Schreibwettbewerb November - Thema "Sarkasmus"

  • Vom 01. November bis zum 21. November könnt Ihr in diesem Thread Eure Beiträge zum "Schreibwettbewerb für registrierte Mitglieder" reinsetzen. Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen: Bitte seid so gut und gebt Euren Beiträgen Titel, damit man sie später besser benennen kann.



    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Es gibt keine Toleranz mehr. Ab 501 Wörtern nehmen wir die Beiträge aus dem Wettbewerb.


    Ihr dürft nicht mehr nachträglich editieren, egal ob es sich um Rechtschreibfehler oder um zu viele Wörter handelt.



    ==> Schreibt eure Beiträge in Word und nutzt die Rechtschreibhilfe. Im Programm Word findet Ihr unter „Extras“ die Möglichkeit „Wörter zählen“. Nutzt diese Möglichkeit, wir überprüfen so auch Eure Beiträge.


    ==> Wenn Ihr Euren Beitrag ins Forum setzt, könnt Ihr auf Vorschau gehen und so noch einmal einen Blick auf den Beitrag werfen, bevor Ihr den Beitrag endgültig abschickt.



    Das von Insomnia vorgeschlagene Thema lautet: "Sarkasmus"



    Wir wünschen Euch dabei wieder viel Spaß und Erfolg!



    Diesen Thread bitten wir nur und ausschließlich zum Schreiben Eurer Beiträge zum Wettbewerb zu nutzen und die Beiträge hier NICHT zu kommentieren!

  • Das Verschwinden


    Brigitte klopft leise an die Schlafzimmertür. Das Zeichen für mich, das Licht auszumachen. Danach höre ich das Rascheln ihres Nachthemdes, ihr Tasten nach dem Gitter am Fußende des Bettes, ein Seufzen. Bettdeckengeräusche. Sekundenlang ist es still, dann zieht sie umständlich ihr Nachthemd aus, rutscht unter das Bettzeug und deckt sich bis zum Kinn zu. „Okay“, murmelt sie. Ich schalte meine Nachttischlampe wieder ein. Jeden Abend das gleiche Ritual.
    „Ich fühle mich schwer“, sagt sie.
    „Wie eine trächtige Elefantenkuh“, gebe ich zurück.
    „Ja“, antwortet Brigitte.
    Ich nehme mein Buch hoch, versuche, mich auf irgendwas zu konzentrieren.
    „Ich könnte Fett absaugen lassen“, sagt sie, zum x-ten Mal.
    „So leistungsfähige Saugmaschinen gibt es noch nicht.“.


    Morgens muß ich die Augen zukneifen, bis Brigitte angezogen ist. Sie trägt weites Zeug, monströse Hosenschläuche, riesige Hemden, darüber einen Poncho. Ich darf sie nicht nackt sehen, oder ihre Figur. Dann schleicht sie ins Badezimmer. Zu der neuen Waage, die ich gekauft habe, das einzige, was sie gefreut hat in den letzten drei Monaten. Als ich Geräusche aus der Küche höre, gehe ich ins Bad, drücke ein paar Tasten an der Seite der Waage. 32,5 Kilo, wieder eins weniger. Brigitte weiß nicht, daß die Waage diese Funktion hat. Brigitte hat glücklicherweise kein Händchen für Technik. Sonst wüßte sie auch, daß ich die Waage so kalibriert habe, daß fünf Kilo zu wenig angezeigt werden. Es ist nutzlos. Selbst mit null Kilo Gewicht würde sich Brigitte fett fühlen.


