Zimmermann: Jedes Kind kann rechnen lernen

  • Klaus R. Zimmermann: Jedes Kind kann rechnen lernen.
    Rechenschwäche und Dyskalkulie - Wie Eltern helfen können.
    Reihe: Kinderkinder 3.
    Beltz 2011. 160 Seiten
    ISBN-13: 978-3407225030. 12,95€

    Leseproben auf der Verlagswebseite


    Verlagstext:
    Bereits für die Hälfte der Grundschulkinder ist Mathe ein Angstfach. Doch »jedes Kind kann rechnen lernen« – denn die Rechenfehler der meisten Schüler gehen auf falsch oder gar nicht verstandene Lösungswege zurück. Und wer den Weg nicht versteht, der muss bei Hausaufgaben und Mathearbeiten zwangsläufig scheitern. Ein Buch für alle Eltern, die bei Schwierigkeiten ihres Grundschulkindes im Fach Mathematik nach Erklärungen und »erster Hilfe« suchen.
    Klaus R. Zimmermann zeigt Eltern und ihren Kindern Schritt für Schritt, was hinter den vier Rechenarten steckt. Die Kinder lernen zu verstehen, was es bedeutet, wenn man eine Zahl addiert oder abzieht, sie teilt oder »malnimmt«. Und wenn dieses Verständnis endlich geweckt ist, dann folgen die richtigen Lösungen beim Üben fast von selbst.


    Der Autor:
    Klaus R. Zimmermann; Dr. rer. nat und Dipl. Math. Er hilft Schülerinnen und Schülern mit Rechenschwierigkeiten im Institut für Lernförderung in Frankfurt.


    Inhalt:
    Der Mathematiker Klaus R. Zimmermann, der seit vielen Jahren Kinder mit Dyskalkulie (Rechenschwäche) unterrichtet, interviewt seine neuen Schüler anstatt sie zu testen. Sie wundern sich vielleicht, dass gerade Mathematik-Leistungen von ihm nicht mit standardisierten Tests überprüft werden. Zimmermann möchte z. B. wissen:. "Wie viele Muggelsteine haben wir jetzt zusammen?" "Wie hast du das gerechnet?" "Mit den Fingern?" "Kannst du mir zeigen, wie du das gerechnet hast?" Indem der Autor seine jungen Klienten im ersten Interview laut denken lässt, erfährt er aus ihren Lösungsstrategien, warum sie von einem bestimmten Punkt an dem Mathematik-Unterricht der Grundschule nicht mehr folgen konnten und selbst regelmäßige Nachhilfe zu keiner Besserung ihrer Leistungen führte. Im Gegensatz zu den meisten Ratgeberbüchern zur Förderung von Mathematik-Leistungen sieht Wittmann schon den Begriff Rechenschwäche kritisch, der von einer organisch bedingten Störung (Hirnfunktionsstörung) oder einer Teilleistungsstörung (Wahrnehmungsstörung) ausgeht, wie sie häufig durch kinderpsychiatrische Gutachten dokumentiert wird. Wittmann dagegen erklärt Rechenschwäche entwicklungspsychologisch und sieht den Grund u. a. in methodischen Schwächen des Mathematikunterrichts der Grundschulen. Trotz befriedigender Leistungen hätten Kinder auch in höheren Klassenstufen Probleme in Mathe, wenn sie in der 1. und 2. Klasse grundlegende Zusammenhänge nicht verstanden hätten.


