Fragen an Tereza Vanek

  • Hallo Tereza :wave


    Mich würde sehr interessieren, wie du auf das Hamburger Chinesenviertel als Schauplatz deiner Geschichte gekommen bist. Tatsächlich dürfte selbst den meisten Hamburgern die Existenz dieser kleinen Enklave um die Schmuckstraße zu Beginn des letzten Jahrhunderts unbekannt sein. Ich finde es großartig, dass du dich in deinem Roman dieser seltsamen, untergegangenen Welt annimmst. :-)


    Kennst du St. Pauli aus eigener Anschauung? In deiner Biographie habe ich keine Hinweise auf Hamburg gefunden, aber die Beschreibungen im Text sind anschaulich und zutreffend. Hast du vielleicht irgendwo Fotos der Schmuckstraße zu jener Zeit gefunden? Ich vermute, dass der kleine Park an der Nordseite vor dem Krieg bebaut war, habe aber keine Belege dafür.


    Ach ja, noch eine Kleinigkeit am Rande: Hast du den Name Mai Ling willkürlich gewählt oder spielt er eventuell auf Mee-Ling / Suzie Wong an? Nur ein spontaner Gedanke... :gruebel

  • Hallo,


    also es war so: ich hatte die Grundidee zu dieser Geschichte, als ich über die chinesischen Prostituierten in San Francisco im 19. Jahrhundert las. Aber dieser Schauplatz war mir zu fremd, ich wollte die Geschichte lieber nach Europa verlegen. So suchte ich im Internet, wo und ab wann es auf unserem Kontinent die ersten Chinatowns gab und stieß auf Hamburg. Damit war der Groschen gefallen. Ich bin ein riesiger Fan der 20-er Jahre.


    Es gibt ein sehr gut recherchiertes Sachbuch zu dem Thema, das ich im Nachwort erwähne. Ansonsten habe ich nach alten Postkarten, Reiseführern etc. gesucht und in ebay einen Hamburger Stadtplan von 1930 ersteigert, mit dem ich dann durchs moderne Hamburg irrte. Das war im August 2008, zur absoluten Hitzewelle. Ich lief mir ein paar Tage lang auf den Spuren meiner Protas in Sankt Pauli die Füße wund. Aber ich war angenehm überrascht, denn ich hatte eher mit einem schmuddeligen Rotlichtviertel gerechnet. Man machte hier in München Witze, warum ich da denn allein hinfahre. Doch das Rotlichviertel ist ja nur unten in Hafennähe und ansonsten ist das eine nette Gegend mit vielen Cafés, Keipen und kuriosen Geschäften, ganz mein Geschmack. :-)


    Hier ist übrigens ein Artikel zu dem Chinesenviertel: http://einestages.spiegel.de/s…um_und_pils_vom_fass.html


    Ich habe kein Foto von der Schmuckstraße insgesamt gefunden. Es gibt ein Bild von einem chiesischen Kellerlokal aus der Zeit, aber da sieht man nur Stufen und das Schild. Ich vermute aber auch, dass die kleine Grünanlage damals nicht da war und die Straße auf beiden Seiten bebaut war. Sie wird von Zeitgenossen als eng und dunkel beschrieben.


    Mai Ling ist ein sehr geläufiger chinesischer Frauenname. Ich habe ihn spontan gewählt, weil ich finde, dass es schön klingt. Dass Suzie Wong auch so hieß, wusste ich garnicht.


    Viele Grüße


    Tereza

  • Ich bin jetzt erst mit dem ersten Abschnitt fertig- aber liegt das am Verlag, dass das Buch nicht bei den "normalen" historischen romanen liegt? Bisher habe ich an Sexualität noch nichts gelesen, das nicht in jedem anderen Buch vorkommen könnte, warum also in der Ecke erotische Literatur Unrerregal Bücher für Schwule und Lesben?

  • Zitat

    Original von beowulf
    Bisher habe ich an Sexualität noch nichts gelesen, das nicht in jedem anderen Buch vorkommen könnte, warum also in der Ecke erotische Literatur Unrerregal Bücher für Schwule und Lesben?


