Cynthia Hand - Unearthly - Heiliges Feuer

  • Die sechzehnjährige Clara ist ein Engelblut.
    Erst vor kurzem hat sie erfahren, dass sie ein Schutzengel ist, auserkoren, eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen.
    Doch leider hat Clara ihre erste Aufgabe als Schutzengel so ziemlich vermasselt. Weil sie ihren Freund Tucker Avery aus den Waldbränden gerettet hat, konnte sie ihre wahre Bestimmung nicht erfüllen: Christian Prescott aus den Flammen befreien. Doch da sich herausgestellt hat, dass auch Christian unerwarteterweise selbst ein Engelblut ist, hatte er Claras Hilfe auch gar nicht nötig.
    Was ist also Claras wirkliche Aufgabe?


    Alles könnte so schön für Clara sein:
    Sie ist immer noch mit ihrer Sommerliebe Tucker zusammen, sie erfährt Wissenswertes über die Engel und ihre eigene Bestimmung, sie lernt mehr und mehr ihre übernatürlichen Kräfte zu beherrschen, sie könnte Zukunftspläne schmieden usw.
    Doch leider muss sie erkennen, dass ihre Aufgabe vielleicht noch gar nicht beendet ist, dass sie in den nächsten Monaten einen herben Schicksalsschlag verkraften muss, dass sie möglicherweise doch für Christian Prescott bestimmt ist, dass die Schwarzflügel, gefallene Engel, die die Welt mit Traurigkeit überziehen, es vielleicht auf Clara abgesehen haben, aus welchen Gründen auch immer.


    Und alles könnte so schön für den Leser sein:
    Der zweite Band der Unearthly- Trilogie schließt fast unmittelbar an die Geschehnisse des Auftaktbandes an. Zudem streut Cynthia Hand immer wieder Details aus dem ersten Band ein, sodass man sich in der Geschichte recht schnell wieder zurechtfindet.


    Doch ich muss zugeben, dass ich die Leichtigkeit, die Ironie und den Sarkasmus des ersten Bandes wirklich vermisst habe. Als ich im Sommer die Seiten über Clara, Tucker und Christian verschlungen habe, hatte ich ein Lächeln auf den Lippen, Schmetterlinge im Bauch. Ich bin mit Clara über Wolken geschwebt.
    Doch jetzt im Herbst wehte eine alles verschlingende Melancholie durch die Seiten, dunkle Schatten legten sich über jedes Wort.
    Von Anfang an wird Claras Leben durch einen Traum oder gar eine Vision beherrscht, die auch den Leser bedrücken wird. Leider erfährt man jedoch recht schnell, durch welchen Schicksalsschlag diese Visionen hervorgerufen werden. Dies nimmt einerseits viel Spannung aus der Geschichte heraus, lässt sie andererseits aber wieder unglaublich ernst und unerwartet real und das vorherbestimmte Schicksal unausweichlich erscheinen. Zweifel und Ängste eines jeden liebenden Menschen durchdringen jede Zeile.
    Clara, Tucker, Christian und Jeffrey wirken zudem reifer, erwachsener, ernster. Claras kleinen Bruder Jeffrey plagen zudem noch ganz andere, düstere Probleme, über die sich Clara und der Leser den Kopf zerbrechen werden.
    Für die liebgewonne Ironie und den auflockernden Sarkasmus des Auftaktbandes gibt es somit leider keinen Platz mehr. Claras flapsige Sprüche, ihren Sinn für Humor wird man auf den ersten zweihundert Seiten vergeblich suchen.


    Und trotz der Tiefe der Emotionen und der Zukunftsängste gab es anfangs nur wenige Momente, in denen ich so richtig mitfühlen, mitleiden konnte und wenn doch, dann war dies nur ein Aufflackern von Gefühlen für einen kurzen, zaghaften Flügelschlag lang. Und so fand ich die ersten zwei Drittel der Geschichte leider ein wenig durchschnittlich:
    Neue Engel werden eingeführt, Engelsversammlungen werden einberufen, Angela gründet den Engelclub und löst jahrhundertealte Fragen im Vorbeifliegen, der Feind, die Schwarzflügel, erlangt eine immer größere Bedeutung, das obligatorische Liebesdreieck wird wieder auferweckt.


