Fischer Taschenbuch, 2003, 239 Seiten
Die Originalausgabe erschien 1980, Titel 'Prilli i thyer', übersetzt von Joachim Röhm, dt. 2001 Ammann Verlag, Zürich
Kurzbeschreibung (amazon):
Ein Roman von archaischer Wucht. In „Der zerrissene April“ erzählt Ismail Kadare die Geschichte der albanischen Blutrache, die nach einem tausendjährigen Gesetzeskodex noch bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein gültig war. Zwei Familien hoch oben in den albanischen Bergen sind seit Jahren miteinander im Blut. Auf dem Friedhof sind je vierzig Opfer bestattet. Jetzt ist Gjorg Berisha an der Reihe zu töten. Nach der Tat bleiben ihm nur 30 Tage Frist, bevor er getötet wird. Kadare erzählt von der Intensität, die das Leben im Angesicht des Todes gewinnt.
Der Autor:
Ismail Kadare, geboren 1936 in der südalbanischen Stadt Gjirokastra. Er studierte in Tirana, dann am Moskauer Gorki-Institut. Bis 1990 lebte er in Tirana; heute lebt er abwechselnd in Tirana und Paris.
Der literarische Durchbruch gelang ihm mit dem Roman »Der General der toten Armee«, der in Frankreich mit Marcello Mastroianni und Michel Piccoli verfilmt wurde. Ismail Kadare hat für sein Werk zahlreiche Preise erhalten, zuletzt den Man Booker International Prize (2005).
Meine Meinung
„Ein Roman von archaischer Wucht“ trifft es voll und ganz, das Thema das Romans ist der Kanun, das jahrhundertealte Überlieferungsrecht in Albanien, das auch bis in alle Details die Blutrache regelt, um die es in dieser Geschichte geht. Erzählt wird aus drei Blickwinkeln:
Aus der Sicht des 26-jährigen Gjorg Berisha, der an der Reihe ist Zef Kryeqyqe zu töten. Seit Jahrzehnten herrscht zwischen den beiden Familien die Blutrache. Nach der Tat hat Gjorg 30 Tage, bis Mitte April, Zeit, danach kann er jederzeit von der anderen Familie erschossen werden und muss daher rechtzeitig im Fluchtturm sein, der von da an sein Aufenthaltsort wird. Vorher jedoch muss er noch die Blutsteuer zum Turm von Orosh bringen, wo der Prinz residiert, der seit Jahrhunderten über den Kanun wacht.
Zur selben Zeit macht der Schriftsteller Besian Vorpsi mit seiner Frau Diana aus Tirana eine Hochzeitsreise in das albanische Hochland.
Und schließlich ist da der „Verwalter des Blutes“, ein enger Verwandter des Prinzen im Turm von Orosh, der die Blutsteuer einnimmt und aufzeichnet wer wen umgebracht hat, und der Probleme bekommt, wenn die Einnahmen zurückgehen.
Alle drei Perspektiven beleuchten verschiedene Facetten, aus denen sich ein erschreckendes Gesamtbild ergibt.
Die Idee, in das Hochland mit seinen archaischen Gesetzen eine Hochzeitsreise zu unternehmen, kommt mir reichlich makaber vor, aber das junge Ehepaar spiegelt den Leser des Buches, der seine eigene Reise in die albanischen Berge macht, in eine archaische Welt, geregelt vom Kanun, und auf diese Weise die Regeln der Blutrache erfährt, über das Gastrecht, Regeln für die Hochzeit oder auch was die „Aussteuerpatrone“ ist, und manchmal kann man beim Lesen nur den Kopf schütteln und sich wundern.
Ich habe das Buch in einem Zug durchgelesen und fand es sehr beeindruckend, aber auch sehr erschreckend in der Sinnlosigkeit jahrzehntelanger oder vielleicht sogar jahrhundertelanger Fehden zwischen zwei Familien, die manchmal dadurch ausgelöst werden, dass ein Fremder, der bei der einen Familie zu Gast war zum falschen Moment getötet wird. Erschreckend auch, dass es dem kommunistischen Regime zwar gelang, den Brauch zurückzudrängen, - der Roman spielt wohl in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts - aber seit dem Ende der kommunistischen Ära flackert die Blutrache wieder auf. Was für einen Sinn macht das, wenn sich Männer jahrelang in Fluchttürmen verkriechen müssen, damit sie nicht von der Gegenseite getötet werden, irgendwann trifft es sie doch und von da an ist es an der Gegenseite sich verkriechen, und am Ende werden ganze Familien auf diese Weise ausgelöscht.
Fazit: Sehr empfehlenswert.
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