    Ich nehme das Nutellaglas und mansche mir eine Riesenfuhre auf das Brötchen. Brigitte hat ein Glas mit destilliertem Wasser vor sich, daneben einen Teller, auf dem ein verschrumpelter, winziger Apfel liegt, der fast drei Euro gekostet hat, von einem speziellen Landgut in Südfrankreich. Sie nimmt das Messer, um den Apfel zu schälen. Ihre Hand zittert, ihre Finger sind so knochig, daß der Ehering wie ein Hula-Hoop-Reifen um den Ringfinger oszilliert.
    „Der hat doch sicher mindestens 30 Kalorien“, sage ich. Brigitte sieht mich ernst an, die dunklen, matten Augen tief in den Höhlen, ihre Augenränder sehen aus wie die Tarnung der Marines. Ich kann die genaue Kontur ihres Nasenbeins sehen, als hätte sie keine Haut.
    „Meinst du?“ fragt sie vorsichtig. Ich hebe die Zeitung, damit sie meine Tränen nicht sehen kann. „Der kostet dich einen Zentimeter Hüftumfang“, antworte ich mit trockenem Hals. Sie legt den Apfel zurück, nimmt einen Schluck Wasser. Dann kommt ihr Husten.


    Ich habe alles versucht, ihr zugeredet, Therapeuten eingeschaltet, Freunde, Familie. Ich habe ein aktuelles Ganzkörperbild maßstabsgetreu auf das eines superschlanken Supermodels geklebt. Trotz Brigittes Kluft nahm ihre Körper lediglich die Hälfte des anderen ein, aber sie schüttelte nur den Kopf. Ich habe die Feuerwehr gerufen. „Ich bringe mich um, wenn du das nochmal machst“, sagte sie.


    Ich stelle die kleine Urne mit Brigittes Asche neben das Nutellaglas auf den Küchenschrank. Dann hole ich meine Dienstpistole und setze mich ins Auto, um zu Brigittes Schulfreundin zu fahren, die sie vor einem halben Jahr wiedergetroffen hat, nach Ewigkeiten. „Hast aber ganz schön zugelegt“, waren ihre Begrüßungsworte gewesen.

  • Aus die Maus


    Ein feiner Duft durchzog die Wohnung. „Bratapfel – eindeutig Bratapfel“ konstatiere Martin. Ihm lief das Wasser schon im Mund zusammen, allein vom Gedanken daran, die Zähne in die noch warme Frucht zu schlagen, zuzubeißen und genüsslich zu kauen. Ein leises, raschelndes Geräusch deutete an, dass sich jemand neben ihn stellte. „Es gibt heute Bratapfel“ sagte er ohne sich umzublicken. „Mir doch egal“ raunzte die Stimme neben ihn. Martin drehte sich um und sah seinen Freund Dieter lange an. „Aber Bratapfel ist doch lecker!“ verteidigte Martin seine Lieblingsmahlzeit. Als Antwort erntete er lediglich einen langen Blick. „Gut,“ sagte Martin „Es ist gefährlich – der heiße Ofen, der heiße Dampf, so viele Menschenbeine – bis man wirklich was zu beißen hat, kann das dauern und dann ist es meistens schon kalt – aber Bratapfel ist SOOO LECKER.“


    Dieter setzte zu einer Entgegnung an, ließ es aber lieber bleiben. Martin war einfach futtergesteuert, da beißt die Maus keinen Faden ab. Er schreckte hoch und sah Martin schon auf die Küchentür zu schleichen. Er wird doch nicht ... doch, er tut es. Oh Martin, dachte Dieter bei sich, wie kannst du nur. Die Menschenfrau wird dich entdecken und was dann passiert mag ich mir gar nicht ausmalen. Martins Nasenspitze zuckte, die Barthaare wackelten während er vorsichtig tappend immer mehr Richtung Ofen schlich. Noch ertönte kein Schrei. Dieter hielt das für ein gutes Zeichen. Seine Augen zogen sich im Dämmerlicht zusammen, die Ohren zuckten nervös hin und her während er sich einen Rettungsplan überlegte. Bis jetzt schien alles glatt zu gehen – kein Schrei, kein Quieken, eine Rettung im Moment unnötig. Dieter beschloss näher heranzugehen um im Notfall eingreifen zu können. Geschmeidig streckte er sich und setzte eine Pfote vor die andere, vorsichtig, sichernd, um nicht zu früh gesehen zu werden.


