'Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt' - Kapitel 01 - 12

  • Hmmm ...


    Ich will nur mal festhalten, was bisher geschah:


    Hard-boiled Wonderland
    Der Erzähler (er ist von Beruf Codierer/Decodierer) fährt mit dem Aufzug (rauf oder runter?) zu einem Flur, wo ihn eine dickes junges Mädchen begrüßt. Irgendwie klingt in diesen Räumen alles anders, und das Mädchen spricht überhaupt lautlos. Sie führt ihn zu einer Spezialtür.


    Am Ende der Welt
    Der Erzähler (ist es derselbe oder ein anderer?) erzählt von den Einhörnern, deren Fell im Herbst golden wird, und die abends die Stadt verlassen und draußen lagern, um morgens wieder hineinzukommen. Nur der Erzähler bestaunt die draußen lagernden Tiere. Der Wächter hat ihm davon erzählt; der Erzähler bewundert die Werkzeuge des Wächters, zahllose scharfe Äxte, Beile und Messer.


    Hard-boiled Wonderland
    Der Erzähler findet sich in einer Art Büro wieder. Das dicke Mädchen bringt ihm Ölzeug, führt ihn in einen Wandschrank, von dem aus sie ein Loch nach draußen öffnet. Draußen (alles ist relativ ...) soll er einem Bachlauf folgen bis zu einem Wasserfall. Sie gibt ihm noch eine Lampe, ehe er hinausklettert. Der Erzähler klettert eine Leiter hinunter bis er den Bach erreicht, dem er folgt. Es ist stockfinster, links und rechts gehen vereinzelt Wege ab, ansonsten ist das Tal von unerkennbar hohen Felswänden flankiert (:help wo sind wir eigentlich?). Am Ende der "Klamm" kommt ihm ein alter Mann mit einem Licht entgegen. Weil sie sich nicht unterhalten können, nimmt der alte Mann dem Wasserrauschen den Ton, dann führt er den Erzähler durch einen Wasserfall und von da aus in einen Raum wie den, den der Erzähler durch den Wandschrank verlassen hat. Der alte Mann erzählt von seinen Forschungen über die Kontrolle der Laute, zeigt seine Schädelsammlung (in Schädeln seien Töne verschlüsselt, wenn man die erzeugen könnte, könnte man die Lebewesen menipulieren). Er möchte, daß der Erzähler seine Forschungsergebnisse durch eine besondere Codierungsmethode vor unbefugtem Zugriff schützen soll (warum lassen sie die Unterlagen eigentlich einfach rumliegen?). Der Erzähler erläutert den ersten Schritt der Codierung -- das "Waschen" --, und macht sich an die Arbeit, den zweiten Schritt -- das "Shuffeln" -- will er später zuhause erledigen.


    Am Ende der Welt
    Der Erzähler sucht die Bibliothek im Herzen der Stadt; der Wächter hat ihn gerade durch Messerstiche in beide Augen zum "Traumleser" gemacht -- er soll "alte Träume" lesen. In der Bibliothek (am Nordplatz im Zentrum, Nähe Uhrturm -- kommt mir vor wie Kafkas Schloß!) trifft er die Bibliothekarin, mit der er für den nächsten Tag einen Termin vereinbart. Auf dem Rückweg bemerkt er, daß die Stadt vollkommen still ist, nur der Fluß rauscht.


    Hard-boiled Wonderland
    Der Erzähler "wäscht" die Daten; in den Pausen sinniert er über die Qualität von Sofas und über die Bedeutung der Forschungen des Alten. Als dieser mit Sandwiches (Murakamis immer wieder auftauchende Gurkensandwiches durften nicht fehlen!) wieder auftaucht, unterhält er sich mit ihm über das dicke Mädchen (natürlich geht's auch um den Geschlechtstrieb und Sex), dessen Enkelin, und die Erfindung und ihre Bedeutung. Der Erzähler kehrt durch die Klamm zurück, plaudert auf dem Weg zum Aufzug mit dem Mädchen (und auch hier geht 's wieder um den Geschlechtstrieb und Sex).