    Ist Claras Bestimmung, ihre himmlische Verbindung zu Engel Christian, stärker als ihre irdische Liebe zu Tucker?
    Wird sich Clara gegen ihre Bestimmung wehren? Und dadurch vielleicht den Zorn des Himmels noch mehr auf sich ziehen, schließlich hat sie ja schon bei ihrer ersten Aufgabe versagt? Besteht die Gefahr, vom Himmel verstoßen zu werden?
    Oder wird sie sich mehr und mehr von Tucker distanzieren?
    Daraus hätte man wirklich etwas zaubern können, aber Clara und ihre widersprüchlichen Gefühle blieben mir anfangs fern und unnahbar. Tucker war einfach nicht mehr der Tucker, wie man ihn kennenlernen durfte - zudem nur noch eine blasse Randfigur. Dafür war Christian umso öfter an Claras Seite, was ihn dennoch liebenswürdig und sympathisch erscheinen ließ und ganz und gar nicht als Widersacher.


    Doch irgendwann wurde ich doch wieder auf flauschigen Engelsflügeln der Fantasie mitgenommen, die einzelnen Federn der Geschichten konnten bei mir endlich ein Lächeln herauskitzeln, ich konnte Claras Trauer, ihre gemischten Gefühle nachvollziehen. Auch wenn ich nicht mehr so zuckersüß berauscht und romantisch verklärt auf Wolke Sieben wie im ersten Band schweben konnte.
    Gottseidank konnte mich das letzte Drittel wieder mit unerwarteten Wendungen und Einfällen, Spannung (ohne Action), einer Spur Ironie und Gefühlsstürmen überzeugen!
    Je trauriger und schwermütiger die Geschichte wurde, umso schöner fand ich sie, umso mehr habe ich sie geliebt, umso tiefer bin ich in ihr versunken.


    Ich habe jedoch leider eine ähnlich melancholisch- heitere Geschichte wie bereits in "Unearthly - Dunkle Flammen" erwartet und erhofft, in der sich traurige und schmerzende mit heiter- fröhlichen Augenblicken die Waage halten. Und deshalb fiel mir wohl der Einstieg so schwer, denn der zweite Band ist so ganz anders, aber auf seine eigene Art nach einem schwierigen Start wieder richtig gut und ergreifend.
    Denn im zweiten Band herrscht leider eine unerwartet realistische Dunkelheit vor, die vor allem in einem Jugendroman viel Kraft und Macht entwickeln kann.
    Dafür erhält man jedoch eine gut durchkomponierte und durchdachte Geschichte von der ersten Seite des ersten Bandes an bis hin zum letzten Wort des zweiten Bandes!


    Und so ist "Unearthly - Heiliges Feuer" kein Jugendfantasybuch im herkömmlichen Sinne mit mystischen Wesen, actionreichen und spannungsgeladenen Kampfszenen zwischen Gut und Böse und einer jugendlich- romantischen Liebesgeschichte.
    Sondern eher ein ernster, ruhiger und unaufgeregter Jugendroman über das Erwachsenwerden, über das Reifen an sich selbst und an erlittenen Schicksalsschlägen, über jugendliche Ziele und Zukunftsängste, über familiären Zusammenhalt, über die Stärke von Freundschaft und Loyalität.
    Ein tiefgründiger und trauriger Coming of Age- Roman, der die Wirklichkeit auf Engelsschwingen zu uns herüberschweben lässt.


    Nur 4 von 5 Sternchen, weil ich einfach eine ganz andere Geschichte erwartet habe...
    Auf den Abschlussband der Unearthly- Trilogie freue ich mich sehr, da mir Clara und ihre beiden Jungs wirklich ans Herz gewachsen sind und noch einige Fragen offen sind, und ich freue mich auf viele weitere Romane von Cynthia Hand!

