Ein seltsamer Ort zum Sterben - Derek B. Miller

  • OT: Et merkelig sted à Do


    Kurzbeschreibung:
    Nach dem Tod seiner Frau ist Sheldon Horowitz mit 82 Jahren zu seiner Enkelin nach Oslo gezogen. In ein fremdes Land ohne Juden. Viel Zeit, um über die Vergangenheit nachzudenken. All die Erinnerungen. All die Toten. Eines Tages hört Sheldon aus dem Treppenhaus Krach: Er öffnet die Tür, und in seiner Wohnung steht eine Frau mit einem kleinen Jungen. Kurze Zeit später ist die Tür aufgebrochen, die Frau tot und Sheldon mit dem Kind auf der Flucht den Oslofjord hinauf. Was wollen die Verfolger von dem Jungen? Sheldon weiß es nicht. Aber er weiß: Sie werden ihn nicht kriegen.


    Über den Autor:
    Derek B. Miller, geboren in Boston und nach Stationen in Israel, England, Ungarn und der Schweiz seit längerem in Norwegen lebend, hat nach einer Promotion an der Universität Genf eine beeindruckende Karriere als Spezialist für Sicherheitspolitik absolviert. Er arbeitet für zahlreiche Gremien der UNO und Universitäten weltweit und ist Direktor eines Forschungsinstituts. «Ein seltsamer Ort zum Sterben» ist sein erster Roman, der zunächst auf Norwegisch veröffentlicht und seitdem in zahlreiche Länder (u.a. USA, Großbritannien, Australien, Frankreich, Israel, Niederlande, Spanien) verkauft wurde.


    Meine Meinung:
    "Ein seltsamer Ort zum Sterben" ist eine Geschichte, deren zugrundeliegendes Thema schwer zu fassen ist. Ist es eine Verurteilung des Krieges (doch welches? Korea-Krieg? Vietnam-Krieg? Kosovo-Krieg?), ein Einblick in die Gedankenwelt eines 82-Jährigen, in der die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion verschwimmen, eine Familientragödie, alles zusammen oder etwas ganz anderes? Der rote Faden, der die Handlung in der Gegenwart zusammenhält, ist relativ dürftig, die Personen mit Ausnahme des Protagonisten Sheldon Horowitz sind nur grob gezeichnet, wirken fast wie Statisten, ihre Handlungen werden nur skizziert, ihr Inneres nahezu komplett ausgeblendet. Zusammen mit den zahlreichen Rückblenden entstand ein Roman, der leider durchweg bruchstückhaft wirkt und so viel Potenzial verschenkt. Erst im letzten Drittel nimmt die Geschichte - nicht nur handlungsbezogen, sondern auch emotional - Fahrt auf, dafür kommt das Ende unerwartet abrupt und lässt viele Fragen offen. Der Gesamteindruck bleibt skizzenhaft und deshalb wird "Ein seltsamer Ort zum Sterben" leider nicht so lange im Gedächtnis bleiben, wie es dir Grundidee der Geschichte vielleicht verdient gehabt hätte. Schade.

  • Sheldon Horowitz, Veteran des Koreakrieges, fühlt sich als amerikanischer Jude bei seiner Enkelin in Oslo ziemlich unwohl. Er wurde überredet, zu ihr zu ziehen und seine Heimat zu verlassen. Dass er unter einer beginnenden Demenz leidet, ist ihm nicht bewusst, obwohl seine verstorbene Frau ihn ab und zu damit konfrontiert hat. So sitzt er also in einer fremden Stadt und verzieht sich langsam in seine innere Welt in der seine Vergangenheit eine große Rolle spielt, doch bevor er sich ganz in sich zurückzieht, geschieht im Haus ein Mord und sofort kommt der Soldat in ihm wieder zum Vorschein. Zusammen mit dem kleinen Sohn des Mordopfers flieht er aus dem Haus und vor dem Mörder.


    Der Roman funktioniert nicht wirklich gut. Horowitz wirkt als Figur nicht plausibel. Einerseits scheint er dement, was alle in seinem Umfeld von ihm sagen, andrerseits sind alle seine Handlungen logisch und durchdacht. Immer wieder zieht er sich zwar in seine Gedankenwelt zurück und die ist eine einzige Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit, doch stets ist sein nächster Schritt überlegt und kalkuliert.


    Die gesamte Flucht über erlebt er Szenen aus den beiden Kriegen, an denen er teil nahm, sieht Verstorbene und spricht mit ihnen und arbeitet sein Leben auf. Dabei werden teilweise brutale Szenen wieder lebendig, die auch für den Leser die grausame Realität des Krieges zeigen. Auch der Mörder und Verfolger der beiden ist vom Krieg geprägt (hier ist es der Balkankrieg) und auch über ihn erfährt man in Rückblenden vieles über sinnlosen Hass und das, was aus ihm hervorgeht.


    Doch irgendetwas fehlt der Geschichte, die Handlung ist eine Aneinanderreihung unterschiedlicher Szenen, die man distanziert betrachtet und die auch teilweise nahe gehen, doch was genau das Ganze soll, das erschließt sich nicht wirklich. Die Themen Kriegstraumata, Demenz und Integration bilden eine verwirrende Kombination von Botschaften, die der Autor scheinbar alle unbedingt in seinem Buch verarbeiten wollte. Die Spannung zum Ende hin entschuldigt nicht dessen Vorhersehbarkeit. 5 Eulenpünktchen dafür.

  • Zitat

    Original von Eskalina
    Doch irgendetwas fehlt der Geschichte, die Handlung ist eine Aneinanderreihung unterschiedlicher Szenen, die man distanziert betrachtet und die auch teilweise nahe gehen, doch was genau das Ganze soll, das erschließt sich nicht wirklich.


    :write Lustig, dass wir den Roman identisch wahrgenommen haben!