    Am Ende der Welt
    Der Erzähler soll die "alten Träume" in der Bibliothek aus (Tier)Schädeln "lesen" (wie macht er das eigentlich???). Dann unterhält er sich mit der Bibliothekarin über die Seele. Er erinnert sich daran, wie ihm der Wächter bei seiner Ankunft am Tor der Stadt den Schatten abgeschnitten hat, weil in der Stadt niemand einen Schatten haben darf. Er begleitet die Bibliothekarin nach Hause.


    (Fortsetzung folgt)

  • Hallo,


    Zitat

    Dann unterhält er sich mit der Bibliothekarin über die Seele. Er erinnert sich daran, wie ihm der Wächter bei seiner Ankunft am Tor der Stadt den Schatten abgeschnitten hat, weil in der Stadt niemand einen Schatten haben darf.


    Ich überleg grad, ob die Sache mit dem Schatten eine Anspielung auf Jung sein soll, “Der Schatten” gehört nämlich zu Jungs Archetypen, aber so einfach kann das doch nicht sein, oder?


    Jungs wichtigste Archetypen sind:


    1. Persona: unsere Selbstdarstellung, das was wir anderen zeigen
    2. Anima – Animus: Anima ist die weibliche Komponente in der männlichen Psyche und Animus die männliche Komponente in der weiblichen Psyche, d.h. es sind die geschlechtlichen Seelenbilder
    3. Das Selbst: Streben nach Einheit, Teil des Seelischen, das zu harmonisieren versucht
    4. Der Schatten: steht für den dunklen und tiefsten Teil der Psyche, symbolisch in der Welt als Teufel, Monster oder böser Geist, enthält alles, was bei Freud dem ES zugeordnet ist.


    Nee, oder?


    Lg Iris

  • So, ich hab grad mal das 12. Kapitel fertiggelesen und frag mich, welche Zusammenhänge es zwischen den beiden "Ebenen" (ich weiß keine passendere Bezeichnung bis jetzt) es wohl gibt..


    Ich fass mal zusammen, was mir so aufgefallen ist:
    1) die Schädel/das Einhorn: ob der Traumleser wohl den Schädel lesen muss, der er vom Doktor in Hard-boiled Wonderland geschenkt bekommen hat? Ich geh mal fest davon aus, dass der Traumlesen und der Kalkulator ein und dieselbe Persn sind.
    2) die Bibliothekarin: in Hard-boiled W. fängt er mit er ein Verhältnis an (d.h., es klappt nicht ganz, aber Versuch zählt jetzt mal auch..), und auch am Ende d.W. verstehen sich die beiden immer besser, unternehmen gemeinsam was..
    3) das Böse: in H.b.W. sind es die Semioten, am Ende der Welt ??? der See ist zumindest irgendwie mit etwas "Dunklem" behaftet. Gibts es da auch irgendeinen Vergleich, eine Verbindung??? *grübel..*


    Das Shuffling kapier ich bis jetzt überhaupt nicht. Aber witzig: sein Codewort ist "Das Ende der Welt". Vielleicht gelangt er bei einem mißlungenen Shuffling-Versuch dorthin? Und da sein Gehirn davon für immer Schaden nimmt, muss er bis ans Ende der Welt dortbleiben (darauf wird er ja immer wieder hingewiesen).


    Mit diesen wüsten Überlegungen verabschiede ich mich mal grübelnd ins Wochenende.

  • Hallo Iris,


    Zitat

    Der Erzähler klettert eine Leiter hinunter bis er den Bach erreicht, dem er folgt. Es ist stockfinster, links und rechts gehen vereinzelt Wege ab, ansonsten ist das Tal von unerkennbar hohen Felswänden flankiert (wo sind wir eigentlich? :help ).


