Ludwig Laher - Verfahren

  • ==Die Wahrheit über Asylanten==


    Hallo lieber Leser, liebe Leserin.


    ===Einleitung===
    Heute möchte ich euch ein Buch vorstellen, welches ich vom Haymon Verlag als Leseexemplar erhalten habe. Es handelt sich dabei um den Titel „Verfahren“, welcher am 25.2.2011 erschienen ist.


    ===Buchdaten===
    Autor: Ludwig Laher
    Titel: Verfahren
    Verlag: Haymon
    Erschienen: 02/2011
    ISBN-13: 978-3852186801
    Seiten: 180
    Einband: HC
    Kosten: 19,90€


    ===Autor/in===
    Ludwig Laher, geboren 1955 in Linz, studierte Germanistik, Anglistik und Klassische Philologie in Salz burg, lebt in St. Pantaleon (Oberösterreich). Prosa, Lyrik, Essays, Hörspiele, Drehbücher und Übersetzungen, daneben wissenschaftliche Arbeiten. Bei Haymon zuletzt: Herzfleischentartung. Roman (2001, HAYMONtb 2009), Und nehmen was kommt. Roman (2007) und Einleben. Roman (2009). www.ludwig-laher.com (Quelle: Amazon.de)


    ===Genehmigter Klappentext===
    Jelena, eine Kosovo-Serbin, wird in ihrer Heimat wiederholt Opfer unvorstellbarer Gewalt. Die geht nicht vom Staat aus, sondern von enthemmten Mitgliedern der Mehrheitsbevölkerung. Schwer traumatisiert, hofft die junge Frau nach zwei Selbstmordversuchen auf einen Neuanfang in Österreich. Dort aber gerät sie in die Mühlen eines unmenschlichen Asylrechts, das seinem Namen nicht gerecht wird. Seit Monaten prägt das Thema Asyl die öffentlichen Debatten und sorgt nach jedem von den Medien aufgegriffenen Einzelfall für heftige Kontroversen. Ludwig Laher überträgt diese brandaktuelle Thematik auf eine literarische Ebene. Er erzählt die exakt recherchierte Geschichte Jelenas als roten Faden eines aufwühlenden Romans, in dessen Mittelpunkt das Justizwesen selbst steht, die Welt der Paragraphen und ihrer Anwendung, ein Spiegelbild unserer Verfassung im doppelten Wortsinn: vielschichtig, mitreißend diskret, erhellend und weit davon entfernt, komplexen Fragestellungen mit einfachen Antworten beikommen zu wollen.


    ===Meine Meinung===
    Fällt der erste Blick auf das Cover des Buches und nimmt man den Titel dazu, würde jeder Leser davon ausgehen, dass es sich hierbei um ein Gerichts-Buch handelt. Doch schon nach der Inhaltsangabe ist klar, dass dieses Werk eine ganz andere Thematik beinhaltet. „Verfahren“ setzt sich mit dem Thema „Asyl“ auseinander.


    Gerade in der heutigen Zeit, aber auch in den letzten Jahren ist das Begriff Asylrecht häufig in den Medien zu finden. Manche Leute finden, dass die Asylbewerber es in der heutigen Zeit viel zu leicht haben. Andere sind der Meinung, dass die Gesetze entschärft werden müssen. So hat jeder zu dieser Thematik seine eigene Meinung.


    Ludwig Laher setzt sich auf ganz besondere Weise mit dieser brisanten Angelegenheit auseinander. Er hat am Schicksal von Jelena, einer Kosovo-Serbin, aufgedeckt und zeigt auf, wie die Realität als Asylbewerber heutzutage aussieht. Monatelang hat er dafür an Jelenas Geschichte recherchiert.


    Wer jetzt ein Buch erwartet, das die komplette Geschichte von Jelena und am Besten noch aus ihrer Sicht erzählt, der sollte sich das Buch nicht kaufen. Ludwig Laher zieht den Leser durch einen aufrüttelnden Stil in den Bann. Sachlich, vielseitig, diskret, aber dafür aufweckend, mitreißend und bewegend hat er ihre Geschichte verpackt. Alles beginnt mit einer Demonstration, die den Leser in die Situation rund um das Asylrecht führen soll. Nach und nach setzt sich Jelenas Geschichte wie versteckte Puzzleteile in dieser Geschichte fest. Schon nach wenigen Seiten wurde für mich deutlich, dass dies keine leichte Kost werden würde. Alleine schon der Schreibstil, den Ludwig Laher an den Tag legt, ist komplex und oftmals nicht leicht zu verstehen. Es wird schnell klar, dass dieses Buch meine volle Aufmerksamkeit benötigen und vieles mich nachdenklich stimmen würde. Je mehr ich als Leser in diesem Buch fortschritt, desto leichter fiel mir jedoch der Stil. Auf schockierende und grausame Weise deckt der Autor auf, wie die langsamen Mühlen der Justiz gerade beim Thema Asylrecht mahlen.
    Der Autor stellt in seinem sachlichen Buch die richtigen Fragen und sorgt dadurch, dass ich als Leser einen ausführlichen und authentischen Eindruck dieser Problematik bekommen konnte.
    Allerdings kann dieses Werk, genau wie die Thematik alleine stets von zwei Perspektiven betrachtet werden. In einzelnen Fällen ist es traurig zu erfahren, wie hart der Weg vorher war und wie schwer der Kampf auf das ersehnte Asylrecht am Ende noch werden würde. Auf der anderen Seite gibt es allerdings genügend Personen, die dieses Asylrecht ausnutzen. Für die Justiz eines jeden Landes ist es schwer, genau zu beurteilen, wer als Asylbewerber wirklich Hilfe benötigt und wer nicht.


    Ich selber habe mich schon vor diesem Buch mit dieser Thematik befasst. Grund dafür war zum Beispiel die Vorgeschichte meines letzten Lebensgefährten, Arbeitskollegen in der Gastronomie oder Nachbarn. Dort kann man sich ein gutes Bild von der Gesamtsituation machen. Nicht jeder Asylbewerber ist da ehrlich. Da sich dieses Buch jedoch auf die Situation der österreichischen Justiz bezieht, kann ich als Deutsche, dies nur bedingt beurteilen.


    Aus diesem Grund kann ich das Buch auch nur bedingt empfehlen. Wer von Anfang an eine negative Einstellung gegenüber dem Asylrecht hat, wird zwar dieses traurige Schicksal lesen, sich aber trotzdem weiterhin bestätigt fühlen, dass dies nur Einzelfälle sind. Wer jedoch einmal erfahren möchte, wie die Justiz und ihre Paragraphen mit einem Asylbewerber verfahren, der sollte dieses Buch unbedingt lesen.


    ===Bewertung===
    180 Seiten, welche auf sachliche Art das Herz berühren und schockieren. Ludwig Laher zeigt deutlich, wie wichtig ihm diese Thematik ist und dass er sich lange Zeit mit dieser Problematik befasst hat, bevor er „Verfahren“ geschrieben hat. Dafür gibt es von mir vier Sterne.


    Pro: Idee, Stil, Grundthema
    Contra: Einzelschicksal


    Danke fürs Lesen und Bewerten. Freu mich über Lob / Kritik, also her mit Kommentaren.



    Eure Sarah

    Buch-Blog


    Besucht meinen Buchblog, viele Rezensionen und Interviews erwarten euch.


    :bruell Rezi-Exemplare werden stets ehrlich bewertet. Keine Bewertung wurde mit dem Rezi-Exemplar gekauft.

  • Zitat

    Original von cyqueeny
    Wer jedoch einmal erfahren möchte, wie die Justiz und ihre Paragraphen mit einem Asylbewerber verfahren, der sollte dieses Buch unbedingt lesen.


    Das liest sich so, als würden hier willkürliche Entscheidungen getroffen werden, dabei ist das Asylrecht in Deutschland relativ klar und lässt den zuständigen Verwaltungsgerichten nur wenig Spielraum. Zudem sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die der Asylentscheidung nachfolgende Abschiebe- bzw. Duldungspraxis nicht Teil des Asylverfahrens ist. Bei der Behandlung abgelehnter Asylbewerber handelt es sich um ein gänzlich neues Verwaltungsverfahren.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire


    Das liest sich so, als würden hier willkürliche Entscheidungen getroffen werden, dabei ist das Asylrecht in Deutschland relativ klar und lässt den zuständigen Verwaltungsgerichten nur wenig Spielraum. Zudem sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die der Asylentscheidung nachfolgende Abschiebe- bzw. Duldungspraxis nicht Teil des Asylverfahrens ist. Bei der Behandlung abgelehnter Asylbewerber handelt es sich um ein gänzlich neues Verwaltungsverfahren.


    Da es sich allerdings im Fall von Lahers Text nicht um Deutschland, sondern um Österreich handelt - und dieses nach Auffassung von Amnesty und anderen NGOs eines der Länder ist, die ständig das Fremdenrecht verschärfen (Erst in den letzten Tagen wieder: Überraschende weitere Verschärfungen im Fremdenpaket, Artikel der Ausgabe vom 24. Februar 2011 bzw. eine andere Quelle: "Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2010) - ohne jeden Spielraum oder Möglichkeiten für die Betroffenen einzugreifen oder aber das Verfahren positiv (negativ sehr wohl) zu beeinflussen.


    Ich wollte damit keine Diskussion über das geltende Fremdenrecht anstoßen, egal in welchem Staat; ich wollte nur anmerken, dass es in der Praxis des Asylrechtes, der Abschiebe- und Duldungsverfahren wesentliche Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich gibt ;-)

    Nicht nur der Mensch sollte manches Buch,
    auch Bücher sollten manchen Menschen öffnen.
    (Martin Gerhard Reisenberg, *1949)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Desdemona ()

  • Ludwig Laher schreibt sehr eindringlich und thematisiert ein sehr aktuelles Problem- die Asylpolitik. Die traurige Geschichte der Jelena - sicherlich kein Einzelfall - wird aus mehreren Perspektiven beleuchtet. Zum einen die Betroffene selber, die, als Kosovo-Serbin in ihrer Heimat zwischen die Fronten gerät, unvorstellbarer Gewalt ausgesetzt war und ihre Familie verliert.Völlig traumatisiert gelingt ihr die Flucht über die grüne Grenze nach Österreich, wird aufgegriffen und ist nun der Willkür der österreichischen Behörden ausgesetzt. Ohne Beiziehung eines Dolmetsch oder Eingehen auf ihre Traumatisierung wird über sie die Schubhaft verhängt und das Verfahren eingeleitet. Laher bedient sich mehrerer Stilmittel und spielt mit dem Begriff "Verfahren", mit dem in diesem Buch nicht nur das Gerichtsverfahren gemeint ist, sondern auch das Verfahren (=der Umgang ) mit Asylwerbern und nicht zuletzt die Situation der heimatlosen Jelena, die ebenso als "verfahren" zu bezeichnen ist.


    Zu Wort kommt ein Asylrichter, der aus seinem beruflichen Alltag erzählt ... sehr selbstgerecht, sich selber als Menschenfreund bezeichnend, weil er hin und wieder - willkürlich - einen positiven Bescheid ausstellt. Am Richtertisch entscheidet er über Leben anderer - es liegt in seinem Ermessen, ob der Mensch vor ihm (der der Einfachheit halber auf das Kürzel AW für Asylwerber, egal ob männlich oder weiblich, reduziert wird) bleiben darf oder nicht, ob dieser lügt, oder die Wahrheit sagt. Gerade dieser "Ermessensspielraum" macht die Angelegenheit so schwierig und zeigt auf, dass es hier keine Gerechtigkeit gibt, zeigt aber auch, dass den Vollstreckern unserer Gesetze die Hände gebunden sind.


    Ludwig Laher bietet keine Lösung an und deutet auch an, wie vielschichtig die Thematik ist. Er möchte aufrütteln und zum Nachdenken animieren und wehrt sich gegen die Massenabfertigung, Anonymität und völligem Fehlen von Menschlichkeit, die sich bei den Gerichten abspielt. Jeder Fall ist ein Einzelfall und ein Einzelschicksal und kann nicht pauschal beurteilt werden.


    Ein nicht einfach zu lesendes, aber sehr lesenswertes Buch!

  • Verfahren – Ludwig Laher


    Mein Eindruck:
    Ludwig Lahers vordergründig sachlich, protokollhaft geschriebener Roman ist bei näherer Betrachtung aufgrund seiner Mulltiperspekivität doch sehr berührend. Dabei wird nicht nur die misshandelte, traumatisierte Serbin Jelena, die in Österreich Asyl beantragt, betrachtet, sondern auch die vielen anderen Personen wie Anwälte, Richter, Menschen auf der Straße mit all ihren Vorurteilen usw. kommen zu Wort. Besonders deutlich wird, wie durch die verschärfte Gesetzeslage die am Verfahren Beteiligten im Handeln auch eingeschränkt sind. Ein Gefühl der Ohnmacht begleitet sie daher, das führt auch zu einem resignieren.


    So entsteht ein Gesamtbild, dass nachvollziehen lässt, wie unbarmherzig das viele Jahre andauernde „Verfahren“ abläuft.
    Außerdem nutzt Laher Vergleiche, um die aktuelle Asylfrage in Österreich in ein anderes Licht zu rücken.


    Der kurze Roman hat eine gewisse Härte, doch das empathische Schreiben und der kleine Hoffnungsschimmer am Ende des Buches lassen es lesbar werden.
    Ich vermute, dass dieser geschickte Stil des Romans, der beim vergleichsweise kleinen Verlag Haymon erschienen ist, dafür sorgte, dass Verfahren es sogar auf die Long List des Deutschen Bücherpreis schaffte.