Meister der Wünsche - Ali Sethi

  • Taschenbuch mit 500 Seiten
    Verlag: dtv (März 2010)
    Sprache: Deutsch
    Originaltitel: The Wish Maker



    Kurzbeschreibung
    Zaki Shirazi wächst in Pakistan auf und verliert schon vor seiner Geburt den Vater durch einen Flugzeugabsturz. Mit seiner Cousine Samar Api verbindet ihn Vieles von Kindesbeinen an. Mit nur wenig Altersunterschied erleben die beiden Schulleben und Freundschaften, Krisen und Freude gemeinsam. Und obwohl sie in einem Land aufwachsen, das ihnen nicht viele Möglichkeiten bietet, und einer Familie, die zwar zu den besser situierten gehört, sich aber beileibe nicht alles leisten kann, verlieren sie die Fähigkeit, an Träumen festzuhalten und für das einzustehen, was ihnen wichtig ist. Nach einigen Jahren der Trennung sehen sich Zaki und Samar Api auf Samars Hochzeit wieder. Diese Gelegenheit nutzt Zaki, um sich mit ihrer gemeinsamen Vergangenheit auseinander zu setzen.



    Zum Autor
    1984 in Lahore geboren und aufgewachsen, entstammt Ali Sethi einem säkularen und äußerst exponierten Elternhaus: Der Familie der Mutter gehört ein angesehenes kritisches Wochen-Magazin, ›The Friday Times‹ (vergleichbar dem SPIEGEL), in dem beide Eltern tätig sind, Sethis Vater als Chefredakteur. Ali Sethi studierte bis 2006 in Harvard/USA South Asian Studies und Englische Literatur. Heute lebt er wieder in Lahore. Die Familie erhielt Todesdrohungen aus fundamentalistischen Kreisen, der Vater wurde mehrfach verhaftet und gefoltert, das Haus ist von amerikanischen und pakistanischen Sicherheitskräften umstellt. ›Meister der Wünsche‹ ist Ali Sethis erster, bereits im Vorfeld hoch gelobter Roman.



    Meine Meinung
    Die Behandlung der Themen ist facettenreich, da nicht nur Zaki, sondern seine komplette Familie im Mittelpunkt des Romans steht. Über ihn erfährt letztlich am meisten, aber auch sein Cousins, Samar Api, die Mutter, Tanten und Onkels finden ausreichend Raum. Durch die unterschiedlichen Zeitebenen entstehen vor allem drei Bilder: Pakistan zu der Zeit, als Zakis Mutter jung ist, Pakistan zu Zakis eigener Kindheit und das gleiche Land nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001. Die Rolle der Frau im Wandel, Kindererziehung und Freiheiten der Schützlinge finden genauso Raum wie die politische Lage – diese zum Glück nur am Rande, so dass sie nicht, wie es bei vielen anderen ähnlichen Romanen der Fall ist, den meisten Raum einnimmt.


    Was den Zugang zum Roman erschwert, sind die Zeitsprünge. Leider geht Zaki bei seiner Aufarbeitung nicht chronologisch vor, so dass man manchmal 20 Jahre in der Vergangenheit unterwegs ist, dann wieder nur zehn, mal fünfzehn. Das sorgt besonders in der ersten Hälfte für Verwirrung, löst sich aber in der eher chronologisch gedachten zweiten Hälfte weitgehend.
    Viele verwendete Begriffe sind ihrer Originalsprache (Urdu, Hindi, Punjabi, Englisch) belassen und werden in einem angehängten Glossar näher erklärt. Das sorgt für eine authentische Stimmung, ist man mit der Sprache allerdings nicht vertraut, sicher auch für das ein oder andere genervte Blättern, da sich manchmal die fremden Ausdrücke häufen.
    Aber genau durch diesen Umstand werden die Figuren lebendiger und glaubhafter. Es gelingt dem Autor zudem ganz wunderbar, eine Figur in den Vordergrund zu rücken, alle anderen hinter ihr verblassen zu lassen und sich intensiv mit ihr auseinanderzusetzen. So bekommt jede von ihnen die nötige Tiefe verpasst und wird nachvollziehbar.


    Oft lebt dieser Roman von Andeutungen und Ungesagtem, wenn es beispielsweise um Samar Apis Freundschaft zu Tara Tanvir, einem sehr fortschrittlichen Mädchen aus dem Ausland, das neu in ihre Klasse kommt, oder Samars Beziehung zu einem Jungen geht, ein wohl gehütetes Geheimnis gegenüber der Großmutter, die sich in Abwesenheit der Mutter um das Mädchen kümmert. Sieht man von Zaki ab, wird der Roman vor allem von starken weiblichen Figuren geprägt, zwischen denen er aufwächst. Eine große Auseinandersetzung mit dem Vaterverlust findet im Roman nicht offensichtlich statt, die fehlende Vaterfigur spiegelt sich aber in vielen Aussagen und Denkweisen des Jungen.