    Beim Lesen Deiner Zusammenfassung ist mir aufgefallen, dass wir das Buch unterschiedlich wahrnehmen, was irgendwie interessant ist, weil Du auf andere Dinge achtest als ich. Zum Beispiel über dieses Tal hab ich mir kaum Gedanken gemacht, ob das nun völlig absurd ist oder nicht. Vielleicht auch, weil ich gerade Tad Williams „Otherland“ gelesen hatte, wo man nie weiß, ob sich etwas im Real Life abspielt oder nur in der Virtual Reality. Meine spontane Assoziation war ein Buchtitel von Paul Watzlawick „Die erfundene Wirklichkeit – wie wissen wir, was wir zu wissen glauben?“ Als ich den Teil mit dem Tal gelesen hab, hab ich irgendwie beschlossen, dass ich da erstmal gar nicht groß drüber nachdenken werde, weil wer weiß, vielleicht spielt sich das alles eh nur in seinem Kopf ab.


    Das Buch von Watzlawick handelt von der Frage nach der Wirklichkeit und wie wir sie 'konstruieren'. Ehrlich gesagt, hab ich große Teile des Buches nicht verstanden als ich es damals gelesen habe. Vielleicht sollte ich es jetzt noch mal versuchen, aber wenn ich mal so durchblättere, bezweifle ich, dass ich es jetzt besser verstehen werde. Der Klappentext beschreibt aber eigentlich schon ganz gut, was ich meine:


    „Von der Wirklichkeit nimmt der gesunde Menschenverstand an, dass sie gefunden werden kann. Eine erfundene Wirklichkeit dagegen könne - eben weil erfunden - niemals die wahre Wirklichkeit sein. Im Gegensatz dazu handelt der so genannte Konstruktivismus von der Einsicht, dass jede Wirklichkeit im unmittelbaren Sinn die Konstruktion derer ist, die diese Wirklichkeit zu entdecken und zu erforschen wähnen. Sie erfinden sie, ohne sich des Aktes der Erfindung bewusst zu sein. In diesem Buch legen neun namhafte Forscher dar, wie wissenschaftliche, gesellschaftliche und individuelle Wirklichkeiten geschaffen werden.“


    "Der Konstruktivismus erschafft oder 'erklärt' keine Wirklichkeit 'da draußen', sondern enthüllt, dass es kein Innen und Außen gibt, keine Welt der dem Subjekt gegenüberstehenden Subjekte." (Paul Watzlawick)


    lg Iris

  • Zitat

    Original von Delfin
    "Der Konstruktivismus erschafft oder 'erklärt' keine Wirklichkeit 'da draußen', sondern enthüllt, dass es kein Innen und Außen gibt, keine Welt der dem Subjekt gegenüberstehenden Subjekte." (Paul Watzlawick)


    Jajaja, ich weiß, das halten die ernsthaft für ihre große Entdeckung -- dabei steht das schon bei Parmenides, Platon und Aristoteles diskutieren diese Probleme, die Scholastiker schlagen sich deshalb im Universalienstreit die Köpfe ein, Descartes manderlt sich zum großen Retter auf, Spinoza verhedderte sich im "Innen", Kant verwirrt seine Leser mit barocken Satzgetümen, Hegel mit Zirkelschlüssen ...
    Ein verdammt alter Hut!


    In Marburg schart sich eine ganze Gemeinde von Konstruktivisten und Kulturalisten um die beiden philosophischen Lehrstühle und glaubt, sie hätten da eine große Umwälzung des Denkens vollbracht ...

  • Hallo Azrael,


    Zitat

    3) das Böse: in H.b.W. sind es die Semioten, am Ende der Welt ??? der See ist zumindest irgendwie mit etwas "Dunklem" behaftet. Gibts es da auch irgendeinen Vergleich, eine Verbindung??? *grübel..*


    Ich glaub nicht, dass die Semioten das Böse sind. Ich glaub eher, dass das System und die Fabrik zwei Seiten derselben Medaille sind, also dass die irgendwie untrennbar sind. Es gibt eine Seite, die Daten verschlüsselt und eine, die die Codes knackt. Ohne das eine würde es das andere nicht geben. Man kann nicht genau sagen, wer gut und wer böse ist. So wie verschiedene Anteile an der Persönlichkeit ihre Bedeutung haben, auch die dunklen oder so, wie es keine guten oder schlechten Gefühle gibt, auch wenn man häufig bestimmte Gefühle nicht zulassen will. Ich frag mich grad, ob es vielleicht um die Integration verschiedener Persönlichkeitsanteile geht, also ums „Wieder ganz werden“. :gruebel


    Bei dem See denk ich irgendwie, dass das der Weg zum Unterbewusstsein ist. Da wird ja irgendetwas unwiederbringlich in die Tiefe gezogen…


    Lg Iris

  • Hallo Iris,


    Zitat

    Ein verdammt alter Hut!


