Ingo und Ingraban (Die Ahnen 1) - Gustav Freytag

  • Frei hat Gott die Menschen geschaffen, damit diese sich selbst ihr Schicksal bereiten. (Ingraban, Seite 251)


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    272 Seiten, kartoniert
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    ISBN-13: 978-1483939209


    Meine gelesene Ausgabe
    Gesammelte Werke in 22 Bänden, Verlag von S. Hirzel, Leipzig, 2. Auflage 1897, Band 8. Gebunden, 400 Seiten


    Eine Übersicht über alle sechs Bände des Romanzyklus findet sich > hier auf der Gustav Freytag Infoseite <



    Zum Inhalt (Quelle: eigene Angabe)


    Ingo


    Im Jahre 357 gelangt der Königssohn der Vandalen nach einer Schlacht mit den Römern, denen er die Fahne entrissen hat, zu den Thüringen. Dort findet er zunächst gastliche Aufnahme, die auch auf seine später hinzukommenden Gefährten gilt. Als er sich jedoch in die Tochter des Fürsten verliebt und diese sich ihm zuwendet, zieht Unheil am Himmel auf, denn die Eltern sind gegen diese Verbindung. Und dann senden die Römer ihre Boten und fordern Ingos Kopf.


    Ingraban


    Die Zeiten haben sich seit Ingos Tagen geändert. Im Jahre 724 geleitet sein Nachfahre Ingraban einen ihm seltsam scheinenden Fremden und dessen Begleiter in seine thüringische Heimat. Dieser kommt, um für seinen Gott zu werben. Es ist Winfried, vom Papst zum Bischof geweiht, der die Lande für das Christentum erobern will. Es ist die Zeit, da der alte mit dem neuen Glauben ringt, da die Franken ihre Macht ausdehnen und sich vieles zu ändern beginnt. So bleibt es nicht aus, daß Ingraban zwischen die Fronten gerät.



    Über den Autor (Quelle: Gustav Freytag Infoseite)


    Gustav Freytag wurde am 13. Juli 1816 in Kreuzburg (Schlesien) geboren. Sein Vater Gottlob Ferdinand war Arzt, seine Mutter Henriette Albertine eine geborene Lehe. Mit Unterbrechung war Gottlob Ferdinand Bürgermeister von Kreuzburg. Freytag studierte bei Hoffmann von Fallersleben und Karl Lachmann. Da er aus politischen Gründen keine Professorenstelle bekam, wurde er zunächst als Privatdozent in Breslau tätig. Ab 1848 gab er gemeinsam mit Julian Schmidt die nationalliberale Zeitschrift „Die Grenzboten“ heraus. Seine Artikel brachten ihm u. a., daß er von Preußen steckbrieflich gesucht wurde. Er ließ sich schließlich in Siebleben bei Gotha nieder, wo ihm später von Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha der Hofratstitel verliehen wurde.


    Von 1867 - 1870 saß er für die Nationalliberale Partei im Reichstag. 1870/1871 war er als Begleiter und Berichterstatter des Kronprinzen Friedrich von Preußen im Deutsch-Französischen Krieg dabei. 1893 wurde er zur Exzellenz ernannt und erhielt den Orden Ordens Pour le mérite der Friedensklasse. Freytag war in erster he mit Emilie Scholz verheiratet, die 1875 starb. Mit seiner zweiten Frau Marie Kunigunde Dietrich, von der er 1890 geschieden wurde, hatte er zwei Kinder. Im Jahre 1891 heiratete er in dritter Ehe Anna Strakosch, die er seine „Ilse“ nannte. (Quelle: „Gustav Freytag. Briefe an seine Gattin“, Berlin 1912, Vorwort von Hermance Strakosch-Freytag).


    Gustav Freytag starb am 30.4.1895 in Wiesbaden und liegt in Siebleben (heute ein Stadtteil von Gotha) begraben.


    Informationen im Internet
    - < Klick > das sagt Wikipedia
    - < Klick > Informationsseite über die Gustav-Freytag-Gesellschaft e. V.
    - < Klick > (M)eine Informationsseite über Gustav Freytag
    - [url=http://www.zeno.org/Literatur/M/Freytag,+Gustav/Romane/Die+Ahnen]< Klick >[/url] - der komplette Text der „Ahnen“ online




    Meine Meinung


    Ingo


    „Dieser Band entführt in Zeiten, die der Dichter leichter versteht als der Historiker“, so schreibt Freytag in seiner Widmung über diesen ersten „Ahnen“-Roman, mit dem der Zyklus in dunkler Vergangenheit anhebt.


    Nach einer Schlacht, in der er gegen die Römer gekämpft und ihnen das Wappen entrissen hat, zieht der von seinen Verwandten in der Heimat vertriebene Königssohn Ingo durch die Lande und kommt an den Hof des Gaufürsten Answald im Thüringischen. Nachdem das erste Mißtrauen beseitigt ist, wird ihm Gastrecht gewährt, nicht zuletzt deswegen, weil Answald einstens zu Gast bei Ingos Vater weilte. Die Römer jedoch wollen die Schmach, die sie durch den Verlust der Fahne erlitten haben, gesühnt wissen, und lassen nach Ingo suchen. Als der sich in Irmgard, Answalds Tochter, verliebt und diese sich in ihn, wird die Situation gefährlich und Ingo muß wieder in die Wälder fliehen.


