Mit den Augen meiner Schwester - Julie Cohen

  • OT: Getting Away With It


    Über den Autor
    Julie Cohen studierte Englisch an der Brown University in Rhode Island, USA. 1992 zog sie für ein Literatur-Aufbaustudium nach England und begann dort als Lehrerin zu arbeiten. Mittlerweile leitet sie Schreib-Workshops in England und den USA und widmet sich ansonsten voll und ganz dem Schreiben. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn in Berkshire. Mit den Augen meiner Schwester ist ihr erster Roman im Diana Verlag.


    Kurzbeschreibung
    Eine unvergessliche Schwesterngeschichte vom Weglaufen und Nach-Hause-Finden


    Als Kind konnte Liza Haven es kaum erwarten, ihrem beschaulichen Heimatort Stoneguard zu entfliehen. Lange war sie schon nicht mehr dort – seit jenem schrecklichen Weihnachtsfest, als die Mutter Lizas Schwester Lee zu ihrer Nachfolgerin in der familieneigenen Eiscreme-Manufaktur bestimmte. Als Liza nun nach Jahren in Amerika nach England zurückkehrt, muss sie feststellen, dass ihre scheinbar perfekte Schwester sich aus dem Staub gemacht hat. Unbeabsichtigt schlüpft sie in Lees Rolle und erkennt, dass deren Leben nicht so leicht und sorgenfrei ist, wie sie immer angenommen hatte. Ihren kleinen Heimatort hingegen findet sie gar nicht mehr so übel – Lees festen Freund Will übrigens auch nicht …


    Meine Rezension
    Dieser Roman erzählt die Geschichte zweier Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein können:


    Lee ist die „Gute“, die im Kaff Stoneguard geblieben ist und sich um die demente Mutter kümmert. Seit ihre Mutter nicht mehr dazu in der Lage ist und sie als ihre Nachfolgerin bestimmt hat, leitet sie auch die familieneigene Eiscremefabrik.


    Liza ist die „Böse“, die von Stoneguard geflohen ist, sobald sie nur konnte. Sie lebt seit Jahren in den USA und arbeitet dort als Stuntfrau. Doch eines Tages verbockt sie ihren Job ganz kolossal, weil sie selbstverschuldet einen schweren Unfall baut, dadurch einen schweineteuren Ferrari schrottet und selbst nach ihrer Genesung kein Bein mehr auf die Erde kriegt. Ihr Ruf ist erstmal ruiniert.


    Sie versucht, in England neu zu beginnen. Als sie ihrer Schwester zuliebe auf eine Veranstaltung in Stoneguard geht, wird sie mit dieser verwechselt. Doch wo bleibt Lee? Es scheint so, als bräuchte Lee eine Auszeit, die sie sich gerade an diesem Abend nimmt – mit einem geklauten Auto… und so schlüpft Liza (zunächst widerwillig) in Lees Haut und beginnt zu fühlen und zu verstehen, wie sich so ein „ziviles“ Leben anfühlt.


    Neu sind solche „Zwillingsrollentauschgeschichten“ natürlich nicht und die Autorin erfindet auch hier das Rad nicht neu. Doch mir hat gut gefallen, wie die beiden Schwestern durch den unfreiwilligen Rollentausch ein Stück weit das Leben der anderen erkunden und beginnen, diese besser zu verstehen.


    Die Geschichte ist wirklich nett und unterhaltsam geschrieben und schmökert sich weg wie nix. Natürlich spielt auch hier ein Mann eine Rolle, der quasi zwischen den Schwestern steht, aber auch wenn die Geschichte vorhersehbar ist, machte es mir großen Spaß, sie zu lesen.


    Ideale Sommer- und Urlaubslektüre und eine wirklich sehr unterhaltsame Familiengeschichte – denn auch wenn es vorrangig um die Zwillinge Lee und Liza geht, spielt auch ihre Mutter eine nicht unwichtige Rolle für mich.


    Ein leichtes, aber nicht seichtes Wohlfühlbuch – mir hat es wirklich überraschend gut gefallen.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich wollte es schon fast abbrechen, mir ging Liza unendlich auf die Nerven. Total egoistisch hat sie einfach ab und lässt Lee mit ihrer demenzkranken Mutter und der Eisfabrik zurück, jammert ständig rum, dass sie in Stoneguard ja eh keiner leiden konnte. Dass es aber ihr Verhalten war, welches die Leute so denken liess, darauf kommt sie natürlich nicht. Auch ihr Unverständnis dem geschrotteten Auto gegenüber, was sie ja fast mit einem Schulterzucken abtut, war sehr überheblich und egoistisch. Ich habe mich allerdings auch über die kurze Genesungszeit gewundert, ist es wirklich möglich, nach so relativ kurzer Zeit für die schweren Verletzungen wieder Stunts zu drehen? Naja, die Psyche macht ihr ja dann sowieso einen Strich durch die Rechnung.


    Absolut verständlich war auch, warum sie in Lees Leben geschlüpft ist. Wie immer in solchen Fällen erkennt sie dann natürlich auch, dass selbst in den Augen anderer scheinbar perfekte Leben so ihre ganz eigenen Makel haben können. Ausgerechnet Liza, die meistens sorglos in den Tag lebte, muss sich nun mit einem vollgepackten Terminplaner herumschlagen. Charmant löst sie viele für sich aufkommende Probleme, was wiederum beweist, dass Sachen genausogut auf verschieden Arten erledigt werden können. Irgendwann hat mich Liza dann aber doch überzeugt und ich habe das Buch mit Genuss zu Ende gelesen, bei dem Liza noch einmal all ihre Stuntfähigkeiten beweisen durfte.


    Zwar hat die Autorin den Plot nicht neu erfunden, den gab es mit Sicherheit schon einige Male. Aber sie hat es geschafft, sympathische und authentische Charaktere zu erschaffen, die selbst in den kleinsten Rollen äußerst glaubwürdig wirken. Mir haben die Bewohner des Dorfes viel Spaß gemacht - und auch der adelige Will, eigentlich Lees Freund, ist ein gutes Beispiel dafür, wie viel ehrlicher es doch wirkt, wenn man mal die Fassade lüftet und auch mit hässlichen Wahrheiten nicht hinterm Berg hält.


    LG
    Patty