Eine verlässliche Frau - Robert Goolrick

  • Originaltitel: A Reliable Wife (2009)
    btb Verlag 2010, 350 S.


    Über den Inhalt:
    Eine Kleinstadt in Wisconsin 1907. Er ist ein nicht mehr ganz junger, vermögender Geschäftsmann, der per Annonce eine »verlässliche Frau« sucht. Sie antwortet, dass sie »einfach und ehrlich« ist. Aber die schöne junge Frau, die Ralph Truitt an einem eisigen Wintertag im Schnee am Bahnhof abholt, ist alles andere als das. Catherine Land ist eine Frau mit Vergangenheit, und sie hat nur ein Ziel: Wisconsin möglichst schnell als reiche Witwe wieder zu verlassen. Sie ahnt nicht, dass auch der nach außen hin so unnahbare Ralph ein Mann voller unterdrückter Leidenschaften ist, der seine ganz eigenen Pläne verfolgt. Ein tödliches Ränkespiel beginnt. Womit keiner der beiden gerechnet hat, ist die Liebe.


    Über den Autor:
    Robert Goolrick wuchs im Süden der USA auf und war viele Jahre in der Werbung tätig. Heute lebt und arbeitet Goolrick als freier Schriftsteller in New York.


    Meine Meinung:
    Per Zug reist Catherine Land zu ihrem 20 Jahre älteren, zukünftigen Ehemann, den sie über eine Zeitungsannonce kennengelernt hat. Der 54-jährige reiche Witwer Ralph Truitt suchte eine „verlässliche Frau“ und aufgrund des Fotos, das Catherine ihm schickte, hat er sich für sie entschieden. Ihre Beziehung beginnt bereits mit einer offensichtlichen Lüge: Catherine ist nicht die Frau auf dem Foto. In Wirklichkeit ist sie viel attraktiver und weitaus nicht so tugendhaft, wie sie Ralph Glauben machen möchte.


    Die Geschichte ist in drei Teile geteilt, vom ländlichen Wisconsin geht es ins lebendige, üppige St. Louis mit seinen Konzerthallen und Opiumhöhlen, um schließlich zurückzukehren in die kältestarrende Einöde. Es beginnt im winterlich tiefverschneiten Wisconsin, wo eine genauso große eiskalte Einsamkeit herrscht wie in Ralphs Innerem. Doch Ralph ist entschlossen, sein Leben kompromisslos zu ändern.


    Mit Ralph und Catherine hat Goolrick zwei starke Charaktere geschaffen, die dem Leser eher widerwillig Zuneigung abtrotzen. Beide haben ihr Ziel klar vor Augen, beide tragen an ihren Wunden aus der Vergangenheit. Doch wo er ehrlich ist, erweist sie sich als erbarmungslose Lügnerin.


    Der Autor hat einen Roman um Liebe, Leidenschaft, Verlust und Vergebung geschrieben, ohne ins Kitschige abzugleiten. Unterbrochen wird die Geschichte gelegentlich von Blitzen knallroter Gewalt und Wahnsinn. Dabei beschreibt Goolrick jede Szene nüchtern und distanziert, ohne jeglichen Anflug von Humor. Zugleich verwehrt er dem Leser jedes Mitgefühl. Gerade hierdurch gibt sich der Roman herrlich böse. Er übt eine hypnotische Wirkung aus, nicht zuletzt durch das unverblümte Bloßlegen brutalster Instinkte.


    Letztendlich ist dies die bizarre Geschichte einer Vergebung. Aber der Pfad zu diesem heilsamen Schluss führt durch eine spektakuläre Inszenierung sich steigernder Besessenheit und exzessiver Gewalt.


    Dieses Buch wird sicher stark polarisieren: entweder man mag es und fühlt sich gleich in seinem Sog gefangen oder man findet es überzogen, unglaubwürdig und reißerisch. Mir hat es sehr gut gefallen. Ich bin auf weitere Meinungen dazu gespannt.


    Ach ja: Columbia Pictures hat sich bereits die Rechte an dem Buch gesichert.

  • Ich konnte nicht widerstehen und ich bin nicht enttäuscht worden.


    Meine Meinung: Es beginnt langsam und eher bieder: Ralph Truitt, schwerreicher Geschäftsmann aus einer Kleinstadt in Wisconsin steht am Bahnhof eben jener Stadt und erwartet eine Frau von der er bisher nur ein Foto kennt. Schon auf dem Bahnhof lernt der Leser das Philosophieren des Autors kennen und man fragt sich, ob es das gesamte Buch über so weiter gehen wird. Das wäre nämlich ein Grund, die Wege der beiden nicht weiter zu verfolgen, denn es scheint, als würde eine sehr langweilige Geschichte über zwei langweilige Menschen mit ebenso uninteressanten Leben erzählt werden - doch dann erahnt man die ersten Brüche, die erste Täuschung, denn die Frau, die sich zum Heiraten des ihr unbekannten Mannes aufgemacht hat, ist nicht die, für die sie sich ausgibt. Man darf heimlich einen Blick in ihr Gepäck werfen und trifft auf eine Flasche mit Gift – das soll sie im richtigen Moment zur Witwe machen.


    Es ist nicht der einzige menschliche Abgrund, in den man Einblick erhält – auch Ralph hat seine Geschichte zu erzählen. Beide haben eine Vergangenheit voller Dunkelheit und Einsamkeit hinter sich und beide nehmen einander an, allerdings jeder mit einem anderen Ziel.


    Ganz langsam entblättern sich die wahren Hintergründe, die echten Motive für das aktuelle Handeln und nur allmählich bekommt der Leser Stück für Stück mit, was sich hier in der Wintereinöde an der kanadischen Grenze abspielt.


    Interessant ist der Schreibstil – literarisch und doch ohne die Verliebtheit eines Autors in seine Figuren. Es ist, als sei er selbst nur Beobachter, als würde er seine Emotionslosigkeit auf die Hauptpersonen übertragen. Liebe und Mitgefühl oder Wärme fehlen völlig, obwohl das Buch genau davon und von den erlittenen Verlusten handelt. Durch dieses Fehlen bleibt man als Leser auch eher ohne Empathie für die einzelnen Charaktere, doch man ahnt immer mehr die latenten Bedrohungen und das macht den Sog dieses Buches aus. Man weiß, dass Entscheidungen auf Leben und Tod getroffen werden und trotzdem ahnt man nicht, wen es treffen wird.


    An einigen Stellen wurden mir die philosophischen Ausschweifungen recht lang, doch jedes Mal, wenn beinahe Langeweile aufkam, blitzte das Böse schon zwischen den Zeilen hervor und ich musste unbedingt wissen, wie es weitergeht.


    Mein Fazit: Man muss diesen etwas altbackenen Schreibstil mögen und darf keinen rasanten Thriller erwarten, doch wer es liebt, über ein gut gesponnenes Netz aus Intrigen, Bosheit und menschliche Abgründe zu lesen, der findet hier einen wirklichen Schatz.