    Ich sag ja auch nicht, dass das meine Meinung ist, sondern nur meine Assoziation. Das tiefenpsychologische Zeugs halte ich auch nicht unbedingt immer für das Gelbe vom Ei, auch wenn ich es hier erwähne. :lache


    lg Iris

  • Zitat

    Original von Delfin
    Ich sag ja auch nicht, dass das meine Meinung ist, sondern nur meine Assoziation. Das tiefenpsychologische Zeugs glaub ich ja grösstenteils auch nicht, auch wenn ich es hier schreibe. :lache


    Der "alte Hut" war auch gar nicht für deinen Kopf bestimmt, sondern für die Herren Konstruktivisten und Kulturalisten, die btw so tun, als würden sie "Äußeres/Reales" objektiv behandeln, während sie ständig nur mit inneren Konstrukten zu tun haben, also aus dem labyrinthischen Käfig ihres Hirns gar nicht mehr herausfinden! :lache
    Ich war einige Jahre in Marburg (Edit: auf der Uni) und durfte mich mit dieser philosophischen Schule auseinandersetzen -- meine obige Reaktion ist im Grunde ein Pawlow'scher Reflex auf das Wortfeld "konstruktivistisch/Konstruktivismus" ...


    Nicht böse sein! :anbet


    (Ich habe sowieso das Gefühl, daß Murakami diese ganzen tiefenpsychologischen Sachen benutzt und dabei mit voller Absicht ad absurdum führt ... )

  • Zitat

    Der "alte Hut" war auch gar nicht für deinen Kopf bestimmt


    Dann muss ich mir ja auch keine Gedanken machen, dass ich von dem Watzlawick-Buch kaum etwas verstanden hab. :lache


    Zitat

    Nicht böse sein!


    Ach was, bin ich eh nicht. :knuddel1


    lg Iris

  • Zitat

    Original von Delfin
    Dann muss ich mir ja auch keine Gedanken machen, dass ich von dem Watzlawick-Buch kaum etwas verstanden hab. :lache


    Nee! Ich habe ohnehin den Eindruck, Kant, Hegel und Leute wie Watzlawick haben eine Gemeinsamkeit: Sie wirken unheimlich bedeutsam, weil sie einfache Sachverhalte extrem kompliziert darstellen ... :lache

  • Obwohl, "Anleitung zum Unglücklichsein" find ich ja immer noch genial. :lache


    Ich bin irgendwie schon zu weit im Buch. Ich hab bis jetzt immer gleich rausgeplappert, was ich mir beim Lesen so denke, aber das ist jetzt ja blöd, wenn ich zu den vorderen Kapiteln etwas sage, was in den hinteren schon aufgeklärt worden ist und in den anderen beiden Threads einen Monolog fuehren, macht irgendwie auch keinen Spass.


    Vielleicht sollte ich erstmal "Die Schwerter des Tiberius" dazwischen schieben, der ja gestern pünktlich bei mir eingetroffen ist. (einer ist platt, zwei leben noch :lache )


    lg Iris

  • Zitat

    Original von Delfin
    Ich bin irgendwie schon zu weit im Buch. Ich hab bis jetzt immer gleich rausgeplappert, was ich mir beim Lesen so denke, aber das ist jetzt ja blöd, wenn ich zu den vorderen Kapiteln etwas sage, was in den hinteren schon aufgeklärt worden ist und in den anderen beiden Threads einen Monolog fuehren, macht irgendwie auch keinen Spass.


    Keine Panik, wir kommen schon nach!

    Zitat

    Vielleicht sollte ich erstmal "Die Schwerter des Tiberius" dazwischen schieben, der ja gestern pünktlich bei mir eingetroffen ist. (einer ist platt, zwei leben noch :lache )


    :fetch


    Okay, dann eben nochmal:



    Und nochmal:



    Jetzt sei du nochmal gehässig!