    Da – jetzt ist es passiert! Martin wurde entdeckt. Aufruhr in der Küche, unterdrücktes Gekreische, klatschende und auch klappernde Geräusche als die Hausfrau mit Deckeln und Töpfen (und was ihr sonst noch in die Finger kam) versuchte, Martin zu erlegen. Leises Quieken von der getroffenen Maus – aber sie lebte noch. Dieter schüttelte behäbig seinen Kopf. Jetzt hieß es abwägen – was ist zu tun? Ganz langsam schlich Dieter um die angelehnte Küchentür herum und besah sich die Situation. Stühle lagen umgekippt auf den Boden, ein zersplitterter Glasdeckel glänzte im Deckenlicht und Martin, Martin lag geduckt neben dem Herd, er schien unverletzt zu sein.


    Noch hatte die Menschenfrau Dieter nicht gesehen, aber es konnte nicht mehr lange dauern. Da – jetzt – Mist! „Du dumme Katze – du sollst die Mäuse fangen – los jetzt!“ Ein geschmeidiger Satz und Dieter war bei Martin. „Ich könnte nicht sagen dass es mir Leid tut“ sagte er zu der ängstlichen Maus, sperrte das Maul auf, senkte es über den zitternden Körper und biss zu. Schnurrend und voller Stolz präsentierte er die leblose Maus seinem Frauchen und bekam dafür eine Extraportion Futter.


    „Ich hab ihm ja gleich gesagt, dass Bratapfel eine Dumme Idee ist“ knurrte Dieter vor sich hin, während er gestreichelt wurde.

  • Die Lesung


    Lesungen sind allerorts beliebte gesellschaftliche Anlässe. Man zieht sich ordentlich an, sitzt mit mindestens noch 10 anderen, literarisch interessierten Menschen in einer Buchhandlung, traut sich kam zu husten, oder zu atmen..und hört andächtig dem Schreiberling zu...
    In manchen deutschen Regionen allerdings entpuppen sich Lesungen zu Events der besonderen Art.


    Diese Lesungen werden des Andrangs wegens, nicht in einer Buchhandlung, nein in Turnhallen und großen Festsäälen veranstaltet. Die Karten hierfür sind schon monatelang ausverkauft.
    Der literarisch Interessierte zieht sich zu diesem Anlass bunt an, schmückt sein Haupt mit allerlei Kappen und wild schnatternd erwartet man die Literaten.
    Das Publikum hat von Anfang an die Möglichkeit, sich die Ergüsse der Schreiberlinge selbst auszuwählen...Auf einer gut einsehbaren Bühne sitzt ein 11köpfiges literarisches doppelquartett plus3.


    Zur Einstimmung kommt ein Ballett junger Körper auf die Bühne, um zu eingängiger Musik, die Masse in Trance zu tanzen.
    Mit Hilfe einschlägig bekannter und legaler Drogen, stimmt sich das Publikum ein, hängt sich bei dem links und rechtssitzenden Nachbarn ein und wiegt sich zur Musik.
    Ganz Mutige stehen bei diesem autogenen Training auch auf den Stühlen.


    Der Reich-Ranicki dieser Runde stellt die einzelnen Schreiberlinge vor und fragt das Publikum mit den Worten „Wolle mern roilasse“ um Erlaubnis zur Lesung


    Destingierte Herren mit buntbedruckten Hemdchen, deren Aufschrift, z.B. „Bück dich“, Ausdruck ihrer politischen Richtung geben..krallen sich in die welken cellulitedeformierten Oberschenkel ihrer bestrapsten, nicht mehr ganz jungen Nachbarin und rufen entzückt „Eroimittem“


    Nun betritt der erste Literat die Bühne, und unter großem Hellau, wird er vom Auditorium klatschend begrüßt.
    Die Lesung erfolgt in Dialekt, eine kleine künstlerische Freiheit und bei fortgeschrittenen Literaten in reinster Reimform.


    Besonders gelungene ausdruckstarke Sätze und Formulierungen werden der werten Zuhörerschaft vom Musikensemble mit einem dreifachen „Tätää“ angezeigt.
    Das interessierte Publikum weiß nun, dass es klatschen, rufen, lachen oder weinen darf.


    Nach jeder Lesung wird die gespannte Menge mit hochwertigen musikalischen Raritäten auf den nächsten Künstler eingestimmt.