  • Tucker ist gerettet! In letzter Sekunde konnte Clara ihn aus dem Feuer unter Missachtung ihrer Aufgabe als Engelsblut herausholen. Und während sie noch über die Folgen ihres Handelns nachdenkt, hat sie bereits weitere Träume, die Fürchterliches erahnen lassen. Dabei befindet sie sich auf einer Beerdigung und alle ihre Freunde sind auch da - doch wo ist Tucker? Panik macht sich in Clara breit; die Angst, den Jungen, den sie liebt, zu verlieren ist groß. Doch was soll sie tun?
    Derweil gründet sie gemeinsam mit Angela, ihrem Bruder Jeffrey und Christian einen Engelclub, damit sie hier Informationen austauschen und ihre Fähigkeiten trainieren können. Doch ihr Bruder zieht sich mehr und mehr aus Claras Leben zurück, die dies jedoch aufgrund ihrer eigenen Sorgen nur am Rande registriert. Was ist los mit ihm? Weshalb verhält sich Jeffrey so merkwürdig? Und auch ihre Mutter tut sich weiterhin schwer, Clara mehr über ihr Leben als Engelsblut zu erklären. Was verbirgt sie?


    Die Handlung setzt unmittelbar nach Ende des ersten Bandes der "Unearthly"-Saga ein. Das fand ich sehr schön, befand ich mich doch gleich wieder unmittelbar in der gewohnt spannenden und fesselnden Handlung. Die Verbindung zu Clara war ungebrochen und so fühlte ich gleich wieder mit ihr und begleitete sie durch die Geschichte. Ich war so gefesselt, dass ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen wollte, nicht mal um mir die zwischendurch dringend benötigte Packung Taschentücher zu holen. Doch natürlich enthält die Geschichte auch viele schöne und romantische Aspekte, die sehr ausführlich und schön beschrieben sind, dabei aber nie ins Kitschige abzugleiten drohen. Immer noch befindet sich Clara im emotionalen Zwiespalt hinsichtlich Tucker und Christian. Während sie Tucker aufrichtig liebt, wird ihr nach Konfrontationen mit den Schwarzflügeln immer mehr klar, dass sie ihn damit auch in Gefahr bringt. Und auch Christian löst Gefühle in ihr aus, so dass sie sich weiterhin von ihm angezogen fühlt. Dabei verstärkt sich weiterhin der Eindruck, dass sie beide irgendwie zusammengehören. Wie soll sie sich entscheiden?


    Das Cover von "Heiliges Feuer" gefällt mir sogar noch besser als das von "Dunkle Flammen" und das, obwohl das schon sensationell gelungen war. Aber die Schlichtheit der Farben des doch sehr ähnlichen Motivs war noch beeindruckender als die farblich intensive Version des Vorgängers. Es ist wunderschön und romantisch und ein absoluter Hingucker.


    Die "Unearthly"-Reihe von Cynthia Hand ist einfach ein Knüller. Hier stimmt einfach alles: toller, geradezu fesselnder Schreibstil, sympathische Charaktere und eine wunderschöne Story, die einen einfach umhaut. Nach dem grandiosen Auftakt der Reihe habe ich erst befürchtet, dass Band 2 das sicher nicht halten kann, aber: Weit gefehlt! Ich habe diesen Teil noch fesselnder und noch emotionaler empfunden. Dadurch, dass hier noch weitere, neue Charaktere ihren Auftritt haben, wird die Geschichte noch runder und ist alles, nur kein Abklatsch des ersten Bandes. Ich war begeistert und kann den abschließenden Band der Trilogie kaum noch erwarten. "Unearthly" ist für mich eine der Top-Engelsreihen der letzten Jahre und ich empfehle jedem Fan von Jugend- und/oder Fantasybüchern: Unbedingt lesen!

    Es wäre gut Bücher kaufen, wenn man die Zeit, sie zu lesen, mitkaufen könnte, aber man verwechselt meistens den Ankauf der Bücher mit dem Aneignen ihres Inhalts.
    Arthur Schopenhauer (1788-1860)


    :lesend