  • Ich muß ja sagen, daß mich die Übersetzung "Kalkulator" ziemlich stört. Würde mich interessieren, ob im Original ein Wort verwendet wird, das auch diese Bedeutung hat. Schließlich ist ein Kalkulator bei uns eine klare Berufsbezeichnung und glücklicherweise machen diese Leute ganz was anderes als unser "Held" :grin Für mich ist er einfach ein Codierer oder Chiffrierer.


    @ Delfin,


    den Gedanken, daß die Karte das Gehirn darstellt hatte ich zwar sehr schnell, aber Deine Detailüberlegungen sind ja klasse! :anbet



    So jetzt will ich mal ein bißchen Theorien aufstellen:


    Auf jeden Fall denke ich, daß das Ende der Welt nicht real existiert sondern aufgrund eines Ereignisses im Hard-boiled Wonderland (das wohl erst irgendwann gegen Ende des Buchs zu erfahren ist) ein Rückzug in sein Gehirn erfolgt. In seinem Gehirn können dann auch die zwei Teile seiner Persönlichkeit (er und sein Schatten) getrennte Erlebenswelten haben.


    A propos Schatten: Dieses Motiv ist mir auch schon mal bei Philip Pullman in "His dark materials" begegnet - er hat diese Trilogie aber nach Murakami geschrieben...


    Die Personen, die ihm am Ende der Welt (in seinem Gehirn begegnen) sind letztlich die gleichen wie im realen Leben. Allerdings denke ich, daß die Bibliothekarin am Ende der Welt eher dem dicken Mädchen der realen Welt entspricht. Das Traumlesen ist der Versuch zu sich selbst zu finden.




    Den Ich-Erzähler empfinde ich als sehr amerikanisiert (abgesehen von den englischen Gurkensandwiches :grin). Aber vielleicht geht das nur mir so... Die Frauendarstellungen finde ich übrigens furchtbar, aber sie passen natürlich zu der geistigen Haltung des Ich-Erzählers bezüglich Sex und Geschlechtstrieb.



    Insgesamt finde ich das Buch zwar als interessant, aber irgendwie nicht als spannend.


    Bye
    Pelican :wave

  • Vielleicht macht Murakami sich mit diesem Gerede von Sex und Penisse auch nur über Freud lustig, wie Iris schon schrieb. Freud war ja schon ein wenig fixiert auf solche Dinge. Ich glaub auch, unser Held hat ganz gewaltige Kastrationsangst. :lache


    Ich zitier mal aus Freud (1900):


    „Alle in die Länge reichenden Objekte, Stöcke, Baumstämme, Schirme (des der Erektion vergleichbaren Aufspannens wegen!), alle länglichen und scharfen Waffen: Messer, Dolche, Piken, wollen das männliche Glied vertreten […]
    Dosen, Schachteln, Kästen, Schränke, Öfen entsprechen dem Frauenleib, aber auch Höhlen, Schiffe und alle Arten von Gefäßen. Zimmer im Traume sind zumeist Frauenzimmer, die Schilderung ihrer verschiedenen Eingänge und Ausgänge macht diese Auslegung nicht gerade irre.[…] Der Traum, durch eine Flucht von Zimmern zu gehen, ist ein Bordell- oder Haremstraum[…]
    Alle komplizierten Maschinerien und Apparate der Träume sind mit großer Wahrscheinlichkeit Genitalien – in der Regel männliche – ganz unverkennbar ist auch, dass alle Waffen und Werkzeuge zu Symbolen des männlichen Gliedes verwendet werden: Pflug, Hammer, Flinte, Revolver, Dolch, Säbel usw.“



    lg Iris


    PS: Ich hab natürlich doch noch weitergelesen. Es wird grad richtig spannend...

