Requiem - Eoin McNamee

  • Englischer Originaltitel: "Orchid Blue"



    Klappentext
    Robert McGladdery, der letzte Mann, der 1961 in Nordirland gehängt wurde, war angeklagt des Mordes an einer Neunzehnjährigen. Er beteuerte seine Unschuld, bis er überraschend, am Abend vor seiner Hinrichtung, ein Geständnis ablegte. Ein Geständnis, dessen Wahrhaftigkeit bis heute zweifelhaft ist. McNamee spürt einem Geschehen nach, das nie eindeutig geklärt wurde. Sein Interesse gilt ebenso der Aufdeckung eines spektakulären Justizirrtums wie der Anatomie einer Gesellschaft, die einen solchen Irrtum erst möglich macht. Halb Fallstudie, halb Fiktion, ist dies eine Expedition in ein menschliches und soziales Drama. Nordirland, ein dunkler Planet, Brachland einer verlorenen Gesellschaft, die dem Filz in Verwaltung, Justiz, Regierung und Klerus nichts entgegenzusetzen weiß.




    Der Autor
    Eoin McNamee, 1961 im irischen Kilkeel geboren, studierte ursprünglich Jura, bevor er Schriftsteller wurde, mehrere Romane veröffentlichte und sich mit seiner raffinierten Verknüpfung von Fakten und Fiktion einen Namen machte. Der Roman ›The Blue Tango‹ (2001) war für den Booker Prize nominiert. Nach Stationen in London, Dublin und New York lebt Eoin McNamee heute in Sligo an der Westküste Irlands.







    Inspektor Eddie McCrink kommt von London nach Belfast um dort die Stelle des Bezirksleiters anzunehmen. Was ihn genau veranlasste, von England nach Nordirland umzusiedeln, bleibt etwas im Dunklen. Just zu diesem Zeitpunkt wird die 19jährige Pearl Gamble in der kleinen Stadt ermordet. Dem Fall wird höchste Priorität eingeräumt. Und schon schnell steht für Polizei und Bewohnern fest, wer der Mörder ist: Robert McGladdery, unehelicher Sohn und Herumtreiber, der einige Zeit in London verbrachte und seitdem ein wenig geckenhaft durch den Ort spaziert. Alle wollen einen Schuldigen hängen sehen, jemand, der es verdient. Ob nun für diesen Mord oder für irgendetwas anderes. Sei es auch nur für das Anderssein. Beweise werden getürkt, Worte in den Mund gelegt. 1961 gab es noch keine DNA-Abgleiche. Die Geschichte wird auch nicht besser, durch die Tatsache, das vor 9 Jahren die Tochter des Richters, der den Prozess verhandeln wird, ebenfalls 19jährig ermordet wurde. Der Täter wurde gefasst, aber später wegen psychischer Erkrankung begnadigt, eine Zeitlang behandelt und schließlich freigelassen.


    Für McCrink ist der Fall zu Beginn ebenso eindeutig. McGladdery ist einfach der perfekte Täter und das perfekte Bauernopfer. Erst nach und nach erwachen in ihm Zweifel, zu sehr wird die Verurteilung vorangetrieben. Und ebenso erwachen in ihm Zweifel, was damals mit der Tochter des Richters passiert ist.


    Der Autor bedient sich eines dokumentarischen Stils. Er beginnt seine Geschichte, führt Figuren ein, die er dann gelegentlich die Führung übernehmen lässt, deren Hintergrund er kurz ausleuchtet. Er webt ein düsteres Bild einer Stadt und ihrer Bewohner. Die Polizei ist nicht an Gerechtigkeit interessiert. Die ganze Ermittlung ist eine Farce. Eoin McNamee ist ein Meister der kleinen Andeutungen. Er webt seine Geschichte aus den losen Fäden, die seine Figuren darstellen, mal folgt er jenem, mal einem anderen. Da die Geschichte auf wahren Begebenheiten basiert, weiss man, das es kein gutes Ende für McGladdery geben wird. Aber vielleicht war er ja auch wirklich der Täter.


    „Requiem“ ist kein leichtes Buch. Der Schreibstil ist düster, die Geschichte nicht minder. Der Dokumentarstil empfand ich als etwas anstrengend und auch ermüdend. Es wäre interessant gewesen, zu erfahren, was evtl Fiktion war und was wahr. Ein Nachwort gibt es leider nicht. Mir persönlich war der Schreibstil irgendwie zu wabernd und andeutungsschwanger. Das ist aber mein persönlicher Geschmack. Interessant fand ich, mit welcher Bedenkenlosigkeit ein Schuldiger auserkoren und bis zur Verurteilung geführt wurde, ohne Skrupel, ob er es wirklich war. Im Prozess werden Zeugen Worte in den Mund gelegt und die Geschworenen belehrt, was sie zu glauben haben und was sie missachten können. Das ist schon eine düstere Schilderung. Mir hat McGladdery leid getan zum Schluss.


    Da ich mich etwas schwer getan habe mit dem Stil und ein wenig Konzentrationsprobleme dadurch hatte, gibt es von mir nur 6 Punkte.

