige Warnung ;)

  • So wie es aussieht werde ich mich in der nächsten Zeit wohl mehr mit SiFi auseinander setzen müssen, als gedacht :yikes.
    Man man, ihr könnt aber auch Rezis schreiben :-].


    Lg Merrit

  • Meine Meinung


    „Die Stadt am Ende der Zeit“ gehört zu den Büchern, auf die man sich einlassen muss, da es ansonsten nicht wirken kann.


    Es gibt zwei Handlungsebenen, die scheinbar zu unterschiedlichen Zeiten spielen und die zunächst nichts miteinander zu tun haben. Nach und nach werden aber werden die Zusammenhänge deutlich und es entwickelt sich ein wunderbarer Science-Fiction-Roman mit einem guten Schuss Fantasy und Mythologie. Es geht um Quantenphysik und die Viele-Welten-Theorie. Beides verknüpft der Autor großartig und es entsteht eine wunderbare Geschichte, in der der Autor mit der Frage spielt, was wäre wenn es real wäre und welche Auswirkungen dies hätte.


    Der Glossar am Ende dieses dicken Buches erklärt einige Begriffe, die im Buch immer wieder verwendet werden und half mir beim Verständnis der zugrunde liegenden physikalischen Grundsätzen. Alles habe ich nicht verstanden, aber es war trotzdem sehr belehrend und unterhaltsam. Ich war beeindruckt und habe es sehr gerne gelesen. Aber es wird nicht für jeden etwas sein, da es doch sehr speziell ist und man sich auch Zeit dafür nehmen sollte.


    Bücher ändern nach dem Lesen ihre Geschichte, mal nur in Details, mal sind es jedoch Grundlegendes, so dass ich diesen Roman noch mal lesen werde, um zu überprüfen, ob sich die Geschichte verändert hat. ;-)