    Man kann nur jedem literarisch Interessierten, diese Form der Lesung ans Herz legen, und er soll sich sputen, die Karten für diese Events sind rar!
    Wer keine Karten mehr bekommt, kann auf den Kultursendern ARD und ZDF so manch gelungene Veranstaltung via TV ansehen und genießen...

  • Sarkasmus


    „Hallo“
    eine leise Stimme am anderen Ende des Telefons.
    „Ja?“
    „Ich bins, deine kleine Schwester! Ähm...was machst du grade?“
    „Nix besonderes!“
    „Hast du frei?“
    irgendwie hört sich ihr Ton komisch an.
    „Was ist los, warum rufst du an? Und warum hörst du dich so zerknirscht an.“
    „Warst du gestern nicht im Dienst?“
    „Nein!“
    „Puuh..ähm, dann ist alles Ok. Tschü...“
    Fast schon hat sie den Hörer aufgelegt.
    „Moment, Madam, was hast du angestellt?“
    „Ähm...ich hab ja ein neues Auto...“
    Als ob ich das nicht wüßte, immer wenn sie wieder Mist gebaut hat, schleicht sie erst viermal um den heißen Brei herum, bis sie mit der Sprache rausrückt.
    „Jaaaa?“
    „Damit bin ich durch euren Bereich über die Autobahn gefahren.“
    „Jaaa?“
    „Nun da ist so eine Baustelle, da darf man nur 60 fahren...“
    „Wie schnell warst du und wer hat dich angehalten?“
    Ah wir nähern uns dem Problem.....
    „Laß mich doch mal ausreden, nie hörst du zu.“
    Ich atme tief durch und lasse sie weiter reden.
    „Also ich bin durch die Baustelle gefahren und hinter mir war ein Auto und ich dachte, dem zeig ich was ne Harke ist und hab Gas gegeben.“
    „WIE SCHNELL WARST DU?“
    „Nicht sooooooo schnell!“ „WIE SCHNELL DU WARST WILL ICH WISSEN?“ Ich brülle fast und überschlage im Kopf schon mal, was ich in Bewegung setzen muß, um die Anzeige auszubügeln.
    „130, 70 km/h zu schnell! Der Polizist war total garstig, aber irgendwie sexy, nur ein bißchen klein...“
    Ich stöhne innerlich...
    „Und dann?“
    „Dann hab ich ihm meinen Ausweis gegeben. Da war er dann schon netter, als er meinen Nachnamen gelesen hat, hat er sogar sehr süß gelächelt.“
    „UND DANN?“
    „Dann hab ich ihm erzählt das du meine Schwester bist und ob er nicht ein Auge zudrücken könnte, weil du mich sowieso schon genug quälen würdest, wenn du das hier erfährst.“
    Mein Herz bleibt stehen, grober Fehler, damit hat sie sich mit Sicherheit eine dicke Anzeige eingehandelt..
    „WAS HAST DU GESAGT?“
    „Hör doch richtig zu....“
    „Na gut, du hast also gesagt du bist meine Schwester und dann?“
    „Da hat er gesagt, daß ich mit so einer Schwester schon genug gestraft wäre. Hat sich lachend in sein Auto gesetzt und ist weiter gefahren! Toll oder? Und du sagst immer ich bin unfähig zu verhandeln.“


    Ich sehe ihr Grinsen quasi durchs Telefon und würde sie am liebsten erwürgen.

  • Das etwas andere Mal...



    „Nein, das gefällt mir nicht.“
    „Lieber blau? Oder doch grün?“
    „Nein, also ich hatte etwas anderes im Kopf. Wie wäre es mit einem Gemisch aus blau und grün? Oder doch dunkelbraun? Ach, ich weiß es auch nicht. Mensch Bärchen, nun sag doch auch mal was. Was passt besser?“


