Ravan und Eddie - Kiran Nagarkar

  • Hallo, Hier mein Debüt:


    "Ravan und Eddie - das sind zwei Welten, die auf engstem Raum in einem Mietshaus in Bombay, einem Chawl, aufeinander treffen.
    Ravan, Sohn aus einer Hindu-Familie, und Eddie, ein portugiesisch-stämmiger Katholik, wachsen in verschiedenen Stockwerken desselben Hauses mit unterschiedlichen Religionen und Kulturen auf. Von klein auf ist das Leben der beiden Jungen schicksalhaft verbunden.[...]" (siehe: www.a1-verlag.de)


    "Kiran Nagarkar, geboren 1942 in Bombay, schreibt in Marathi und Englisch. Er veröffentlichte Romane, Theaterstücke und Filmdrehbücher. Sein erster Roman »Sieben mal sechs ist dreiundvierzig« (Original: »Saat Sakkam Trechalis«) gilt als Meilenstein der indischen Literatur nach der Unabhängigkeit. Auch sein Roman »Ravan & Eddie« spielt im postkolonialen urbanen Indien und beschäftigt sich auf sehr amüsante Weise mit Schuld, Sünde und Sex, Verbrechen und Strafe sowie der Entdeckung des eigenen Ichs. Nach Erscheinen seines Romans »Krishnas Schatten« (Original: »Cuckold«) wurde Kiran Nagarkar im Jahr 2000 die höchste Anerkennung der indischen Literaturakademie, der Sahitya Academy Award, verliehen. Sein jüngster Roman »Gottes kleiner Krieger« (Original: »God's Little Soldier«) gehörte zu den meist besprochenen Büchern der Frankfurter Buchmesse 2006. Kiran Nagarkar lebt in Bombay." (ebd.)




    Nachdem mich "Gottes Kleiner Krieger" so fasziniert hatte, hab ich mir in der Bücherei auch die anderen Nagarkars geschnappt. Auch wen sich dieses Buch deutlich von "Gottes Kleinem Krieger" unterscheidet, lassen sich doch Gemeinsamkeiten finden:
    auffällig ist, dass die Handlung nicht auf ein klares Ziel ausgerichtet ist, sondern irgendwie dahintreibt - was keineswegs bedeutet, es wäre nicht spannend - und auch nicht richtig endet. Dabei ist sie ziemlich unvorhersebar, da man nie weiß, ob ein neuer Faden gesponnen oder ein alter wiederaufgenommen wird Wieder fasziniert mich Nagarkars üppiger Stil, voller ungewöhnlicher Metaphorik und einem Sprachgefühl, das seinesgleichen sucht, sowie einem Hang zur Satire. Ein schönes Beispiel dafür ist eine der Binnengeschichten mit dem Titel "Lob der Dreistigkeit. Oder: Die Kürzeste Geschichte des Portugiesischen Abenteuers in der Neuen Welt" mit der Anmerkung: "Kann nach Belieben übersprungen werden".
    Auch erkennt man einige Handlungsstränge wieder, z.B. Eddies Eintritt in eine radikale religiöse Gruppe (Ravan und Eddie erinnern mich bisweilen sehr an Zia und Amanat - wobei ich nicht weiß, wer an wen), (Hindi-)Filme - sogar der Name Dilip Kumar fällt - oder auch eine gewisse Faszination für den Gott Krishna.
    Neu ist auf jeden Fall der sehr viel jovialere Ton ("Gottes Kleiner Krieger" ist ja sehr ernst), welcher allerdings auch angemessen ist.
    Ravan und Eddie sind sich einerseits sehr ähnlich (in Buch werden sie als "Parallelen" bezeichnet), andererseits eben grundverschieden, vor allem aufgrund der Familienverhältnisse. Überhaupt sind die Charaktere alle sehr interessant, da sie einerseits durchaus realistisch wirken, andererseits satirisch überzeichnet sind. Ein gutes Beispiel ist Parvati, die zwar selbstbewusst aber nicht ihrer selbst bewusst ist und auch ansonsten sehr widersprüchlich. So werden verschiedentlich Seitenhiebe richtung Gesellschaft ausgeteilt, wie bei Mr. Sarang, der trefflich das Kastenproblem thematisiert.


