Frischer Wind für Walnut Hill – Kim Vogel Sawyer

  • Verlag: Scm Hänssler
    Juni 2012
    344 Seiten


    Originaltitel: Courting Miss Amsel
    Übersetzung: Ulrike Chuchra


    Kurzbeschreibung:
    Walnut Hill - ein beschauliches Städtchen in Nebraska. Ein Städtchen, dessen Bewohner Weizen anbauen und glücklich sind, wenn alles so bleibt, wie es ist. Allerdings nur, bis die junge Lehrerin Hannah Robin dort ihre erste Stelle annimmt. Für sie ist es ihr Traumjob: eine Schule, eine Klasse, in der sie ihre progressiven Ideen umsetzen kann. Für Walnut Hill ist das eine neue Erfahrung und Grund für Empörung. Doch Hannah lässt sich durch die Proteste nicht beirren. Und dann ist da noch der attraktive Farmer Joel, der die neue Lehrerin unwiderstehlich findet ...


    Über die Autorin:
    Vogel Sawyer mag Kinder, Katzen und Schokolade. Sie hat zwölf Romane verfasst, vier sind bis heute auf Deutsch erschienen. Sie engagiert sich in ihrer Kirche, wo sie Bibelunterricht für Erwachsene gibt und sowohl im Kirchen- als auch im Handglockenchor musiziert. In ihrer Freizeit geht sie gern ins Theater, näht Patchworkdecken und übt sich in der Kalligrafie. Kim und ihr Mann Don leben in Kansas. Sie haben drei Kinder und sechs Enkelkinder.


    Mein Eindruck:
    Dieser Roman ist im Original bei dem christlichen Verlag Bethany erschienen und daher ist die christliche Komponente die wichtigste im Buch, das sich zudem sehr gut und flüssig lesen lässt.


    Nebraska, Ende des 19.Jahrhunderts. Die Lehrerin Hannah hat ihre Familie verlassen, um in Walnut Hill ihre erste Lehrtätigkeit zu beginnen. Schnell erobert sie die Schüler durch intelligente Lehrmethoden und den Verzicht auf den Einsatz des Rohrstockes.


    Neue Methoden erschrecken allerdings konservative Farmer und so ist nicht jeder im Stadtrat mit der neuen Lehrerin einverstanden.
    Aber sie hat auch Freunde auf ihrer Seite, z.B. die resolute Mrs.Kinsley, bei der sie wohnt und den Farmer Joel, der alleine seine zwei Neffen aufzieht, nachdem deren Eltern bei einem Unfall ums Leben kamen.


    Kim Vogel Sawyer gelingt es, die wichtigen Figuren alle sehr positiv und liebenswert zu gestalten.


    Hannah, die Schuldgefühle hat, dass sie ihre Familie verlassen hat, bekommt bald Besuch ihrer jüngeren Schwester, bei der sie nach dem frühen Tod der Mutter die Mutterstelle eingenommen hatte.


    Obwohl Hannah selbstbewusst und intelligent ist, ist sie nicht sicher, ob sie ihren Platz im Leben schon gefunden hat. Daraus kristallisiert sich die Message des Romans:
    Sich ganz in die Hände Gottes zu begeben und ihm zu vertrauen, dass er einen lenkt und somit auf den richtigen Platz im Leben stellt.
    Es passt daher der dem Roman vorgestellte Psalm 183,3
    Wenn ich zu dir bete, erhörst du mich;
    Du machst mir Mut und gibst mir Kraft.


    Gerade mit diesem Roman erweist sich Kim Vogel Sawyer als Erbin von Janette Oke, insbesondere an deren Kanada-Reihe musste ich vergleichsweise denken.


    Insgesamt ist der Roman sehr amerikanisch. Was ich besonders schätze ist, dass er beim Lesen eine entspannende Wirkung erzeugt.


    Für Fans des Genres kann bei diesem Buch nichts schief gehen.
    Wer sich einen Eindruck über den Stil verschaffen möchte, findet im SCM-Shop eine Leseprobe.

  • Herr Palomar  
    Das gehört zwar eigentlich nicht hier her, aber auf der Verlagshomepage habe ich gerade gelesen, daß es von Cathy Hake bereits 2 neue Bücher gibt, die ich noch nicht kenne.
    Hast du davon vielleicht schon eines gelesen, nachdem dich "Ärztin in Rot" ja eher enttâuscht hatte?

    Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben.
    Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. (Voltaire)

  • Manchmal müssen wir in einen heftigen Sturm geraten, um zu erkennen, wie sehr wir eine Zuflucht brauchen. (Seite 314)


    Meine Meinung


    Die Autorin ist mir erstmals bewußt begegnet mit ihren Mennoniten-Romanen. Da ich aber nicht gleich mit einer Trilogie beginnen wollte, habe ich zunächst nach diesem Buch gegriffen, was mir - bedenkt man die Zeit, in der das spielt - als eine Mischung aus „historical romance“ und „Western“ erschien. Nun, Westernelemente gibt es eigentlich keine, sieht man von den für die damalige Zeit typischen Farmen oder Städtchen ab, aber das hatte ich auch nicht so wirklich erwartet. Es war mein erstes Buch der Autorin und auf jeden Fall ein gelungener Einstieg in die Welt ihrer Bücher.


    Die Übersetzung scheint mir gut gelungen, denn meist hatte ich das Gefühl, einen deutschen Originaltext zu lesen. (Und genau solches soll eine Übersetzung mMn vermitteln). Nur an manchen Stellen schien die amerikanische Urversion durch. Verändert wurden, wie wohl oft in deutschen Ausgaben, die Namen der Figuren, zumindest die Hauptfigur heißt eigentlich Edythe Amsel. Aber ich gebe zu, daß sich „Hannah Robin“ im Deutschen deutlich leichter liest.


