Prinz von Baden genannt Kaspar Hauser - Ulrike Leonhardt

  • Klappentext:
    Kaspar Hauser ist seit jenem Pfingstmontag 1828 das skandalumwittertste Findelkind der Neuzeit.
    "Der Fall ist ein echter Krimi, handfest und spannend. Nicht dunkle Mächte waren wohl am Werk, sondern leibhaftige Fürsten. Ueber 150 Jahre haben sich Wissenschaftler und Laien akribisch mit dem Fall beschäftigt. Gegen Vertuschungsversuche mächtiger Fürsten, mit Phantasie und Logik haben schon zu Hausers Lebzeiten Intellektuelle die Hintergründe des Falles auzuklären versucht. Dieses interessante Stück Detektivarbeit, das ein wenig vom aufklärerischen Furor der "Dreyfuss"-Enthüllungen hat, wieder gebührend in Erinnerung gerufen zu haben ist das Verdienst eines neuen gelungenen Buches von Ulrike Leonhardt. " (Der Spiegel)


    Die Autorin:
    Ulrike Leonhardt, geboren 1923 in Velbert, entstammt einer Maler- und Musikerfamilie im Rheinland. Nach dem Studium der Sprachen Deutsch, Französisch und Englisch lehrte sie von 1951 bis 1984 am Gymnasien. PRINZ VON BADEN GENANNT KASPAR HAUSER ist ihr erstes Buch. Dr. Ulrike Leonhardt ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Hamburg.

    Eigene Meinung:

    Dem Kaspar Hauser bin ich im Laufe meines Lebens immer mal wieder irgendwo begegnet, habe die eine und andere Information über ihn aufgeschnappt, aber Genaueres wusste ich dann doch nicht. Ich meinte immer, er wäre ein „ganz normales“ Findelkind gewesen. Dass dahinter eine derart sonderbare, gar skandalöse Geschichte aus dem europäischen Hochadel stecken könnte, eine Art Polit-Krimi sozusagen, dass weiss ich nun, seit ich dieses Buch gelesen habe.


    Kaspar Hauser tauchte im Alter von ca. 16 Jahren in den Strassen Nürnbergs auf. Man vermutete anfangs, dass er geistig behindert wäre, da er sich eigenartig benahm, kaum auf seinen Füssen stehen konnte und keine zusammenhängende Sätze zustande brachte.
    Es stellte sich dann aber bald einmal heraus, dass das so nicht stimmen konnte, denn er lernte auffallend schnell und entwickelte sich geistig innert kurzer Zeit enorm weiter, zumindest in den ersten Monaten.


    Die Kunde über das Auftauchen Kaspar Hausers hat sich sehr rasch über ganz Europa ausgebreitet, und ebenso schnell bildeten sich alle möglichen Theorien, Mutmassungen und Meinungen über seine Herkunft.
    Das Rätselraten hat sich bis heute gehalten, es gibt – wie ich inzwischen ersehen konnte - eine grosse Menge Bücher über ihn, und ich kann mir gut vorstellen, dass in jedem dieser Bücher versucht wird, der „Wahrheit“ etwas näher zu kommen. Jedoch werden die Resultate dieser Wahrheitssuche wohl für immer graue Theorien bleiben.


    Auch Ulrike Leonhard macht sich in ihrem Buch auf die Suche danach, woher dieser Kaspar Hauser kam, sie versucht zu rekonstruieren, wo und wie er die ersten ¾ seines Lebens verbracht haben könnte. Sie durchkämmt sämtliche Akten/Dokumente die ihr zur Verfügung stehen, vor allem gibt es da doch Einiges über das letzte Viertel seines Lebens. Sie liest sich durch sämtliche Bücher und wissenschaftlichen Abhandlungen die über Kaspar Hauser geschrieben wurden, besucht die Orte, an denen er vermutlich versteckt gehalten wurde. Diese Orte kristallisieren sich für die Autorin aber auch erst mit im Laufe der Zeit heraus....
    Sie zeigt Ungenauigkeiten, Widersprüche und mancherlei Eigenartiges auf, was sich um Kaspar Hauser abspielte, seit man ihn aufgefunden hatte, sei es von Seiten der Betreuer, der zuständigen Behörden etc.


    Nachdem ich dieses Buch durchgelesen hatte, war ich praktisch davon überzeugt, dass die Autorin nahezu allen Geheimnissen um Kaspar Hauser auf die Spur gekommen sei....dass sie für bisher Unklares eine Erklärung gefunden hat und somit manche losen Teilstücke zu einem logischen Ganzen zusammenfügen konnte.
    Mir erschienen die Erkenntnisse/die Argumente der Autorin sehr einleuchtend, denn sie hat auf ihrer Suche sehr viele Anhaltspunkte gefunden, die geradezu zwingend darauf hinwiesen, dass es sich bei diesem Kaspar Hauser tatsächlich um den Erbprinzen von Baden handelte.