    Herr Sapiens, auch Bärchen genannt zuckt jedoch nur mit den Schultern. Seine Aufmerksamkeit richtet er lieber auf das weiße Plakat an der Wand: „Was nicht passt wird passend gemacht!“, versprechen die goldenen Lettern. Bärchen Sapiens verzieht eine Augenbraue nach oben und rümpft die Nase.
    „Wie würde ihnen denn diese Farbe gefallen, Frau Sapiens?“
    „Ja. Schau mal Bärchen, bronze ist auch nicht schlecht, oder? Sieht edel aus.“
    Herr Sapiens riskiert einen kurzen Blick auf den ihm halb zugewandten Bildschirm und nickt.
    „Du schaust gar nicht richitg hin. Ich muss alles selber aussuchen. Hinterher beschwerst du dich wieder! Ich kenne dich doch!“
    „Nein, nein! Mach du nur, Schatzi. Es wird mir bestimmt gefallen, keine Sorge.“ , hebt er beide Hände in entwaffneter Geste.
    Sein Schatzi seufzt.
    Der Mann am Computer gegenüber grinst. „So geht das meistens. Ich kann das schon nachvollziehen.“, wendet er sich an Herrn Sapiens, „Der Spaßfaktor fehlt irgendwie, nicht wahr.“
    Herr Sapiens nickt zustimmend, lässt es jedoch schnell bleiben, als er die finsteren Seitenblicke seiner Frau bemerkt.
    Jetzt eine Zigarette!
    „Ähm, bitte Herr Sapiens, hier ist rauchen verboten.“
    Er steckt die Zigarette zurück, sagt nichts. Sie schüttelt dafür tadelnd den Kopf.
    „Nimm dich doch wenigstens etwas zusammen. Das ist unsere Chance. Was meinst du, was da am Ende rausgekommen wäre, wenn wir das alleine druchgezogen hätten? -Sagen sie, können sie nicht ein bisschen mehr rot mit reinmischen? Nicht viel, nur einen Hauch. Ich liebe rot!“
    Wieder blitzen die weißen Zähne des Mannes auf: “Für Geld gibt es grün-gelb kariert mit rosa Punkten, Frau Sapiens.“ Frau Sapiens lacht etwas gequält und denkt an ihre perfekte Zukunft. Herr Sapiens ringt sich ein Lächeln ab und denkt an sein Bankkonto.
    „Nachdem dann alle Formalitäten erledigt sind, gehe ich nochmals die Liste durch, wenn`s recht ist.“
    „Gerne!“ Fau Sapiens lehnt sich gespannt vor, Herr Sapiens entspannt zurück. >>Gleich vorbei, gleich vorbei!<<, zieht es wie auf einem Transparent durch seinen Kopf.
    „Wir können ihnen dann abschließend noch ein ganz besonderes Schmankerl bieten Frau Sapiens. Ihr Produkt in 3-D Ansicht, wie es nach Fertigstellung aussehen wird.“
    „Bärchen! Hast du das gehört? Wir können es jetzt schon anschauen! -Sie sind wirklich die besten!“
    Der Mann verneigt sich leicht und senkt die Augenlieder.
    „Nun denn, sind sie bereit? Herr Sapiens, Frau Sapiens?“
    Er dreht den Monitor noch ein Stückchen weiter herum, so dass die beiden einen guten Blick darauf haben.
    „ In 9 Monaten werden sie dieses kleine Bündel in den Armen halten. Ein kerngesundes Mädchen mit braunen Augen, schwarzen Haaren und bronzefarbener Haut. Die Gendefekte sind bereits alle ausgemerzt. Sie wird das perfekteste Kind der Welt. Eine Musiker- oder Gesangskarriere steht ihr dank des hohen IQs genauso offen wie eine Schriftstellerkarriere. Herzlichen Glückwunsch schonmal.“





    500 Wörter mit Überschrift

  • Jan,


    Vielleicht ist dir inzwischen aufgefallen, daß ich nicht mehr da bin. Ich habe dir diesen Brief auf das Kopfkissen gelegt, damit du ihn zwar nicht sofort beim Nachhausekommen aber spätestens vor dem Schlafengehen entdeckst.
    Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung wie es weiter gehen soll. Du schweigst dich ja in allen Tonarten aus.
    Einstweilen werde ich bei meiner Mutter wohnen. Bitte respektiere meinen Wunsch und rufe mich dort nicht an.


