Zwölf Schritte - Lilja Sigurdardóttir

  • Klappentext
    Im hohen Norden wird viel getrunken. Und viel gemordet.
    Den Alkoholentzug hat er gerade hinter sich. Jetzt will Magni sein Leben wieder in den Griff bekommen und vor allem seine Exfrau Idunn zurückgewinnen. Idunn ist Kriminalkommissarin in Reykjavík und ermittelt in ihrem ersten Mordfall – aus dem bald eine bestialische Mordserie wird. Beunruhigenderweise entstammen alle Opfer dem Milieu der Anonymen Alkoholiker. Und der Täter bewegt sich Schritt für Schritt, Mord für Mord auf Magni zu …


    Über die Autorin
    Die isländische Autorin Lilja Sigurdardóttir wurde 1972 geboren. 2008 gewann sie mit ihrem Debütroman "Spor" (dt. Zwölf Schritte) den Schreibwettbewerb des Verlages Bjartur. 2010 erschien ihr zweiter Roman "Fyrirgefning" ebenfalls im Bjartur Verlag.


    Meine Meinung
    Die Geschichte klang so gut - eine Kriminalkommissarin schleust kurzerhand ihren alkoholkranken Exmann zwecks verdeckter Ermittlung bei den Anonymen Alkoholikern ein, um einen grausamen Serienmörder dingfest zu machen. Alkoholkranke Ermittler gibt es häufiger im Krimi (Harry Hole etwa), doch die AA und ihr "Aussteiger-Programm" Zwölf Schritte sind mir als Thema bisher noch nicht begegnet. Da die Autorin mit diesem Buch zudem einen Schreibwettbewerb gewann, bin ich recht optimistisch an die Lektüre herangegangen. Das hat sich dann leider doch recht schnell gelegt. Der Krimi selbst ist nicht schlecht, und die Autorin kann auch durchaus erzählen, doch schreibt sie ihr Buch aus der männlichen Ich-Perspektive - und ich kann diesem Ich-Erzähler weder den Mann noch die Alkoholsucht ernsthaft abnehmen. Zudem ist dem Leser schon im ersten Drittel des Buches - lange bevor Magni und seine Ex Idunn es ahnen - klar, wer der Täter ist. Die Hinweise des ersten Mordes sind einfach zu überdeutlich. Schade.


    Fazit: Was auf den ersten Blick wie ein Krimi-Highlight aussieht, entpuppt sich schnell als nichtssagende Einheitskost. Kann man lesen, muss man aber nicht.

  • Zitat

    Original von Tilia Salix
    Kann man lesen, muss man aber nicht.


    Ich muss das schon lesen, der Vollständigkeit halber, habe aber nicht allzuviel erwartet. Das scheinst du ja zu bestätigen :-(

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Ich habe auf der letzten Buchmesse in Frankfurt den isländischen Autor
    Árni Thórarinsson kennen gelernt. Er ist im gleichen Verlag wie ich und wir waren einen Abend zusammen mit der Verlagscrew unterwegs und hatten sehr viel Spaß. Das hat mein Interesse für die isländischen Krimi-Autoren wirklich belebt, zumal die sich - was bei der überschaubaren Einwohnerzahl Islands nicht verwunderlich ist - natürlich irgendwie alle kennen. Was ich von mir nicht behaupten kann ;-) Daher vielen Dank für die Vorstellung. Ich denke, ich werde auf jeden Fall mal reinlesen und bin gespannt, wie es bei mir ankommt.

  • Ich unterschreib das jetzt einfach mal, obwohl ich von besagtem Arni noch nichts gelesen habe. Die Rezensentin auf der Krimi-Couch hat sich die Mühe gemacht, die Seite zu notieren, auf der dem Leser klar ist, wer der Täter ist: S. 40. Da wird die Mördersuche dann doch etwas langweilig. Aber es ist ansonsten ganz nett geschrieben, es gibt sicherlich schauerlicherere Bücher.

  • Zitat

    Original von Tilia Salix
    Da wird die Mördersuche dann doch etwas langweilig. Aber es ist ansonsten ganz nett geschrieben, es gibt sicherlich schauerlicherere Bücher.


    Meine Hoffnung beruht darauf, dass es sich nicht nur als who-done-it lesen lässt. Mal schauen. Generell mag ich halt die Skandinavier - auch wenn die Isländer auch unter ihnen schon etwas speziell sind :lache

  • Magni, frisch aus der Entzugsanstalt Vogur entlassen, steht vor den Trümmern seines Lebens: seine Frau Idunn, Kriminalkommissarin bei der Reykjaviker Mordkommission, hat ihn wegen seiner Sauferei verlassen, sein Sohn ist den plötzlichen Kindstod gestorben und sein Job als Übersetzer seichter Liebesromane läuft eher schleppend. Als ein grausiger Mord Reykjavik erschüttert, wird er unverhofft von seiner Verflossenen kontaktiert: da das Opfer, das gekreuzigt in seiner Wohnung gefunden wurde, aktives Mitglied bei den Anonymen Alkoholikern war, soll Magni undercover in eben jenem Millieu ermitteln. Schnell wird klar, das so mancher ungeklärter Todesfall mit diesem Fall zusammenhängt: Island hat seinen ersten Serienmörder!


