Das Kabul-Komplott - Cédric Bannel

  • Der Autor
    Cédric Bannel, geb. 1966, begann seine Karriere im diplomatischen Auslandsdienst. Er arbeitete außerdem im französischen Finanzministerium, wo er vor allem mit der internationalen Finanzaufsicht und Sanktionen gegen Libyen und Irak betraut war. Er ist der Begründer und Geschäftsführer eines der größten Internet-Unternehmen in Frankreich.



    Inhalt
    Als man in Kabul in seinem Privathaus die Leiche des Geschäftsmannes Wadi Wali findet, wird Kommissar Osama Kandar an den Tatort gerufen. Es scheint Selbstmord gewesen zu sein, doch Kandar kommen Zweifel. Dass der Innenminister sich einschaltet und weitere Ermittlungen unterbinden will, bestärkt Kommissar Kandar darin, mit seinen Assistenten weiter zu ermitteln.


    In Bern ist Nick Snee Analyst bei "der Firma", einer geheimdienstnahen Organisation. Während seiner Arbeit stößt er zufällig auf Informationen über die "Akte Mandrake". Auf unterschiedlichen Kontinenten verläuft parallel die Suche von Kommissar Kandar und Nick nach Informationen darüber, was es mit dieser Akte Mandrake auf sich hat.



    Meine Meinung
    Bürgerkrieg, religiöser Fanatismus, Stammes- und Clanstrukturen, alltägliche Gewalt, sowie überall herrschende Korruption sind die Faktoren, die Afghanistan seit Jahrzehnten von innen heraus zerstören. Zusätzlich besteht durch den westlichen "Krieg gegen den Terror" das Gefühl der Besatzung und es kommt auch für die Bevölkerung oft zu tödlichen Zwischenfällen. Vor diesem Hintergrund ist der Tod von Wadi Wali nur einer unter vielen, aber mit dieser stetigen Gefahr, gewaltsam zu Tode zu kommen, ist es in Afghanistan äußerst unwahrscheinlich, dass jemand Selbstmord begeht, so die Meinung von Kommissar Kandar. Kandar, inzwischen über 50, hat sowohl als Soldat als auch bei der Polizei Jahrzehnte lange Erfahrung. Er wird allgemein respektvoll mit dem Titel "Qoumaandaan" angeredet, da er bei der Nordallianz unter General Massud gekämpft hat.


    Auf der einen Seite wollen die Taliban das Land ins Mittelalter zurück führen, viele Afghanen aber möchte endlich Frieden in ihrem Land erleben und auch die Freiheit, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten. Vor diesem Hintergrund ist es sehr spannend, die Ermittlung durch Kommissar Kandar zu verfolgen. Im Zeitalter von CSI ist die Polizei von Kabul auch nicht auf dem Informationsstand und bei den Ermittlungsmethoden des Mittelalters steckengeblieben, allerdings ist es nicht immer ganz einfach, auf entsprechendes Arbeitsmaterial Zugriff zu bekommen.


    In die Handlung werden immer wieder Begebenheiten am Rande eingeflochten, wie z.B. eine Szene in einem Krankenhaus, in der ein Ehemann seine schwerstverletzte Frau nicht von einem Mann behandeln lassen will, als sich endlich zwei Krankenschwestern gefunden haben, kann die Frau immer noch nicht behandelt werden, da die beiden Krankenschwestern nur zwischen Männern arbeiten dürfen, wenn sie Burka tragen. Bis sich endlich Burkas gefunden hatten, war die Ehefrau dann leider verblutet.


    Im weiteren Verlauf der Handlung wird in einem Gespräch zwischen Osama Kandar und Mullah Bakir erwähnt, dass während der Talibanherrschaft ein strenggläubiger Talibanführer Menschen die Hand hat abhacken lassen, weil sie - statt wie traditionell flache Steine - Toilettenpapier benutzt hatten, dies sei sündhaft, denn von Toilettenpapier stehe nichts im Koran. Osama Kandar erwidert darauf, dass die von Taliban bevorzugt benutzen Kalaschnikows und Jeeps aber auch nicht im Koran erwähnt würden. Diese Beispiele unter vielen machen die herrschende Grausamkeit und gleichzeitig auch Absurdität deutlich.


    "Das Kabul-Komplott" wird in zwei Handlungssträngen erzählt, wobei der stärkere Teil Kommissar Osama Kandar gehört, der eindeutig die Hauptfigur der Geschichte ist. Osama Kandar selbst ist gläubig, und er hat nur eine Ehefrau, Malalai, die als Ärztin in einem Krankenhaus arbeitet, und sich für die Rechte der Frauen einsetzt, seine Kinder haben studiert und leben beide im Ausland und haben so eine Zukunftsperspektive. Er selbst möchte Afghanistan aber nicht verlassen, denn so hat er die Möglichkeit, doch zumindest in seinem Bereich etwas zu verbessern.