    Meine Chefin hat mich heute gefragt, was mit mir los ist, ich würde nicht gut aussehen. Ob sie was ahnt?
    Und die Dicke, du weißt schon die Klatschtante aus dem Nachbarhaus, wollte wissen, wie ich das gemacht habe, dass ich jetzt so superschlank bin. Natürlich habe ich ihr das Geheimnis nicht verraten. Dabei ist es doch so einfach, man muß nur dafür sorgen, daß man vor lauter Kummer keinen Bißen mehr hinunterbekommt.


    Anja hat sich nicht mehr bei mir gemeldet. Ist vielleicht auch besser so.
    Sie hat keine Schuld. Solche Dinge passieren eben, hatte sie mir ins Gesicht gesagt. Meine beste Freundin. Meine Ex-Freundin.
    Mein Gott, ich war ja so blind. die Ehefrau war - wie klischeehaft - wieder mal die letzte, die es erfahren hat.


    Du kannst nichts dafür. Es war höhere Gewalt, hast du gesagt. SIE hat DICH verführt, war deine einzige Entschuldigung.
    Warum hättest du auch Nein sagen sollen. Als echter Gentleman gehört es sich nun mal, einer „Dame in Not“ beizuspringen. Und genau dieses „Beispringen“ ist es, was mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Es hat sich scheinbar irgendwie in meinen Gehirnwindungen verheddert. Immer wieder stelle ich es mir bildhaft vor, bis ich fast im Strudel meiner Phantasie ertrinke.


    Du kommst und gehst wann immer du willst und über das “lästige“ Thema willst du nicht sprechen. Eine Scheidung willst du nicht, hast du gesagt. Aber wenn ich dich frage, was du denn dann willst, weißt du keine Antwort.
    Du liebst mich, du liebst sie. Am liebsten würdest du dich aufhängen, erklärst du theatralisch. Was erwartest du eigentlich (noch) von mir? Daß ich dir einen goldenen Strick kaufe? Mit dem bißchen Haushaltsgeld sicher, daß du mir jeden Monat so großzügig überläßt.


    Du wirfst mir Gefühllosigkeit vor. Weil ich nicht heulend und schreiend um dich kämpfe. Nun gut, ich habe meine Gefühle eingemauert und mein Herz auf Eis gelegt. Reiner Selbsterhaltungstrieb!


    Sie schlägt dir den Schädel ein, wenn du sie verläßt, hat sie gesagt. Du hast es mir selbst voller Stolz erzählt.
    Das muss wahre Liebe sein. Das habe ich nicht in meinem Repertoire. Zu so einer heroischen Tat wäre ich nicht fähig.


    Sicher hast du inzwischen auch schon das Päckchen gesehen.
    Entschuldige das häßliche Herzmotiv, es war kein anderes Geschenkpapier im Haus.
    Hoffentlich gefällt er dir, ich habe ihn in einem Geschäft für Karnevalskleidung gefunden. Echt Gold ist er zwar nicht, nur goldfarben Aber reißfest ist er, das hat mir die Verkäuferin versichert. Ich hoffe, wenigstens der hält - in diesem Fall buchstäblich, was er verspricht.


    Alles Gute
    Lisa

  • Nachhall


    Ihre Welt war seltsam. Sehr seltsam, wie einige ihr immer wieder bestätigten. Verschwommen, nebulös, unstrukturiert, unorganisiert. Komisch, das es immer wieder die Gleichen waren, die ihr das sagten. Doch sie glaubte es nicht.


    In der Vergangenheit wurde Sie oft verletzt. So oft, das sie die Narben auf Ihrer Seele nicht mehr zählen konnte. Doch daran denken, darüber sprechen, das wollte Sie nicht.


    Auch Sie hat oft verletzend gesprochen, teils mit großer Absicht, doch zum größten Teil unabsichtlich und unüberlegt, aber nicht weniger grausam.


    Einen Preis im Ignorieren Ihrer Probleme hatte sie schon lange gewonnen, doch das ignorierte sie ja auch ganz geflissentlich.


    Gutgemeinte Ratschläge und Kritik prallten an Ihr ab, wie Regen, der unablässig auf ein Autodach prasselt.


