Rosamond Smith (d. i. Joyce Carol Oates): Dein Tod mein Leben

  • Rosamond Smith (d. i. Joyce Carol Oates): Dein Tod mein Leben
    dtv 1995. 345 Seiten
    ISBN-13: 978-3423120012
    Originaltitel: Soul/Mate
    Übersetzerin: Maria Poelchau


    Inhalt
    Dorothea ist seit Jahren verwitwet. Sie wird ab und zu von befreundeten Paaren mit dem leicht durchschaubaren Ziel eingeladen, sie einem möglichen Partner vorzustellen und ihren Kampf gegen die Einsamkeit endlich zu beenden. Auch die Weidmanns fühlen sich verpflichtet, Dorotheas Glück auf die Sprünge zu helfen. Dorotheas verstorbener Mann und Martin Weidmann kannten sich schon seit ihrer Studentenzeit. Warum Paare Singles einladen, hat Dorothea nie verstanden. Sie ahnt, dass diese Einladung verlaufen wird wie alle anderen vorher. Ihr Tischnachbar wird von seinem Beruf erzählen und Dorothea wird dann kaum mehr zu Wort kommen. Männer fragen Frauen nie nach ihrem Beruf. Unerwartet taucht an diesem Abend der Großneffe der Weidmanns auf. Das Schicksal des Besuchers, das Ginny Weidmann genussvoll ausposaunt, während Colin im Obergeschoss duscht, lässt beim Leser alle Warnlampen aufleuchten. Colin war seit dem Unfalltod seiner Eltern immer wieder in sonderbare Ereignisse verwickelt und zeigte schon früh alle Merkmale eines Psychopathen. Depressionen, Magersucht, sexueller Missbrauch im Internat, Colin ist einfach ein "armer Junge", zu naiv für die böse Welt. Natürlich machen nur andere Menschen Fehler, provozieren Colin unnötig und wollen ihm irgendwelche Therapien aufschwatzen. Colin Asch weckt sofort den Gluckentrieb der anwesenden älteren Frauen und fühlt sich besonders zu Dorothea hingezogen. Der Mann sieht gut aus und ist sich dessen bewusst. Obwohl Dorothea Colin durchschaut, füht sie sich in seiner Anwesenheit aufgewertet. Offenbar kann auch sie ihren Gluckentrieb jüngeren Menschen gegenüber nur schwer steuern. Colin fühlt sich durch Dorotheas Interesse ebenfalls aufgewertet; denn sie sieht von den anwesenden Frauen am besten aus.


    Colin erfährt, dass Dorothea im Beruf einen unangenehmen Widersacher hat. Bei der Besetzung einer Stelle, die im Einvernehmen aller Dorothea zugedacht ist, sieht sie sich heftigem Widerstand eines Kuratoriumsmitglieds gegenüber, das einen eigenen Kandidaten durchsetzen will. Als Dorotheas Kritiker auf spektakuläre Weise ums Leben kommt, sieht noch alles nach einem gewöhnlichen Raubüberfall aus. Doch dieser Todesfall ist erst der Beginn einer Reihe äußerst beunruhigender Ereignisse, von denen sonderbarerweise jedes Mal Dorothea einen Vorteil hat.


    Fazit
    Ausgehend von der hinreißenden Szene, in der Ginny Weidmann versucht, Dorothea zu verkuppeln, bis in die absonderlichen Gedankengänge eines Psychopathen zeichnet Joyce Carol Oate als "Rosamond Smith" Milieu und Figuren mit leisem Zynismus und einer bewundernswerten Beobachtungsgabe. "Dein Tod mein Leben" hat mir mit seinen Frauenfiguren, die einem Killer verfallen, von ihren Psychothrillern bisher am besten gefallen.


    10 von 10 Punkten