Sternstunden der Menschheit - Stefan Zweig

  • Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren und starb am 23. Februar 1942 in Petrópolis, Brasilien. Er stammte aus einer großbürgerlich-jüdischer Familie.


    Er studierte in Wien und Berlin Phlilosophie, Germanistik und Romanistik. 1904 promovierte er zum Dr. phil. Er reiste viel und setzte sich für den Pazifismus und gegen den Nationalismus ein. Nach dem 1. Weltkrieg lebte er bis 1933 mit seiner Frau Friderike in Salzburg. Nach einer Übersiedlung nach England 1934, zog er 1941 weiter nach Brasilien, nach Petropolis im Bundesstaat Rio de Janeiro. Dort nahm er sich gemeinsam mit seiner zweiten Frau Lotte das Leben.


    Das Buch ist eine Sammlung von Geschichten, die Situationen beschreiben, in denen einzelne Menschen durch ihre Leistung oder Fehler den Gang der Geschichte veränderten.
    Den Titel "Sternstunden der Menschheit" finde ich irreführend. Mit Sternstunden verbinde ich nur positives, ein Glänzen oder Leuchten in der Nacht. Das trifft aber nicht für alle der 14 Geschichten zu, sicher für Händels Komponierung seines Halleluja, aber keinesfalls für die Eroberung und Plünderung von Byzanz. Unbestritten ist letzteres ein wegweisendes Ereignis in der Geschichte Europas, allerdings würde ich die Marseillaise und ihre Bedeutung für die Weltgeschichte nicht so hoch ansetzen (Franzosen werden mir hier sicher widersprechen).


    Die Sprache kam mir gelegentlich etwas zu poetisch, pathetisch vor, z. B.
    ... dass mit unsichtbaren Flügeln eine ewige Melodie sich niedergeschwungen in ihre irdische Gegenwart ...,
    ... die blitzerhellte Mündung die mächtige Steinkugel ausspeit ...,
    ... Mauern, von deren quaderner Kraft ...


    Während dieser Stil für mein Gefühl zu einigen Sternstunden, wie "Georg Friedrich Händels Auferstehung" noch ein Genuss sein kann, kommt es mir bei der Geschichte des ersten Funkspruchs über den Ozean unpassend vor. (...Elektrizität, ein Herkules schon in der Wiege ..., ... wie Ariel unsichtbar die Luft durchschwebend...)
    Bei der Formulierung, der Kaiser habe "Byzanz mit Quadern gegürtet" glaubte ich mich im falschen Buch, nämlich in Homers Ilias.
    Als Stilmittel verwendet der Autor immer wieder Wiederholungen, Aufzählungen (dem Verschollenen, dem Vergessenen), Steigerungen (einen Monat, zwei Monate).


    Beeindruckend ist die Schilderung der Schaffensekstase, in der Händel sein weltberühmtes Halleluja schuf. Kannte er das aus eigener Erfahrung? Dummerweise folgt anschließend die Geschichte zur Entstehung der Marseillaise, die diese Ekstase im kleinen wiederholt.


    Edit drängt mich schon seit Tagen, unbedingt meine anderen Highlights zu ergänzen:
    *
    Das ist zum einen "Heroischer Augenblick", wo der Autor in Gedichtform das Seelenleben und die Gedanken Dostojewskis vor seiner Hinrichtung beschreibt, die jedoch in letzter Sekunde verhindert wurde.


    In "Die Flucht zu Gott" am Vorabend der Oktoberrevolution versucht Tolstoi in einem Streitgespräch mit zwei Studenten seinen Standpunkt durchzusetzen, dass man Gewalt nicht mit Gegengewalt bekämpfen dürfe. Die Frage, warum er anders lebe als er rede, wühlt alte Gewissenkonflikte auf, die ihn dazu bringen, eine Entscheidung zu treffen, bzw. eine längst getroffene in Tat umzusetzen.
    *
    Mein dringender Rat: Dieses Buch sollte man nicht an einem Stück durchlesen, nicht mehr als eine Geschichte am Tag, und die dann je nach Stimmung auswählen. Vielleicht sollte man auch einzelne je nach Geschmach ganz weglassen. Ich habe ausführliche Beschreibungen von Schlachten nur überflogen.