    Sie träumte den ganzen Tag von einer besseren Zukunft, die sie durch Träume jedoch nie erreichen würde.


    Resigniert drücke ich auf die Löschtaste und sehe wütend zu, wie die Buchstaben, die ein Nachruf werden sollten, wieder vom Bildschirm verschwinden, als hätte es sie nie gegeben. „Wie Sie“ schießt es mir durch den Kopf, während meine Kehle immer enger wird, das Luftholen meine Lunge peinigt und unvergossene Tränen in meinen Augen brennen.


    Stöhnend schließe ich die Lieder, doch das hätte ich besser bleiben lassen. Ich sehe wieder das harte Neonlicht, rieche den stechenden Geruch von Desinfektionsmitteln und das mitleidige Gesicht des jungen Gerichtsmediziners, in das ich so gern den Abdruck meiner Faust hinterlassen hätte, ist so deutlich, das ich seine Pickel zählen kann. Ich spüre, wie sich mein Kopf senkt, ganz, als ob er einen eigenen Willen hat. Nein, hinschauen will ich nicht, doch wie ferngesteuert öffnen sich meine Augen und da liegt Sie. Ihr Körper ist mit einem Tuch bedeckt, so das ich nur Ihr Gesicht sehen kann. Bläulich weiß ist es, reglos und ohne jeden Ausdruck in den so vertrauten, geliebten Zügen.


    Als es an der Tür klingelt, setzt mein Herz vor Schreck mehrere Schläge aus. Während ich zur Sprechanlage gehe und den Summer drücke, kommen Erinnerungsfetzen hoch- wie eine Endlosschleife.


    Die zwei Polizisten vor der Tür, mit betretenen Mienen; das leichte Flackern des Korridorlichtes; die kleinen Pfützen, die ihre vom Regen durchnässten Schuhe auf dem blankgeputzten Boden hinterlassen „ Schwester“...“Verdacht auf Selbsttötung“... „Wodka und Schlaftabletten“ ... „kein Abschiedsbrief gefunden“


    Ich schlucke die aufkommende Übelkeit energisch runter und öffne die Tür in dem Moment, als der Paketbote gerade aus dem Aufzug steigt. Er übergibt mir ein kleines gelbes Paket, das sich seltsam warm und kalt zugleich in meiner Hand anfühlt.


    Froh über die Ablenkung und zugegebenermaßen neugierig, weil ich den Absender nicht entziffern kann, schüttle ich die quietschgelbe Verpackung auf den Weg in die Küche, wie ein Überraschungsei. Es raschelt aber auch sehr vielversprechend.


    Mit einem scharfen Messer mache ich mich über das Klebeband her und im Nu liegt der Inhalt vor mir:


    6 Schachteln Marlboro und ein Blatt Papier, auf dem in großen, schwarzen Lettern steht:


    UND DU SAGTEST IMMER, DAS BRINGT MICH NOCH MAL UM!

  • „Schönen guten Morgen, wo bitte finde ich Herrn Kunze?“
    „Warum? Was wollen Sie denn von Ihm?“


    Die freundliche Dame hatte mich noch keines Blickes gewürdigt, sondern starrte weiterhin unbeeindruckt auf einen giftgrünen Bildschirm, auf dem sie weiße Rechtecke hin- und her schob.


    „Nummer?“
    „An Ihrer Stelle würde ich jetzt Herz 8 auf die Kreuz 9 ziehen!“


    Jetzt traf mich zum ersten mal ihr Blick, der mir eigentlich einen Schauer den Rücken hinunter laufen lassen sollte. Sie versuchte tatsächlich, mir einen bösen Blick zuzuwerfen. Das lachen konnte ich mir bei diesem Anblick wirklich nicht mehr verkneifen.


    „Ihr K-U-N-D-E-N-N-U-M-M-E-R !?“
    „Sie brauchen meine Kundennummer um herauszufinden, wo Herr Kunze sein Büro hat? Verblüffend!“


    Mein Blick fiel auf das riesige Schild über meinem Kopf, auf dem „Information“ zu lesen war.