    Insgesamt hat Kiran Nagarkar es geschafft, auch hier ein grandioses Buch zu schreiben, das ein ebonso glaubhaftes wie karikiertes (beides verschmilzt) Bild des Indiens der 70er Jahre zeichnet und auf 400 Seiten einfach alles enthält. Einziges Manko ist, dass das Buch auch doppelt so lang sein könnte, einerseits ohne ans Ende zu kommen, andererseits ohne auch nur im Ansatz zu langweilen. Definitiv eines meiner Lieblingsbücher und volle Punktzahl!

    "It is necessary to distinguish [...] between languages as such and their speakers. Languages are not hostile one to another. They are, in the contrast of any pair, only similar or dissimilar, alien or akin."
    -J. R. R. Tolkien, "English and Welsh"

  • Danke auch von mir für die Rezension, klingt wirklich interessant. :wave


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Bei Amazon gehen die Meinungen aber weit auseinander. :wow


    Am besten wird es also sein, wenn du es bald liest und dann deine Meinung hier schreibst. :grin


    Ich verlinke mal noch die Taschenbuchausgabe.

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Gut und interessant ist es auf jeden Fall (finde ich),
    aber das Cover... nun, es hat einen gewissen Bezug zu einer Kinoszene, aber nur mit viiiel Fantasie.


    Bei weiteren Fragen stee ich gern zur Verfügung.

    "It is necessary to distinguish [...] between languages as such and their speakers. Languages are not hostile one to another. They are, in the contrast of any pair, only similar or dissimilar, alien or akin."
    -J. R. R. Tolkien, "English and Welsh"

  • Ich habe das Buch nun inzwischen gelesen und mir hat es auch sehr gut gefallen. Wie Alena schon schrieb, ist das Buch im Vergleich zu "Gottes kleiner Krieger" wesentlich leichter geschrieben und lässt sich damit sehr angenehm lesen. Hilfreich fand ich außerdem, dass ein Glossar vorhanden ist und die erläuterten Wörter im Text kursiv markiert sind. Damit kann man die Unterschiede in Religion, Sprache, Geschichte und Götter wesentlich besser verstehen, ohne dass man immer ein entsprechendes Nachschlagewerk bereit halten muss. Der Stoff hätte noch genug Material für wesentlich mehr Seiten gehabt, mir war das Ende ein wenig zu abrupt und abgehackt.



    Neben dem Unterhaltungswert gibt das Buch einen interessanten Einblick in die indische Gesellschaft der 70er, mit all den verschiedenen Bevölkerungsgruppen und ihrer jeweiligen Vergangenheit, die in den Vorstädten auf engem Raum nebeneinander wohnen, ohne sich wirklich zu kennen.


    Dem Buch sind noch viele Leser zu wünschen und von mir gibt's 9 Punkte.


    @HerrPalomar Ja, das Cover vom Taschenbuch ist reichlich nichtssagend. Aber leider ist es ja doch eine Frage des Preises...

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

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  • Das Buch hat nun offenbar eine Art Nachfolger bekommen:


    Zitat

    Das Bombay der 60er- und 70er-Jahre ist der Schauplatz von Kiran Nagarkars neuem Roman "Die Statisten", einem satirischen Heldenroman im Rabelais schen Sinne.
    Ravan arbeitet als Taxifahrer, Eddie in einer illegalen Kneipe. Aufgewachsen in den Chawls, den vier- bis fünfstöckigen Mietskasernen Bombays, sind beide elektrisiert von der Glitzer- und Glamourwelt Bollywoods und der westlichen Rockmusik.
    Während Ravan mit seiner Hochzeitsband regelmäßig um die Gage geprellt wird, ist Eddie, der gemeinsam mit seiner hinreißenden angloindischen Freundin Belle die "Bandra Bombshells" gründet, nicht wesentlich erfolgreicher. Ihre Versuche, der Enge ihrer hinduistischen und katholischen Familien zu entfliehen und im Musik- und schließlich im Filmbusiness Fuß zu fassen, sind von Rückschlägen und Scheitern begleitet, doch sind sie unbezähmbar in der Zuversicht, ihre Träume zu verwirklichen.

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]