    Für die Lektüre schadet es nicht, Grundkenntnisse über Afghanistan zu haben, andererseits ist dies aber auch nicht erforderlich, als Anhang gibt es ein Glossar, eine Zeittafel und einige Informationen zur politischen und gesellschaftlichen Situation.


    "Das Kabul-Komplott" ist ein sehr spannender Thriller vor dem Hintergrund eines zerrissenen Landes, dessen Darstellung auf mich sehr authentisch wirkte. Der Handlungsstrang mit Nick Snee und den Widersachern wirkt ein bisschen konstruiert, es gibt einige Zufälle zuviel, und im Gegensatz zu Osama Kandar bleiben die weiteren Personen leider etwas blass, auch "der General" und Joseph. Daher gibt einen Punkt Abzug für einen ansonsten gelungenen Thriller. Aufgrund von Informationen an anderer Stelle halte ich auch die Auflösung für realistisch. Von mir gibt es für "Das Kabul-Komplott"


    Neun Punkte



    [SIZE=6]Edit: Rechtschreibfehler beseitigt[/SIZE]
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  • Danke für die ausführliche Rezi zu einem interessanten Buch, das ich gewiss lesen werde.
    Da ich im Rahmen meiner eigenen jahrelangen Recherchen ziemlich klare Vorstellungen davon bekommen habe, was man dort unter "strenggläubig" versteht, leuchtet mir dieser Passus deines Textes aber nicht ganz ein:


    Zitat

    Original von Uta
    Osama Kandar ist selbst strenggläubig, aber er hat nur eine Ehefrau, Malalai, die als Ärztin in einem Krankenhaus arbeitet, und sich für die Rechte der Frauen einsetzt, seine Kinder haben studiert und leben beide im Ausland und haben so eine Zukunftsperspektive. Er selbst möchte Afghanistan aber nicht verlassen, denn so hat er die Möglichkeit, doch zumindest in seinem Bereich etwas zu verbessern.


    Ein "Strenggläubiger", der duldet, dass seine studierte (!) Frau sich für Frauenrechte engagiert und dessen Kinder (Töchter???) im Ausland studieren, ist einigermaßen ungewöhnlich.
    Weist der Roman evtl. Konflikte des Kandar mit seiner eigenen Religion aus oder lässt er Zweifel an deren rigiden Vorschriften zumindest durchscheinen? Bei seinen von dir beschriebenen Lebensumständen müsste er eigentlich tagtäglich mit sich im Unreinen sein, wenn er denn tatsächlich strenggläubig in dem Sinne ist, den dieses Wort dort hat.


    Könntest du dazu noch etwas sagen? Vielen Dank für deine Mühe vorab! :wave

  • Zitat

    Original von Dieter Neumann
    Ein "Strenggläubiger", der duldet, dass seine studierte (!) Frau sich für Frauenrechte engagiert und dessen Kinder (Töchter???) im Ausland studieren, ist einigermaßen ungewöhnlich.
    Weist der Roman evtl. Konflikte des Kandar mit seiner eigenen Religion aus oder lässt er Zweifel an deren rigiden Vorschriften zumindest durchscheinen? Bei seinen von dir beschriebenen Lebensumständen müsste er eigentlich tagtäglich mit sich im Unreinen sein, wenn er denn tatsächlich strenggläubig in dem Sinne ist, den dieses Wort dort hat.


    Könntest du dazu noch etwas sagen?


    Es wird thematisiert, dass Osama Kandar nicht so ganz glücklich damit ist, dass seine Frau sich einer (sich im Geheimen treffenden Frauengruppe) angeschlossen hat, woraus sich ja auch durchaus negative Konsequenzen für sie ergeben könnten, und erst recht, dass seine in Kanada lebende Tochter ihren Mann verlassen will* passt nicht in seine Vorstellung von angemessener Lebenführung. Er ist mit seiner Ehefrau seit (etwa) Ende der 1970er verheiratet, zu der Zeit war es für Frauen in Afghanistan bedeutend einfacher zu studieren. Da er seine Ehefrau liebt und er deshalb auch keine Zweitfrau in Betracht gezogen hat, und auch seine Kinder liebt, so dass er sie lieber sicher im Ausland weiß, ist er tatsächlich manchmal im Zwiespalt mit sich.


    Im Buch wird eine Bandbreite unterschiedlicher Einstellungen verschiedener Personen dargestellt, einer seiner Assisstenten spart darauf, eine weitere Frau heiraten zu können, ein anderer wünscht sich ein moderneres Afghanistan. Der kurz angesprochene Mullah Bakir ist ein gemäßigter Talib, es tauchen aber noch ganz andere Gestalten auf ...


    (*Es ist schon einige Wochen her, seit ich das Buch gelesen habe. Hoffentlich verdrehe ich jetzt nix ... :gruebel)



    Edit: Ich habe oben die Formulierung "strenggläubig" in "gläubig" umgeändert, denn ein Fundamentalist ist Osama Kandar nicht ...



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