ZZ Packer: Kaffee trinken anderswo. Stories

  • OT: Drinking Coffee Elsewhere. Stories 2003



    Achtmal läßt die Autorin in diesen Erzählungen junge Menschen von entscheidenden Momenten ihres Lebens berichten. Siebenmal erzählen Frauen, einmal ein junger Mann, im Alter von ca. zehn bis Mitte zwanzig, zeitlich angesiedelt sind die Geschichten zwischen den 1960er Jahren bis heute. Das charakteristisches Kenzeichen der ProtagonistInnen ist, daß sie Schwarze sind. Das prägt sie, es bestimmt ihr Dasein und ihren Blickwinkel. Es ist dieser Blickwinkel, der die Geschichten so ungewöhnlich macht.


    Die ProtagonistInnen sind allesamt das, was man heutzutage starke Persönlichkeiten nennt, der Reiz aber besteht darin, daß sie es gar nicht merken. Sie nehmen vor allem ihre Schwächen wahr, ihre Unfähigkeit, ihre Schüchternheit, die sie scheitern läßt, obwohl sie in vieler Hinsicht am Ende auf eine seltsame Art als SiegerInnen dastehen. Daß die Siege schmerzlich sind, liegt wiederum nicht an ihrer Hautfarbe, sondern eher an der Art, wie die Gesellschaft, in der sie leben, insgesamt konstruiert ist und welchen Stellenwert sie den Beziehungen zwischen Menschen zumißt.


    Dina, die Heldin der titelgebenden Erzählung, z.B. wird durch eine einzige ehrliche Bemerkung gleich zu Anfang ihres Literaturstudiums zu einer psychopathischen Außenseiterin gestempelt, während ihr eigentliches Problem, der unverarbeitete Tod ihrer Mutter und ihre daraus resultierende selbstgewählte Einsamkeit, untergeht. Eine Gruppe kleiner Pfadfinderinnen steigert sich in die fixe Idee hinein, daß eine Gruppe gleichaltriger weißer Pfadfinderinnen sie ‚Nigger’ genannt hätte und ist festentschlossen, diese Beleidigung bitter zu rächen - in Nachahmung eines von den kleinen Mädchen offenbar als unüberwindbar empfundenen Konflikts zwischen Schwarz und Weiß. (Brownies).


    Doris, die Heldin von Doris is Coming lebt in der Zeit dieser Auseinandersetzungen und muß ihren eigenen Standpunkt dazu finden. Einen eigenen Standpunkt finden müssen auch Clareese, die junge Krankenschwester und die vierzehnjährige Tia, deren Leben und Umfeld stark vom christlichen Fundamentalismus geprägt sind. (Every Tongue Shall Confess/Speaking in Tongues). In beiden Geschichten geht es auch um Lebensglück, ein Problem, mit dem sich auch Lynnea herumschlägt und das sie dazu bringt, mit einem billigen Crashkurs Lehrerin zu werden, nur um vor ihren SchülerInnen zu versagen. (Our Lady of Peace).
    Die Autorin konzentriert sich aber nicht das Versagen ihrer Heldinnen, sondern stellt eher die Frage, ob das Versagen nicht nur momentan ist und eben nur ein dunklerer Farbton in einem Leben, das endlose Facetten aufweist und eigentlich nicht zu planen ist. Das erfährt auch Spurgeon in einer bitteren Auseinandersetzung mit seinem Vater. (The Ant of the Self)


    Dina, die Ich-Erzählerin der Titelgeschichte, ist die Hauptperson einer zweiten Geschichte, (Geese), allerdings in veränderter Erzählperspektive. Die Sehnsucht nach Freiheit, nach Unabhängigkeit in der Fremde wird hier durchgespielt bis zum Exzeß, dem Beinahe-Verhungern. Der Traum von der absoluten Freiheit aber bleibt, er wird sichtbar in einem einzigen kleinen Moment, in dem ein Schwarm Wildgänse am Himmel vorbeizieht. Von all den schmerzlichen Eindrücken, die diese Geschichten enthalten, ist das einer der schmerzlichsten und schönsten, nicht zuletzt wegen der Schlichtheit, mit dem er beschrieben wird.
    Abgesehen von einer Sprache, die mit einem überraschenden und sehr breitgefächerten Vokabular aufwartet, bestechen Packers Geschichten durch ihren originellen Blickwinkel und schließlich dadurch, daß sie gegen alle Erwartungen verstößt.


    Die Geschichten erschienen einzeln, in den wichtigsten Literaturmagazinen der USA, ‚Brownie’ war 2000 die erste. Packer selbst hat sie für diese Sammlung zusammengestellt.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • "ZZ" ist doch schon mal ein Beleg für Qualität. Man denke nur an "ZZ Top".... :grin

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • :lache


    Sie hat einen Vornamen, einen richtigen, Zuwena.
    Aber sie sagt, daß ihre LehrerInnen ihn nie aussprechen konnten und die meisten anderen auch nicht - soviel zum Respekt vor den Nächsten - daher hat sie sich umbenannt. ZZ ist sie geblieben und für eine Schriftstellerin ist das auch einprägsam.


    Schreiben kann sie prima!



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus