Heinrich Wille - Ein Mord, der keiner sein durfte. Der Fall U. Barschel u.d. Grenzen d. Rechtsstaats

  • Titel: Ein Mord, der keiner sein durfte
    Autor: Heinrich Wille
    Verlag: Rotpunktverlag
    Erschienen: September 2011
    Seitenzahl: 383
    ISBN-10: 3858694622
    ISBN-13: 978-3858694621
    Preis: 24.00 EUR


    Am 11. Oktober 1987 stirbt Uwe Barschel in einem Hotel in Genf. Noch wenige Tage vor seinem Tod war er Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein. Und bis auf den heutigen Tag wurde die Frage nicht abschließend geklärt: War es Selbstmord oder Mord? Dieser Tod, diese Affäre Barschel hat die Bundesrepublik in ihren Grundfesten erschüttert – und auch heute – rd. 24 Jahre später sind die Nachwirkungen immer noch zu spüren.


    Heinrich Wille war Leiter der Staatsanwaltschaft Lübeck als er diesen Fall von seinem Vorvorgänger übernahm. Er ging daran diese Sache aufzuarbeiten, wunderte sich über das mangelnde Interesse der deutschen Behörden an einer Aufklärung dieses Todesfalls. Immer wieder wurde Wille von seinen Vorgesetzten gebremst und immer wieder wurden ihm Knüppel zwischen die Beine geworfen. Auch dieser unerträgliche Selbstdarsteller Joachim Gauck, glücklicherweise ist dieser Mensch uns als Bundespräsident erspart geblieben, war einer der eifrigen Knüppelwerfer. Wille hat dieses Buch schon 2007 geschrieben, durfte es aber aufgrund einer Weisung seines Disziplinarvorgesetzten nicht veröffentlichen. Dieses konnte er erst machen als er in den Ruhestand geschickt wurde.


    In seinem Buch veröffentlich Wille keine neuen Fakten, nur führt er das bisher Bekannte zusammen und macht das gesamte Verfahren daher für die Öffentlichkeit transparenter, die sich bisher mit Mosaiksteinchen, wahllos angeordnet, begnügen musste. Es ist schon erstaunlich wie hier Teile der Presse und bundesdeutsche Behörden versuchten zu vertuschen, zu integrieren und zu verleumden. Heinrich Wille macht deutlich, dass Mord wahrscheinlicher war/ist als Selbstmord – allerdings war diese Schlussfolgerung in den Augen der herrschenden Politikkreise Deutschlands nicht erwünscht und so wurde alles getan Wille zu diskreditieren. So war es beispielsweise sehr schwer in Deutschland überhaupt ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Aber auch die Genfer Ermittlungsbehörden begangen ungeheure Schlampereien – es hatte den Anschein, als wäre dort noch nie in einem Todesfall ermittelt worden. Grundlegenden Ermittlungstätigkeiten unterblieben.


    Heinz Wille wertet nur sehr vorsichtig, der lässt die präsentierten Fakten für sich sprechen und so hat jede Leserin und jeder Leser die Möglichkeit sich ein eigenes Bild zu machen. Wille spekuliert nicht wild in der Gegend herum, das hat er aufgrund des sehr umfangreichen Faktenmaterials auch nicht nötig. Seine Sicht der Dinge, seine sehr vorsichtigen Schlussfolgerungen sind nachvollziehbar und einleuchtend.


    Ein ausgesprochen interessantes Buch – ein Buch das aber auch betroffen macht. Kann es sein dass der Rechtsstaat nur dann funktioniert wenn es gilt Parksünder und Schwarzfahrer gnadenlos zu verfolgen? Er, der Rechtsstaat, aber dann ein Schläfchen macht, wenn es gilt das Handeln der Herrschenden genauer unter die Lupe zu nehmen? Uwe Barschel war unter Garantie kein Waisenknabe und hatte offensichtlich sein Finger in einigen dubiosen Sachen drinnen – trotzdem aber ist es Aufgabe des Rechtsstaates seinen Tod lückenlos aufzuklären – egal wer auch immer versucht da Stolperfallen aufzustellen um eine rechtsstaatlich gesetzeskonforme Ermittlung zu behindern.


    Dieses Buch ist unbedingt lesenswert – gerade auch für diejenigen die obrigkeitsgläubig mit großen Augen auf die verantwortlichen Frauen und Männer in diesem Land schauen. Wille beschreibt in diesem Buch wohl eine Wirklichkeit, die mit dem grundgesetzlichen Wunschdenken nicht mehr so unbedingt viel gemein hat.


    Dieses Buch liefert in erster Linie Fakten und erst in zweiter Linie Meinung. Das ist als sehr positiv hervorzuheben.


    Edit: Rechtschreibfehler

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

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  • Vielen Dank für die Rezension, die ich erst jetzt gesehen und mit großem Interesse gelesen habe.


    Beim Fall Barschel scheiden sich augenscheinlich die Geister, ob es sich um eine Fremd- oder Selbsttötung gehandelt hat. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurden der Öffentlichkeit jedoch nicht alle Fakten über die Todesumstände bekannt gegeben.


    Vielleicht sollte man noch ergänzen, dass beim ersten Versuch Willes, ein Buch über Barschel zu veröffentlichen, ihm nicht gänzlich untersagt wurde, zu publizieren. Seine Erkenntnisse hätte Wille durchaus in der staatsanwaltlichen Schriftenreihe veröffentlichen dürfen, auch wenn diese nur einem begrenzten Publikum zur Verfügung gestanden hätte.
    Letztlich hätte aber bei einer Veröffentlichung zu einem früheren Zeitpunkt die Frage im Raum gestanden, welchen ethischen Ansprüchen ein Staatsanwalt genügen möchte, wenn er Informationen aus Ermittlungsakten verwertet, sie veröffentlicht und damit mutmaßlich einen Gewinn erzielen würde.


    Der zweite Versuch, die Öffentlichkeit über die wahren Umstände des zu Tode gekommenen Ministerpräsidenten zu unterrichten, scheint jedenfalls von Erfolg gekrönt zu sein, auch wenn es merkwürdig anmutet, wenn der amtierende Justizminister Schleswig-Holsteins in einer öffentlichen Anhörung verlautbaren lässt, dass sich in Willes Besitz ein Beweisstück befunden hat, das Barschel gehörte und in die Asservatenkammer gehört hätte.


    Unabhängig wie man über die damalige Informationspolitik und den außergewöhnlich engagierten Oberstaatsanwalt a.D. denken mag, so zeigt der Fall Barschel doch, dass am Ende das Vertrauen der Bevölkerung in die Ermittlungsbehörden nicht gestärkt wurde.