  • In diesem Roman werden die Ereignisse beschrieben, die zur letzten Hinrichtung in Nordirland im Jahr 1961 führten. Es handelt sich um den Mord an der 19-jährigen Pearl Gamble, die nach einer Tanzveranstaltung nackt und brutal erstochen auf einem Feld gefunden wird. Für die Bewohner der nordirischen Kleinstadt Newry und die Polizei steht der Täter schnell fest: Robert McGladdery, 26 Jahre alt, mit einer ungebührlichen Vorliebe für Bodybuilding und Großbritannien. An eine Suche nach anderen möglichen Tatverdächtigen ist nicht zu denken, denn der Täter scheint gefunden zu sein. Ohne Skrupel veranstalten die Bewohner der Stadt Newry, die Polizei und Politik eine Hetzjagd nach McGladdery, welche diesen schließlich an den Galgen bringt.


    Als ich den Klappentext dieses Romans gelesen habe, habe ich zunächst einen Justizthriller im Stil von John Grisham erwartet. Nach der Lektüre dieses Romans kann ich dies allerdings nicht bestätigen, denn sowohl der Schreibstil als auch der Erzählstil in „Requiem“ unterscheiden sich meiner Meinung nach sehr von dem in John Grishams Romanen.
    Es handelt sich hier um einen sehr düsteren Roman, Eoin McNamee zeichnet das Bild einer verkommenen, von wirtschaftlichem und moralischem Verfall geprägten Gesellschaft. Ein gespaltenes Land, immer unter dem strengen Blick der britischen Regierung. Die Unzufriedenheit ist groß, Korruption an der Tagesordnung. Die Auffassung des Richters Curran vom Justizsystem verdeutlicht dies sehr gut: „Recht mit Gerechtigkeit gleichzusetzen ist ein Fehler. Eine faire Rechtsprechung ist ein Nebenprodukt unserer Justiz, nicht ihr Sinn und Zweck.“ Das Leben eines Menschen scheint wertlos zu sein. Nicht nur das Leben eines möglicherweise unschuldigen Mannes, auch der Tod von Pearl Gamble scheint nur dafür ausgenutzt zu werden, Rache an McGladdery und allem, was er repräsentiert, zu nehmen.


    Der Roman hat mir größtenteils gut gefallen, allerdings habe ich einige Dinge zu bemängeln. Ich fand „Requiem“ häufig etwas zäh, was dazu führte, dass ich mich immer wieder dabei erwischt habe, mit den Gedanken abzuschweifen, so dass ich manche Seite doppelt lesen musste. Außerdem habe ich mich zwischenzeitlich immer wieder gefragt, was in diesem Roman Wahrheit und was Fiktion ist. Ich hätte es schön gefunden, wenn am Ende des Romans noch ein Nachwort des Autors abgedruckt worden wäre, über seine Recherchen und seine Beweggründe diesen Roman zu schreiben. Dass Eoin McNamee die Richtigkeit des Urteils, das zu McGladderys Hinrichtung führte, in Zweifel zieht, wird deutlich. Da dies heute nicht mehr zu beweisen ist, wäre eine deutlichere Stellungnahme nicht sinnvoll. Es wird dem Leser überlassen, sich eine Meinung über das von Richter Curran gefällte Urteil zu machen. Allerdings hätte ich mir eine tiefergehende Analyse der Gesellschaft, sowohl in Newry als auch in Nordirland gewünscht.


    Etwas merkwürdig fand ich zudem den Erzählstil, zwischendurch werden immer wieder Passagen im Präsens beschrieben, die offenbar aus der Perspektive des Autors bei seinen Recherchen erzählt werden. Dies führt zu einem Bruch im Lesefluss, da man sich bei der Lektüre häufig klar machen musste, aus welcher Perspektive berichtet wurde. In diesem Zusammenhang ist mir auch die unpassende Verwendung von Anführungszeichen bei der wörtlichen Rede aufgefallen. Mal werden Anführungszeichen genutzt, mal nicht, manchmal scheint es sich auch um indirekte Rede zu handeln, wobei dies nicht direkt ersichtlich ist. Möglicherweise ist dies ein Zeichen einer schlechten Übersetzung, auf jeden Fall verursacht es einen Stilbruch, sowie einen unterbrochenen Lesefluss.


    Die im Buch beschriebene Gesellschaft, insbesondere die Einwohner der Stadt Newry, die Leichtigkeit, mit der ein Mensch zum Tode verurteilt wird und die Skrupellosigkeit der handelnden Personen, waren erschreckend. Die Tatsache, dass es sich hier um einen wirklichen Fall handelt, ist umso erschreckender. Dieser Roman liefert viele Argumente gegen die Todesstrafe.


    Insgesamt kann ich sagen, dass es sich bei „Requiem“ um einen lesenswerten Roman handelt, in dem Eoin McNamee ein kritisches Bild der Gesellschaft im Nordirland der Sechzigerjahre zeichnet. Ich denke allerdings, dass man aus dieser Geschichte mehr hätte machen können.