    Der Autor vergisst auch nie, seiner Geschichte eine angemessene Portion Witz mit auf den Weg zu geben, was allein schon durch die oft zu findende Perspektive eines etwa sieben- bis zehnjährigen Jungens gewährleistet ist. Ich musste oft schmunzeln und wurde bestens unterhalten.



    Fazit
    Lebhafte Figuren, abwechslungsreiche Themen und immer neue Perspektiven auf das Geschehen. Mir hat dieser Roman nach der tollen Leseprobe sehr gut gefallen! Er beleuchtet differenziert das Leben einer Familie in Pakistan vor allem vor, aber auch nach den Terroranschlägen im Jahr 2001.



    Bewertung
    8,5/10 Punkten

  • Pakistan: ein Land voller politischer Unruhen und Umwälzungen, in dem immer noch ein streng hierarchisches Kastensystem herrscht; ein Land der traditionellen Feste, in dem das gesamte Leben stark von der Religion geprägt ist. Ein Land, das in den Nachrichten hauptsächlich Schlagzeilen durch Bombenanschläge macht. Dies ist der Schauplatz für das Buch „Meister der Wünsche“, dem Debütroman des in Pakistan geborenen Autors Ali Sethi.


    In ihm erzählt der junge Zaki Shirazi vom Leben seiner Familie. Nach Jahren des Studiums in den USA kehrt Zaki in seine Heimat zurück, um bei der Hochzeit seiner Cousine Samar Api dabei zu sein. Vaterlos von seiner Großmutter aufgezogen, wuchs Zaki mit Samar Api zusammen in einem Haus auf, wodurch sich zwischen den beiden eine tiefe Freundschaft entwickelte. Und während die Hochzeitsgesellschaft nun auf die Ankunft des Bräutigams wartet, schwelgt Zaki in alten Erinnerungen und schildert dabei die Vergangenheit der einzelnen Familienmitglieder. Er erzählt von seiner in ihren Ansichten eher konservativen Großmutter Daadi, die die Kämpfe zwischen Hindus und Moslems in Pakistan miterlebt hat; er erzählt von seiner Mutter, die für die Rechte der Frau eintritt und sich als Journalistin aktiv engagiert, so dass die Erziehung ihres Sohnes an dessen Großmutter hängenblieb; und er erzählt von seiner selbstbewussten, rebellischen Cousine, die schwer verliebt in einen Jungen ist, der jedoch nicht bereit zu sein scheint, sie zu heiraten.


    Diese einzelnen Episoden im Leben der verschiedenen Personen verknüpft der Autor zu einem umfassenden, detaillierten Familienporträt und vermittelt dadurch die Kultur dieses Landes, sowie die Rolle der Frau in Pakistan, ohne dabei Klischees zu bedienen oder zu verurteilen. Durch die unterschiedlichen Einstellungen und Ansichten der Familienmitglieder, besonders der Großmutter Daadi und deren Schwiegertochter Zakia, bekommt man mehr als nur eine Meinung zum bestehenden System, zur Regierung und den religiös beeinflussten Gesetzen vermittelt, wodurch sich der Autor der Aufklärung seiner eigenen Einstellungen gekonnt entzieht.


    Was das Lesen etwas erschwert hat, war der nicht chronologische Zeitverlauf der Erzählung. Zaki springt in seinen Schilderungen der Erlebnisse seiner Familienmitglieder in der Zeit hin und her. Dank fehlender Zeitangaben kann man sich nur aus Hinweisen auf die momentane politische Situation ein Bild darüber machen, in welchem Jahr die Handlung gerade spielt. Wenn man nicht allzu viel über die Geschichte Pakistans weiß, kann das anfangs etwas Probleme bereiten. Man gewöhnt sich jedoch an diesen Stil.


    Leider erschien mir die Geschichte zeitweise auch etwas gefühlsarm: beispielsweise die Liebesgeschichte zwischen Zakis Eltern wirkte auf mich sehr oberflächlich und hätte für meinen Geschmack etwas tiefgreifender und gefühlvoller geschildert werden können. Und da die Handlung auch auf keinen Höhepunkt hin arbeitet, fehlt es dem Buch leider etwas an Spannung.
    Wie viel von dieser Geschichte insgesamt autobiografisch ist, kann ich leider nicht beurteilen, obwohl man als Leser durchaus Parallelen zum Leben des Autors feststellen kann.


    Mein Fazit: „Meister der Wünsche“ ist ein lehrreiches Buch über Pakistan und seine Kultur, dem es leider etwas an Spannung und Gefühl fehlt. Trotzdem eine Leseempfehlung von mir!