    Nun ja, womöglich ist dieser Kokolores den unglücklichen Umständen seiner Entstehung geschuldet: angeblich wurde die Autorin entdeckt, als ein Verlag den isländischen Dan Brown suchen ließ. Ich kenne Dan Brown nicht, schlimmer als dieser Thriller kann er jedenfalls nicht sein.
    Dabei ist die Idee, sagen wir, interessant: der Titel, zwölf Schritte, bezieht sich auf das „Genesungsprogramm“ der Anonymen Alkoholiker, bei dem in eben jenen zwölf Schritten zur Selbsterkenntnis und letztlich zu Gott gefunden werden soll. Mal davon abgesehen, dass es mir neu war, dass den Anonymen Alkoholikern eine so explizit christliche, ja missionarische Einstellung zugrunde liegt, mag das als Aufhänger eines „Religionsthrillers“ zumindest origineller sein als die immer mal wieder gerne genommenen sieben Todsünden. Denn es stellt sich schnell heraus, das die verschiedenen Morde mit eben jenen „Glaubensbekenntnissen“ beziehungsweise deren Nichtbefolgung zusammenhängen, wodurch die religiöse Symbolik verständlich und letztlich klar wird: der Mörder muss in diesen Kreisen zu finden zu sein.


    Doch auch bei viel gutem Willen komme ich nicht umhin, dieses Buch als riesengroßen Humbug zu bezeichnen. Denn von der Grundidee einmal abgesehen, ist das alles ziemlicher Bullshit. Der Einstieg in die Geschichte, die Kreuzigung, ist zwar ein immer wieder gern genommenes Symbol für die Bestialität eines Mörders schlechthin, doch hier ist das Ganze eine Mogelpackung, denn dann bekommt die Autorin wohl Angst vor der eigenen Courage und alle weiteren Morde sind nicht grausamer als aktive Sterbehilfe. Naja, dafür sind es wenigstens schön viele...
    Nicht, das ich sonderlich auf blutige Thriller stünde, aber wenn eine denn mit einem solchen Paukenschlag beginnt, möchte doch noch mehr kommen.


    Überhaupt wirkt der Roman von vorne bis hinten unbeholfen, die Autorin selbst besticht durch eine faszinierend simple Weltsicht. Der religiöse „Unterbau“ geht nicht über Katechismus-Niveau hinaus, das klang streckenweise unfreiwillig komisch nach Kinderkirche. Und dennoch wirkt alles ganz, ganz weit an den Haaren herbeigezogen.
    Auch die „Innenansichten“ eines Alkoholikers sind seltsam oberflächlich und klischeebeladen. Man macht einen Entzug, hat dann ab und zu noch „unbändige Lust auf ein paar Bier und ein paar Schnäpse“, gibt dieser Lust nach, was total doof ist, oder widersteht, was wiederum genau richtig ist: das ist im Grunde das ganze Problem am Alkoholproblem.


    Doch am Schlimmsten war der Protagonist: ich hatte ständig das Gefühl, es mit einer Frau zu tun zu haben. Nun muss ein Kerl ja nicht zwingend ein Schmutzfink sein, doch wie Magni, dem Alkoholsumpf endlich entronnen, permanent damit beschäftigt ist, seine Bude zu putzen und mit irgendwelchen Kerzen, Deckchen und anderen Kinkerlitzchen aufzuhübschen, kam mir doch ausgesprochen weiblich vor. Und er steht zwar auf Frauen, doch auch hier musste ich mich immer wieder daran erinnern, dass es sich hier um einen heterosexuellen Mann und nicht um eine Lesbe handelte.


    Natürlich ließe sich trefflich darüber streiten, ob, von den handwerklichen Mängeln einmal abgesehen, es mein eigenes Problem ist, wenn ich derart aufgeblasene Plots vor isländischer Kulisse meist lächerlich finde. Aber irgendwie denke ich, ist es der Job eines Schriftstellers (und es gibt tatsächlich isländische Krimiautoren, die andere Sigurdardottir etwa oder Ingolfsson, die den beherrschen), mir in seinen Romanen eine Gesellschaftsbild zu entwerfen, in das das geschilderte Verbrechen hineinpasst. Lilja gelingt das leider in keinster Weise.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)