    Ich hatte es relativ leicht, ins Buch bzw. die Geschichte hineinzukommen, hat es mich - was die Beschreibung der Schule und so manchen Verhaltens der Eltern betrifft - an Catherine Marshalls „Christy“ erinnert. Das spielt zwar rund dreißig Jahre später in den Appalachen, aber so sehr viel scheint sich auf dem Land nicht verändert zu haben.


    Ein Thema, das sich durch das gesamte Buch hindurch zieht, ist das Gottvertrauen. Hannahs Mutter ist früh gestorben, durch die Unfähigkeit des Vaters haben sie ihre Farm verloren, der darob in Melancholie und Untätigkeit versunken ist. So war sie mit vierzehn gezwungen, die Rolle der Mutter für ihre jüngeren Geschwister zu übernehmen. Jetzt, mit achtundzwanzig, möchte sie ihr eigenes Leben leben und hat sich den Wunsch erfüllt, als Lehrerin tätig zu sein. Doch Missie, die vierzehnjährige Schwester ist damit so gar nicht einverstanden, und taucht eines Tages in Walnut Hill auf. Zum Glück nimmt Hannahs Vermieterin Luthenia auch die Schwester auf; die Probleme, die sie verursacht und ihre Ansichten passen so richtig zu einem Teenager in dem Alter.


    Nicht gerade leicht hat es Hannah durch ihre - für damals - modernen Lehrmethoden, die auf körperliche Strafen verzichtet. Und als sie den Kindern mehr als bloß Rechnen, Schreiben und Lesen beibringen will, erntet sie erst recht Widerstand bei dem Teil der Bevölkerung, der nicht einsieht, daß ein Farmer - oder ein Mädchen - mehr als ein paar Grundkenntnisse haben muß.


    Da Hannah schon eine ganze Kinderschar großgezogen hat, ist sie nicht sehr motiviert, gleich wieder damit zu beginnen, weswegen die jeden Verehrer abweist und sich vorgenommen hat, nicht zu heiraten. Dumm nur, daß Verstand und Gefühl manchmal unterschiedliche Wege gehen, und so merken wir Leser noch vor Hannah selbst, daß sie drauf und dran ist, sich gegen ihren Vorsatz zu verlieben. In Joel, einen alleinstehenden Farmer, der seine beiden Neffen nach dem Tod von deren Eltern zu sich genommen hat.


    Die vorsichtige Annäherung der beiden war für meine Begriffe sehr glaubwürdig beschrieben, vor allem, wenn man daran denkt, daß wir das Jahr 1882/1883 schreiben. Da ging das alles nicht so schnell. Auch das verstandesmäßige sich Wehren von Hannah war gut nachvollziehbar. Ich habe sie förmlich vor mir gesehen und mich immer wieder gefragt, wann sie sich denn endlich eingesteht, daß ihre schöne Theorie in der Praxis nicht standhält. [sp]Und schütteln hätte ich sie mögen, als sie - nachdem sie Joel deutlich expressis verbis zu verstehen gegeben hatte, daß sie ihn nicht heiraten würde - tatsächlich so etwas wie Eifersucht entwickelte, als der sich einer anderen zuwandte. Ja mein Gott, was hätte er denn tun sollen?[/sp]


    Wie erwähnt, taucht das Thema „Gottvertrauen“ immer wieder auf. Hannah hat durch ihr bisher nicht gerade leichtes Leben gelernt, sich vor allem auf sich selbst zu verlassen, und nicht auf andere oder gar Gott. Sie will alles möglichst unter Kontrolle haben; auch das, was nicht kontrollierbar ist. Es ist ihre Vermieterin (und Freundin) Luthenia, die immer wieder darauf hinweist, daß sie loslassen und sich Gottes Führung anvertrauen soll. Hannah ist, vielleicht etwas unüblich (oder wieder doch?) fürs Genre, nicht die Frau, die ständig betet oder Gott mehr vertraut als sich selbst. Und es wird, da mit spoilere ich gewißlich nichts, denn das ist zu erwarten, eines recht einschneidenden Erlebnisses bedürfen, um zu ihr durchzudringen. Und auch das schien mir sehr realistisch, kam ohne jede „Magie“ oder „übernatürliches Wirken“ aus, und dennoch konnte ich nachvollziehen, daß dies zu einem Wendepunkt in Hannahs Leben und Einstellung wurde.


    Ein weiteres Thema ist das Frauenwahlrecht, welches es damals noch nicht gab, und für das Hannah beginnt sich einzusetzen. Auch da auf nachvollziehbare und logische Weise ins Buch eingeführt. Ich habe mich höchstens gewundert, weshalb sie nicht über ihre Motive mehr gesprochen hat.


    Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen. Die Figuren wurden recht lebendig, ich habe sie vor meinem geistigen Auge gesehen und konnte Handlungs- wie Denkweisen gut nachvollziehen. Auch das Ende kam nicht überraschend schnell, sondern das Erzähltempo wurde bis zum Schluß gleichermaßen durchgehalten. Sicherlich das richtige Buch zum Einstieg in die Werke der Autorin, weitere stehen schon in meinem Regal und werden bald gelesen.



    Kurzfassung:


    In einer Kleinstadt in Nebraska tritt Hannah Robin ihre erste Stelle als Lehrerin an. In ruhiger Sprache erleben wir ihr erstes Jahr mit all seinen Problemen und Herausforderungen. Ein Buch zum Nachdenken und zum Wohlfühlen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")