    „Ah, ich verstehe – Sie sind hier nur die Informationssammelstelle! Dann können Sie mir auch sicherlich nicht verraten, wo ich die InformationsAUSGABE finde?!“
    „Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“
    „Nein, um Himmels Willen, wie kommen Sie denn darauf? Sie könnten mich verklagen wegen tätlichen Angriffs oder sexueller Belästigung. Außerdem habe ich es der Bandscheibe!“ Lautstark fügte ich noch hinzu „Außerdem bin ich verheiratet, ich kann mir nicht vorstellen, das meine Frau begeistert davon wäre, wenn wir beide….“
    „RAUS! Verschwinden Sie hier!“ motzte die Dame mit hochrotem Kopf. „Ich erteile Ihnen hiermit Hausverbot!“
    „Wirklich? Super, heißt das jetzt, ich bekomme keine Einladungen mehr von Ihnen und muß auch nicht mehr zu schwachsinnigen Kursen wie ‚Wie schreibe ich eine Bewerbung am Computer?’ Sie haben mich also vor Zeugen offiziell von meiner Anwesenheitspflicht entbunden? Herzlichen Dank!“
    „Geben Sie mir sofort Namen, ich werde die Angelegenheit sofort Herrn Kunze melden!“
    „Sie wissen also doch, wo er steckt. Dachte ich mir doch, das sie nur an meine Telefonnummer heran wollten. So ein böses Mädchen!“


    Ich drehte mich um, ließ sie einfach zurück. Es machte den Eindruck, als hätte ich noch so etwas wie „Arschloch!“ und „Unverschämtheit“ gehört, aber ich ging einfach weiter zielsicher zu den Aufzügen und drückte die Taste für den zweiten Stock. Wie langweilig wäre doch ein Tag beim Arbeitsamt ohne ein wenig Spaß…

  • Sarkasmus


    Dieses Gespräch habe ich lange hinausgezögert, aber jetzt müssen wir da durch.
    Ich lausche.
    Ganz ehrlich, sie sind anders.
    Anders?
    Ja, ganz anders.
    Sie meinen doch nicht, Tho-mas-an-ders?
    Haha, nein, dazu sind sie zu intelligent.
    Glauben Sie?
    Ich beweise es, wir assoziieren – Erfolg?
    Gastredner!
    Luftgitarre.
    Doc Hollywood.
    Alte Liebesgewohnheit?
    Historikus.
    Huckleberry Finn
    Tom ....
    Passt schon. Mary..
    Rattentod
    Sehen sie, sehen sie, sie sind anders.
    Wieso denn?
    Jeder andere hätte jetzt Stuart, oder Jesus ..
    Die gibt’s da nicht.
    Soso, ich glaube, wir fangen besser noch mal von vorne an, also,
    wer sind sie?
    Ich bin die Eule Marlowe.
    Och bitte, das hatten wir doch schon geklärt.
    Geklärt? Sie behaupten, das wäre eine Scheinwelt, ich nicht!
    Herr .....!
    Eule Marlowe, bitte!
    Letztes Jahr behaupteten sie noch, sie hießen Android.
    Letztes Jahr, das war in einem anderen Leben.
    Ich weiß, da hielten sie sich stunden-, ja tagelang in einem Lokal auf, Literaturcafé hieß das wohl.
    Richtig, aber da haben mich dauernd Trolle gebissen.
    Ja, Trolle haben sie gebissen und dadurch wahrscheinlich mit einer Krankheit infiziert?
    Das sagen sie!
    Das ist doch wohl offensichtlich.
    Ich bin jetzt müde, ich will in mein Nest.
    Na dann, machen wir morgen weiter.


    Haus 18, Zimmer 12, der PC wird angeworfen, ab ins Internet, ins Lieblingsforum, neues Thema erstellen in Plauderecke: War jemand von Euch schon mal in einer geschlossenen Abteilung? Die Antworten kamen zunächst zögerlich, dann aber immer schneller. Ja, alle kannten das, da konnte jeder mitreden. Endlich zu Hause im Eulennest.

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Erst mit dem letzten Menschen stirbt auch die Hoffnung, es sei denn, die Natur hofft, dass der Mensch nie wieder kommt.":chen