    Ist die Rechenschwäche eines Kindes erst erkannt, fügen sich im Rückblick für viele betroffene Eltern einzelne, wenig spektakuläre Beobachtungen zum Bild. Beim Würfeln können Kinder mit RS nur schwer die gewürfelte Zahl erfassen, ohne die Punkte einzeln abzuzählen. Kein Wunder, dass manche Kinder Brettspiele schon immer abgelehnt haben. Eltern beobachten, dass ihr Kind ungern zur Schule geht und mit psychosomatischen Beschwerden auf die ständigen Misserfolge reagiert. Häufig gibt es Streit bei der Erledigung der Hausaufgaben, weil die Erklärungsversuche der Eltern mit der Begründung abgelehnt werden, dass die Lehrerin die Aufgabe völlig anders gerechnet haben möchte als die Eltern. Der Schüler kann in diesem Fall nicht erkennen, welcher Lösungsweg zum korrekten Ergebnis führt. Erklärungsversuche einiger Eltern, ihr Kind sei faul, es könne sich schlecht konzentrieren, treffen im Fall ernster Mathematikprobleme selten zu. Nachhilfeunterricht wird erfolglos bleiben, wenn Kinder rein mechanisch üben oder den Rechenweg auswendig lernen, ohne ein Verständnis für Zahlen und Mengen zu entwickeln. Während in ihrer Klasse längst das Einmaleins gelernt werden soll, rechnen Schüler mit Problemen in Mathematik häufig noch mit Hilfe der Finger. Wenn keine Erfahrungen aus der Umwelt des Kindes an Rechenprozesse geknüpft werden können, wird das Auswendiglernen des Einmaleins sinnloses Pauken bleiben. Zehnerblöcke auf einem Arbeitsblatt vermitteln nicht jedem Schüler eine sinnliche Vorstellung davon, wie sich 100 aus Päckchen zu 10 oder 1000 aus Päckchen zu 100 zusammensetzen. Einige der von Zimmermann vorgestellten Hilfsmittel, um Kindern ein konkretes Zahlenverständnis zu vermitteln, sind aus der Montessori-Pädagogik bekannt (Abakus, Dienes-Blöcke, Rechenketten, Hundertertafel, Tausenderbuch, Ziffernplättchen).


    Klaus Zimmermann erläutert seinen Lesern, warum ein Kind, das noch keine Vorstellung von Mengen und Größen hat, dem Mathematikunterricht nur schwer folgen kann. Seine beispielhaften Interviews vermitteln eindringlich, wie Kinder mit Rechenschwäche denken. Förderung der visuellen Wahrnehmung oder Ergotherapie, wie sie häufig verordnet wird, haben laut Zimmermann keinen Einfluss auf das mathematische Verständnis. Damit Schüler ihren Entwicklungsrückstand in den Grundrechenarten aufholen können, müssen zunächst ihre mathematischen Kompetenzen gestärkt werden. Nach andauernden Auseinandersetzungen über Mathematik-Hausaufgaben kann es für den Familienfrieden entlastend sein, Kinder mit Rechenschwäche von einer neutralen Person unterrichten zu lassen. Kriterien für die Wahl eines geeigneten Nachhilfeinstituts listet Zimmermann auf.


    "Jedes Kind kann rechnen lernen" erklärt, warum Kinder mit Rechenschwäche dem Mathematik-Unterricht in der Grundschule von einem bestimmten Punkt an nicht mehr folgen können. Ohne spezielle Förderung und geeignetes Unterrichtsmaterial wird das Üben von Rechenaufgaben für diese Kinder nur sinnloses Pauken bleiben. Was genau geschehen muss und wie Eltern ihr Kind unterstützen können, beschreibt der Autor in seinem übersichtlich gegliederten Ratgeber plausibel. Jedes Kapitel des Buches endet mit einer knappen Zusammenfassung der wichtigsten Fakten.


    Fazit:
    Aus meiner Perspektive als Mutter, die Hausaufgabenhilfe für Grundschüler organisiert hat, kann ich Zimmermanns Beobachtungen und Erklärungen in allen Punkten bestätigen. Gerade Eltern, die selbst nur schwer nachvollziehen können, warum ihr Kind sich mit "ein paar Rechenaufgaben" so schwer tut, ersparen sich mit Zimmermanns Elternratgeber zeitraubende Umwege, erhebliche Kosten und unnötige Tränen bei den Hausaufgaben. Eltern betroffener Schüler und Laien, die Kindern bei den Hausaufgaben helfen, müssen sich ihr Wissen über den Prozess des Rechnenlernens oft mühsam zusammensuchen. Vermisst habe ich im Buch einen Hinweis, wie Eltern die anstrengende Zeit optimal organisieren können, in der ein sowieso demotiviertes Kind die regulären Hausaufgaben erledigen muss (die es aufgrund seiner Rechenschwäche aktuell nicht bewältigen kann) und zusätzlich Unterricht erhält, um das Mengen- und Zahlenverständnis zu fördern. Um mit seinem Ratgeber möglichst viele betroffene Eltern zu erreichen, sollte Klaus Zimmermann Textabschnitte, die sich nicht auf mathematische Sachverhalte beziehen, verständlicher formulieren. Aus diesem Grund bewerte ich seinen Eltern-Ratgeber mit nur 8 von 10 Punkten.