  • Ich bin inzwischen zwar schon viel weiter, kapiere aber immer weniger. Das ist wirklich ein verdammt "hartgesottenes Wunderland" ... :lache


    Ich rekapitulier nochmal, damit ich nicht den Faden verliere, wenn ich nach Verbindungen zwischen den Welten suche:


    7 - Hard-boiled Wonderland
    Der Erzähler kommt nachhause und erholt sich vom "Waschen". Das Geschenk des Professors aus Kap. 5 (hab ich vergessen) entpuppt sich als Tierschädel; der Erzähler wendet sich an die Bibliothek, um herauszufinden, von welchem Tier der Schädel stammt -- von einem Einhorn (aha -- aber was soll das hier? :wow). Er bestellt Bücher über Einhörner zu sich nach Hause.


    8 - Das Ende der Welt
    Der Erzähler unterhält sich mit dem Oberst über das Schicksal seines Schatten. Er rekapituliert die geschichte des Beamtenviertels, wo er wohnt.


    9 - Hard-boiled Wonderland
    Die Bibliothekatin bringt Bücher, ißt ihm den Kühlschrank leer und geht mit ihm ins Bett, aber es klappt nicht recht. Unterhaltung über Einhörner und darüber, daß in Rußland einmal ein Einhornschäfel gefunden worden sei, der seit dem Krieg verschollen ist.


    10 - Das Ende der Welt
    Der Erzähler besucht seinen Schatten, der ihn um eine Karte der Stadt bittet. Spaziergang mit dem Wächter, Unterhaltung über die Mauer. Der Wächter sagt, der Erzähler sei in die Stadt gelangt, weil er der Welt den Rücken gekehrt habe, und er käme nicht mehr hinaus. Spätherbst.


    11 - Hard-boiled Wonderland
    Shuffling (das Paßwort lautet: "Das Ende der Welt"! :wow).


    12 - Das Ende der Welt
    Der Erzähler wandert durch die Stadt, um sich für die Karte zu orientieren. Er liest "alte Träume" und unterhält sich mit der Bibliothekarin. Sie spazieren gemeinsam zum See, in den der Fluß mündet und dessen Wasser im Untergrund versickert; der See gilt wegen seiner Sogströmungen als gefährlich, und er wirkt wie ein atmendes Lebewesen.



    Aber ich find 's sehr spannend, weil es so viele Rätsel aufgibt und wie selbstverständlich erzählt ist. Wieder mal eine Geschichte, wo der Leser ohne große Erklärungen mit der Welt des Protagonisten konfrontiert wird -- ich liebe das!


    Iris, was Freud und all das angeht, denke ich immer noch, daß Murakami mit all diesen Vorstellungen samt der shintoistischen Seelenvorstellung jongliert. Irgendwie sind auch meiner Ansicht nach alle empirischen Auffassungen über die Seele am Ende zutiefst nihilistisch -- wie Demokrit, Epikur und Lukrez, die lehren, daß mit dem Tod die Seele vernichtet wird.
    Irgendwie fließt dieses Vergänglichkeitsmotiv in die (auch typisch japanische!) Jahreszeitensymbolik hinein (Herbst -> Alter, Winter -> Tod).

  • Zitat

    Original von Delfin
    Und was ist, wenn die Seele vernichtet wird ohne Tod? :gruebel


    Gute Frage.
    Nach anderen Traditionen ist die Seele ja "todlos" (athánatos), dürchläuft aber den Prozeß des Sterbens als den der Lösung von einem ("todhaftigen") Körper. Sie kann bis ins "Mark" verdorben werden, aber nicht "getötet".


    Bei all diesen Vorstellungen ist die Seele Trägerin der kognitiven und emotionalen Gaben - vielmehr von deren fundamentalen Grundlagen (das Gedächtnis z.B. ist an den Körper gebunden und vergänglich).


    Eine bis ins Mark verdorbene Seele erlebt in ihrer Inkarnation oder Inkarnationen (der Platonismus geht ja von einer schier endlosen Reihe von Inkarnationen aus -- er hat es übrigens nicht aus Indien!) sozusagen die "Hölle auf Erden" und verursacht selbige auch durch ihr Handeln mit.


    Kommt noch hinzu, daß wir es hier mit einer hochkomplexen Auffassung zu tun haben, die sich in 3, 4 Sätzen einfach nicht angemessen wiedergeben läßt. :cry