    Echt, da stand es? :pille Interessant, mir war garnicht bewusst, dass ich einen erotischen Roman geschrieben habe. :lache


    Der Verlag veröffentlicht feministisch orientierte Fachliteratur und Lesbenromane, also Romane, in denen es um eine Liebesbeziehung zwischen zwei Frauen geht. Das können Thriller, Beziehungskomödien oder eben auch historische Romane sein. Besonders viel Sex ist da meist nicht drin, ich glaube, Ulrike Helmer will nicht, dass ihr Verlag den Ruf abkriegt, Erotica zu verkaufen.


    Aber wegen der sexuellen Orientierung der Hauptfiguren landen diese Bücher in Buchhandlungen eben in einschlägigen Regalen. Ich finde es ja auch nicht toll.


    Viele Grüße


    Tereza

  • Zitat

    Original von Tereza
    Mai Ling ist ein sehr geläufiger chinesischer Frauenname. Ich habe ihn spontan gewählt, weil ich finde, dass es schön klingt. Dass Suzie Wong auch so hieß, wusste ich garnicht.


    Ich hatte ehrlich gesagt Anfangs ein wenig Schwierigkeiten mit dem Namen, weil ich lange Jahre in der Maillingerstraße gearbeitet habe und wir es gerne als Mai Ling veralbert haben ;-)

    :lesendCharlotte Roth - Grandhotel Odessa


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Zitat

    Original von Nachtgedanken
    Ich hatte ehrlich gesagt Anfangs ein wenig Schwierigkeiten mit dem Namen, weil ich lange Jahre in der Maillingerstraße gearbeitet habe und wir es gerne als Mai Ling veralbert haben ;-)


    Oh, da bin ich garnicht drauf gekommen, obwohl ich ja auch die einschlägige Münchner U-Bahnstrecke benutzte. :lache


    Mai Ling sollte ursprünglich Mailing geschrieben werden. Die Sinologin, die die China-Passagen für mich Korrektur las, meinte, das wäre die korrekte Transskription nach Pinyin. Aber die Lektorin protestierte: das klingt wie eine Postsendung! Schon tückisch, diese chinesischen Namen. :-]


    Tereza

  • Zitat

    Original von Tereza
    Mai Ling sollte ursprünglich Mailing geschrieben werden. Die Sinologin, die die China-Passagen für mich Korrektur las, meinte, das wäre die korrekte Transskription nach Pinyin. Aber die Lektorin protestierte: das klingt wie eine Postsendung! Schon tückisch, diese chinesischen Namen. :-]


    Tereza


    Die Welt ist übrigens klein, ich sitze bei Deiner Sinologin gerade im Chinesischkurs :-)

    :lesendCharlotte Roth - Grandhotel Odessa


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  • nein, es ist ein Chinesisch-Intensiv-Kurs der VHS. Quasi als Vorbereitung für meinen Taiwan-Aufenthalt. Ich muss mich leider auch gleich wieder den Hausaufgaben zuwenden, aber der Kurs macht wahnsinnigen Spaß, weil Moni unglaublich viel weiß und den Unterricht sehr interessant gestaltet. Und ja, wir haben uns über das Buch unterhalten ;-)


    Apropos nächstes Buch, im August erscheint ja wieder eins von Dir. Der Sprung ins England des 12. Jahrhunderts ist ja ein gewaltiger und von der Libussa zu Mai Ling ist es ja auch ein ganz schöner Weg gewesen. Suchst Du die Abwechslung, oder wie bist Du auf diese so unterschiedlichen themen gekommen?

    :lesendCharlotte Roth - Grandhotel Odessa


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  • Zitat

    Original von Nachtgedanken


    Apropos nächstes Buch, im August erscheint ja wieder eins von Dir. Der Sprung ins England des 12. Jahrhunderts ist ja ein gewaltiger und von der Libussa zu Mai Ling ist es ja auch ein ganz schöner Weg gewesen. Suchst Du die Abwechslung, oder wie bist Du auf diese so unterschiedlichen themen gekommen?