    Als ich mir dann aber zusätzlich zum Buch noch die Wikipedia-Seite über Kaspar Hauser durchgelesen habe, da war ich mir dann doch nicht mehr ganz soooo sicher. ?(


    Wie immer es auch gewesen sein mag mit diesem Kaspar Hauser: eine faszinierende Geschichte ist es auf jeden Fall und in diesem Buch ganz spannend aufgebaut und erzählt. Die Autorin lässt den Leser teilnehmen an ihrer packenden Spurensuche, ihrer sorgfältigen, sehr seriösen detektivischen Arbeit…..


    In diesem Buch gibt es auch hochinteressantes Bildmaterial: z.B. Zeichnungen von Kaspar Hauser, in denen eigenartige Details zu finden sind, die für die Autorin bei näherer Betrachtung ganz aufschlussreich waren und sie auf ihrer Suche entscheidend weiterbrachten....

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

    Dieser Beitrag wurde bereits 4 Mal editiert, zuletzt von Joan ()

  • ein sehr interessanter fall, fürwahr.
    das letzte, was ich darüber hörte, war, er sei kein prinz, denn man habe eine dna-analyse gemacht. das allerletzte war dann aber wieder, es sei nicht sicher, ob das von seiner wäsche genommene vergleichsmaterial in form von blutspuren eindeutig ihm zuzuordnen sei, es könne auch von jemand anderem stammen. somit sei wieder alles offen.
    auf jeden fall eine traurige geschichte, die, wenn ich mich richtig erinnere, auch von reinhard mey in einem chanson aufgegriffen wurde.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Klingt interessant. Da ich in Ansbach wohne, begegnet man Kaspar Hauser natürlich mal des Öfteren, aber ich habe mich bislang noch nicht näher damit beschäftigt, aber ich wollte das schon immer mal tun, vielleicht wäre dieses Buch ja ein guter Anfang.


    Danke für deine ausführliche Rezi!

  • Guten Morgen maikaefer und feele


    Danke maikaefer für die neuesten Infos über Kaspar Hauser, somit bin ich jetzt grad wieder bestärkt darin, dass es sich halt doch um den Prinz von Baden gehandelt hat, denn die Recherchen von der Ulrike Leonhardt waren aufwändig und akribisch und die Schlussfolgerungen sind wirklich sehr logisch....


    Das mit der DNA-Analyse habe ich auch gelesen bei Wikipedia.


    Ja, dieser Kaspar Hauser beschäftigt heute noch die Gemüter. Es gibt sie immer noch die Pro- und Contra-Ansichten.....


    Dieses Buch kann ich wirklich mit guten Gewissen empfehlen. Es ist ganz spannend geschrieben, in keinster Weise eine staubtrockene Abhandlung.


    :wave

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  • guten morgen, joan!


    möglicherweise ist dann auch folgendes buch interessant für dich.
    es ist allerdings sehr lange her, dass ich es mir mal auslieh und las.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Huhuuuuu maikaefer


    herzliches Dankeschön für Deinen Tipp....das Buch ist ruckizucki auf meiner Wunschliste gelandet. :grin


    In meiner Wohngegend, dem Toggenburg, gab es auch einen solchen Fall: JOHANNES SELUNER nannte man ihn, weil man ihn auf einer Alp unterhalb des Selun (so heisst einer der sieben Berge der Churfisten-Kette) aufgefunden hat.


    Die Autorin Rea Brändle machte sich auf Spurensuche über das Leben des Seluners und hat darüber ein Büchlein geschrieben: JOHANNES SELUNER, FINDLING - EINE RECHERCHE.
    Dieses Büchlein ist mehr oder weniger vergriffen. Die Buchhändlerin aus unserem Dorfbuchladen hat es vor ein paar Monaten für mich bei einem Buchhändler-Kollegen aufgegabelt.

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  • Ich habe den Roman von Jakob Wassermann über Kaspar Hauser gelesen, und finde die Theorien, die da immer wieder in Büchern verarbeitet werden, nach wie vor sehr spannend.
    Mir geht es auch so wie Dir, Joan, wenn die neuen Thesen logisch nachvollziehbar sind, bin ich der Meinung, jetzt ist das Rätsel gelöst. Allerdings habe ich auch schon von den genetischen Untersuchungen gelesen, die wieder ein anderes Bild zeichnen, wie maikäfer schreibt.
    Die Rezension fand ich jedenfalls sehr interessant, weil ich ein Faible für solche Bücher habe, und es erinnert mich an "Die Königsfälschung" von Max Melbo, das sich mit der Identität von König Ludwig XIV. befaßt.