"Die geheime Schrift" - Kader Abdolah

  • Titel der niederländischen Originalausgabe: "Spijkerschrift"



    Zum Buch


    Esmail hat ein Manuskript mit ins Exil genommen. Geschrieben hat es sein taubstummer, analphabetischer Vater, in einer seltsamen, selbst erfundenen Schrift. So, wie er früher seinen Vater verstehen wollte, versucht Esmail, das Geschriebene zu entziffern. Es schildert das Leben in einem kleinen Dorf an der Grenze: "Südlich der Grenze lag der Iran, und nördlich, dort, wo immer tiefer Schnee lag, Russland." Dieser Roman spannt einen Bogen zwischen Amsterdam und Persien. Er erzählt von Vater und Sohn, von Analphabetismus und der Leidenschaft für Geschichten, erzählt von Armut, Abhängigkeit und erwachendem politischen Mut. Esmail schließt sich dem studentischen Kampf gegen den Schah an, später der Regime-Kritik gegen Khomeini. Er flieht - und aus dem Sohn eines armen Teppichflickers wird ein westlicher Intellektueller, der seiner Herkunft jedoch alles verdankt.


    Über den Autor


    Kader Abdolah, 1952 im Iran geboren, studierte Physik in Teheran und war aktiv in der Studentenbewegung. 1988 floh er aus politischen Gründen mit seiner Familie nach Holland, wo er heute in Amsterdam als freier Autor lebt. Der Name Abdolahs ist ein Pseudonym, das aus den Namen zweier ermordeter Freunde gebildet ist.


    Meine Meinung


    In drei Teilen erzählt der Autor die Geschichte des taubstummen Agar Akhbar, die seines Sohnes Esmail, der sich nach der Revolution im Iran dem Widerstand anschließt und schließlich flieht. Die Geschichte bewegt sich entlang der Geschichte des Irans vom ersten Shah bis heute. Der erste und dritte Teil wird von einem allwissenden Erzähler erzählt, der längere Mittelteil in der Ich-Form aus Esmails Sicht. Der Stil ist poetisch-märchenhaft, häufig werden persische oder niederländische Gedichte in den Text mit eingebaut, die Kapitel sind mit kleinen Inhaltszusammenfassungen überschrieben, wie man es von älteren Büchern kennt.


    Was die geheime Schrift angeht, war ich etwas enttäuscht, dass diese eher den Charakter eines Aufhängers hatte, als dass sie wirklich ein Teil der Handlung wurde. Wenn ich jedoch etwas weiter interpretiere, dann geht es, glaube ich, in dem Roman viel um Übersetzung von Sprache. Der Autor schreibt in der Sprache seiner Wahlheimat Niederlande. Der Vater spricht Gebärdensprache, der Sohn ist sein Übersetzer - dies in beide Richtungen, den er übersetzt dem Vater umgekehrt auch Zeichen der Welt, die dieser sonst nicht verstehen würde, z.B. dass die Erde sich dreht oder politische Zusammenhänge, die sich dem Vater nicht erschließen.
    Der Vater schreibt wiederum in kaum lesbaren Hieroglyphen, die einer Keilschrift nachempfunden sind, die ihm ein Onkel eines Tages in einer Höhle gezeigt hat, damit er etwas hat, mit dem er sich ausdrücken kann. Sprache und Dichtung sind hier möglicherweise auch ein Symbol für Rebellion gegen auferlegte Grenzen und Diktatur.


    Die Figuren sind mir bis auf den Vater eher fremd geblieben, dadurch dass eine Geschichte erzählt wird, indem der Sohn ein in einer geheimen Schrift verfasstes Tagebuch seines Vaters in eine weitere Sprache übersetzt, wird eine gewisse Distanz erreicht, was ich eigentlich nicht so gern mag, trotzdem hat mich das Buch gefesselt. Ich könnte noch nicht einmal sagen warum, aber ich musste immer weiterlesen. Umso erstaunter war ich, dass das Buch für mein Empfinden abrupt mitten in der Handlung endete und es dann nur noch einen kleinen Epilog gab. Ein ähnliches Gefühl hatte ich mal bei "Das Karmesinrote Blütenblatt", wo der Autor am Ende sagt: "


    Ich gab mal 9 von 10 Eulenpunkten.
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  • Danke für die Rezi, ich fand sie sehr interessant.
    Der Hinweis auf das abrupte Ende schreckt mich jedoch ab. Ich habe "Das karmesinrote Blütenblatt" ebenfalls gelesen und fand den Schluss irgendwie unbefriedigend. Wenn ich also von vornherein weiß, dass mich etwas ähnliches erwartet, greife ich lieber zu einem anderen Buch.