    Liegt Aquitanien nicht in Frankreich? :gruebel Nicht, dass es den Sprung kleiner machen würde. :grin


    @ Tereza: Ich finde deine thematischen und zeitlichen Sprünge zwischen den Büchern übrigens auch bewundernswert. Toll, dass du bei den Verlagen damit durchkommst :anbet

  • Zitat

    Original von harimau


    Liegt Aquitanien nicht in Frankreich? :gruebel Nicht, dass es den Sprung kleiner machen würde. :grin


    @ Tereza: Ich finde deine thematischen und zeitlichen Sprünge zwischen den Büchern übrigens auch bewundernswert. Toll, dass du bei den Verlagen damit durchkommst :anbet


    Aquitanien liegt selbstverständlich in Frankreich, aber die gute Eleonore war ja auch Königin von England ;-)


    kurzbeschreibung:
    Liebe und Intrigen am Hof der Königin Eleonore von Aquitanien
    Mitte des 12. Jahrhunderts, nahe Paris: Die junge Marie wächst in einfachen Verhältnissen auf. Kurz nach dem Tod ihres trinkfreudigen Vaters erhält sie die Nachricht, sie sei die illegitime Tochter von Geoffrey VI, dem Bruder des englischen Königs Henri II, und wird nach England an den Hof gebracht. Es fällt ihr schwer, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden, und um ihre Einsamkeit zu vertreiben, beginnt Marie schließlich, heimlich zu dichten. Als Königin Eleonore von Maries Gedichten erfährt, wird diese bald zu einer ihrer Lieblingsdamen. Aber Marie zieht nicht nur Bewunderung, sondern auch viel Neid auf sich ...


    Das spannende Leben der Marie de France, der ersten Dichterin der französischen Literatur.

    :lesendCharlotte Roth - Grandhotel Odessa


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  • Zitat

    Original von harimau
    Here you go - da sieht man mal wieder, was ich alles nicht weiß. :lache Aber England ist doch schon diese Insel jenseits der Nordsee, oder? :gruebel


    Ein Teil davon, ja ;-)
    Die Eleonore war eine starke Frau, Königin von Frankreich, war auf Kreuzzug und hat nach der Annullierung ihrer Ehe den zukünftigen König von England geheiratet.

    :lesendCharlotte Roth - Grandhotel Odessa


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Zitat

    Original von Nachtgedanken
    Apropos nächstes Buch, im August erscheint ja wieder eins von Dir. Der Sprung ins England des 12. Jahrhunderts ist ja ein gewaltiger und von der Libussa zu Mai Ling ist es ja auch ein ganz schöner Weg gewesen. Suchst Du die Abwechslung, oder wie bist Du auf diese so unterschiedlichen themen gekommen?


    Ich bin nicht auf eine Zeit festgelegt, in dem Sinne, dass ich eine Epoche bevorzuge. Mich interessieren einfach bestimmte Themen und Konflikte, die meistens etwas mit den Rechten der Frau und dem Aufeinanderprallen verschiedener Kulturen zu tun haben. So stoße ich recht zufällig auf meine Romanideen. Die Libussa-Sage kannte ich aus meiner Kindheit. In der Dichterin von Aquitanien geht es um Marie de France, deren Liebesgeschichten mir im Studium sehr gefallen haben, obwohl ich sonst kein großer Fan mittelalterlicher Literatur war.


    Längerfristig will ich mich aber doch langsam auf bestimmte Epochen festlegen, einfach, weil das Recherchieren sonst immer ein immenser Arbeitsaufwand ist, wenn man immer wieder bei Null anfängt. Andererseits ist aber wieder wahnsinnig interessant, so neue Welten kennen zu lernen.


    Viele Grüße


    Tereza


  • Herrlich, ich lag grad beim Lesen vor Lachen am Boden :rofl :chen :rofl
    Ab sofort werde ich die U-Bahnhaltestelle Maillinger Str. mit anderen Augen sehen :lache

    to handle yourself, use your head, to handle others, use your heart
    SUB 15
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    :kuh:lesend