Jan-Uwe Rogge: Pubertät - Loslassen und Haltgeben

  • Jan-Uwe Rogge: Pubertät - Loslassen und Haltgeben
    aktualisierte erweiterte Neuausgabe
    Rowohlt 2010. 352 Seiten
    ISBN-13: 978-3499626555. 9,99€


    Der Autor
    Jan-Uwe Rogge ist Familien- und Kommunikationsberater und Buchautor. Er hält Vorträge und führt Seminare im In- und Ausland durch. Seine Bücher sind Klassiker der Elternliteratur und Bestseller, sie wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Er ist als Experte regelmäßiger Gast in zahlreichen Rundfunk- und Fernsehsendungen.


    Verlagstext
    Die Pubertät ist eine schwierige Zeit. Türen werden geknallt und Eltern für doof befunden. Was soll man denn tun, wenn Töchter oder Söhne wochenlang in abgerissenen Jeans und ungewaschenen Hemden herumlaufen und bei Vorwürfen nur mit der Spießerfahne winken? Und was soll man zu einer Mutter sagen, die sich ständig um die Meinung der Nachbarn sorgt und einen nur bis um 11 Uhr abends zur Fete lässt?


    Fest steht, Pubertät ist mühsam für alle Familienmitglieder, die Nerven liegen bloß. Aber der Nervenkrieg muss nicht sein, sagt Jan-Uwe Rogge, denn mit Pubertät lässt sich auch produktiv umgehen. Eltern dürfen in der Erziehung gerade jetzt nicht kapitulieren, denn Erziehung ist auch in der Pubertät möglich! Jugendliche brauchen den richtigen Spielraum für die Entfaltung ihrer Identität, Eltern müssen erkennen, dass die Verweigerung ihrer pubertierenden Kinder zu dem Wunsch gehört, sich auseinanderzusetzen, Grenzen auszutesten. Gerade in der Pubertät bildet sich die Vertrauensbasis für die spätere Beziehung zwischen Eltern und dann erwachsenen Kindern.


    Inhalt
    "Jedes Kind hat einen eigenen Fahrplan, mit dem es die Pubertät durchläuft - einige starten zu früh, andere spät, einige halten überall, nehmen jede Bahnstation mit, andere halten sich an einigen Bahnhöfen besonders lange auf, manche fahren im ICE-Tempo, manche wie eine Zahnradbahn, uund wieder andere fahren nicht nur vorwärts, sie fahren zurück, um zu schauen, woher sie gekommen sind." (S. 60)


    Jan-Uwe Rogge gewinnt die Sympathie seiner Leser und Zuhörer mit der Methode KGN - Kopfschütteln, Grinsen, Nicken. So peinlich wie die von ihm angeführten überbesorgten Eltern bist du aber nicht, schüttele ich den Kopf. Es ist übertrieben, aber mein Kind wird Rogge zustimmen, grinse ich. Seine Beschreibungen haben also einen wahren Kern, nicke ich zustimmend. Das befreiende Lachen über pubertierende Jugendliche ist der beste Weg zur Einsicht, dass die eigenen Kinder nicht nerviger, man selbst nicht unfähiger ist als andere.


    Der Autor beschreibt die Pubertät als Veränderung in den Familienbeziehungen; nicht nur die Kinder pubertieren jetzt, auch das Familienleben pubertiert. Aus einem Erzieher-Team wird wieder ein Paar - die Wahrnehmung der Zweisamkeit erleichtert Kindern die Ablösung von den Eltern. Rogge markiert mit Halt geben, Beziehungsfragen in den Sachfragen erkennen, Reibungsfläche bieten, Respektieren und Respekt für sich selbst einfordern, Grenzüberschreitungen nicht überbewerten, aber Grenzen setzen wichtige Voraussetzungen, um die Pubertät gelassen zu überstehen. Sein Pubertätsbegriff geht über die körperliche Reife hinaus; denn die Adoleszenz (das Heranwachsen) beginnt mit dem Ende der Pubertät und dauert über sie hinaus. Bis Jugendliche endgültig in die Gesellschaft hinein gewachsen sind, kann es bis zum 24. Lebensjahr dauern. Dass die verlängerte äußere (finanzielle) Abhängigkeit die innere Unabhängigkeit verzögert, bereitet vielen Eltern Sorgen. In der überarbeiteten und erweiterten Neuausgabe seines Buches geht Rogge speziell auf die beschleunigte körperliche Entwicklung Jugendlicher ein, den zunehmenden Schulstress, der Familien belastet, und auf neue Erkenntnisse der Hirnforschung. Rogge outet sich in Bezug auf die Medienwelt als Digital Immigrant. Sein Urteil über Mediennutzung Jugendlicher im Zeitalter des Web 2.0 klingt gelassen, er vertraut auf die Medienkompetenzen Jugendlicher. Wer in sozialen Netzwerken selbst direkten Kontakt zu Jugendlichen hat, wird weniger gelassen reagieren. Dass hier nicht nur ein Medium miterzieht, sondern Kinder bei ihrem Abtauchen in virtuelle Welten im Netz lebenslang Spuren hinterlassen, sollte m. A. in einem Ratgeber zur Pubertät ausführlicher diskutiert werden.


    Fazit
    Rogge zeichnet ein sehr treffendes Bild vom pubertierenden Jugendlichen, der sich gerade in einer Zwischenwelt befindet. Die alte Haut passt nicht mehr und wie beim Krebs ohne Panzer, ist diese Haut besonders empfindlich, bis eine neue, schützende Haut gewachsen ist. Deutlich weist der Autor auf die Bedeutung des eigenen Vorbilds hin, differenziert zwischen Verständnis und Akzeptanz, Gelassenheit und Gewährenlassen, Ratschlag und Besserwisserei. Das dritte Kapitel des Buchs liefert kurz & knapp Ratschläge und arbeitet die schlimmsten Fehler in der Erziehung Jugendlicher heraus: Labern, Unterstellungen, Vorwürfe, Unbeherrschtheit, Schulleistungen überbewerten.


    "Pubertät" ist als zeitgemäßes, lösungsorientiertes Sachbuch für Eltern und natürlich auch für Jugendliche selbst geeignet.


    9 von 10 Punkten