    Da dies der erste Band des Romanzyklus ist, der die Geschichte eines Geschlechtes durch die Jahrhunderte verfolgt, so ahnt man schon, daß Ingo und Irmgard schließlich doch heiraten und zumindest ein Kind haben werden.


    Die Zeugnisse aus jener Zeit sind spärlich, vor allem auch, wenn es das normale Leben betrifft. So ist hier zu Beginn vor allem der Dichter gefragt, der das Bild einer längst verschwundenen Zeit entstehen läßt. Dabei bedient er sich auch stilistischer Mittel, indem der die Sprache jeweils der Zeit anpaßt. So mag Erzählweise des Autors wie auch die Redeweise der Figuren altertümlich anmuten, aber gerade das ist es, was mir ein deutliches Gefühl für die zeitliche Entfernung der Geschehnisse, für jene so ganz andere Welt vermittelt hat. Niemand weiß vermutlich, wie man damals wirklich gesprochen hat und miteinander umgegangen ist. Hier jedoch fühlte ich mich an die alten Heldensagen erinnert und in eine Zeit versetzt, in welcher jene Helden noch auf der Erde wandelten, bevor sie nach ruhmreicher Schlacht in die Halle ihrer Ahnen einzogen.


    So wird auf diesen rund zweihundert Seiten der Grund gelegt für eine Epos, das insgesamt rund zweitausend Seiten umfaßt (je nach Ausgabe). Wir erfahren von den Anfängen eines Geschlechtes, dessen Geschichte wir über einen Zeitraum von rund 1.500 Jahren verfolgen werden. Wir lesen vom Leben und Sterben der Vorfahren, an die sich schon wenige Jahrhunderte später niemand mehr erinnern wird, weil sie im Dunkel der Geschichte untergetaucht sind. Und erst am Ende, am „Schluß der Ahnen“, erhalten wir eine Vorstellung davon, wie wenig wir von unseren Vorfahren wirklich wissen, aber wie sehr wir doch von deren Denken, Tun und Handeln abhängig sind.


    Das Ende dieses ersten Teiles mag der geneigte Leser im Gedächtnis behalten, denn es wird uns wieder begegnen: Jahrhunderte später in Form einer alten Sage. Aber selbst bis dahin ist es ein weiter Weg.



    Ingraban


    Wiederum setzt die Handlung auf einem Waldwege ein, doch verändert ist alles. Über dreihundertfünfzig Jahre sind vergangen, da Ingo sein Leben ließ, und schwach ist die Erinnerung an den Ahnherrn. Nur uns Leser überkommt zu Beginn möglicherweise die eine oder andere Erinnerung, wenn der kleine Zug der drei Gefährten am Idisbache entlang reitet und uns wohlbekannte Überreste streift. Es ist die Zeit, da Bonifatius durch Germanien reist, um das Christentum zu verkündigen. Ingraban wurde als sein Führer geworben, und so kommt er, der dem alten Glauben anhängt, zum ersten Mal in Kontakt mit dem der Zukunft. Es gilt, Gefangene eines Raubzuges der Sorben auszulösen, darunter Walburg, die Frau, die Ingraban heiraten möchte.


    So wie die Zeit sich verändert hat, tat es auch der Schreibstil, der weg vom sagen-haften hin zu einer etwas vertrauteren Erzählweise gewechselt hat. Der Konflikt Christentum - Heidentum prägt einen Großteil der Handlung, wie auch das sich ausbreitende Reich der Franken. Unsere „Helden“ finden sich mitten im Geschehen wieder und müssen sich immer wieder entscheiden, welchem Weg sie folgen wollen. Dies gilt vor allem für Ingraban, da sich Walburg dem Christentum zugewandt hat.


    Die sich verändernde Welt wurde für meine Begriffe nachvollziehbar beschrieben. Altes und neues Gedankengut prallen hart aufeinander, das Ganze vermischt mit den Auseinandersetzungen der Zeit. Die Sorben waren durch die Völkerwanderung dort eingewandert und hatten sich niedergelassen, zur Zeit des Romans dehnte das Frankenreich seine Herrschaft in ihre Richtung hin aus. Diese Konfliktfelder bilden das Spannungsfeld des Romans, in dem der junge Ingraban seinen Weg und seinen Platz finden muß.


    Noch ist der Name seines Stammvaters bekannt, aber ansonsten ist die Erinnerung sehr geschwunden und nur weniges hat in Form von Sagen und Legenden überlebt. So wird sich wohl der Leser an einigen Stellen an die Geschehnisse aus dem vierten Jahrhundert erinnern, nicht aber der Held dieses Teils.


    In die Handlung bin ich noch mehr „eingetaucht“ als bei Ingo. Die Personen wurden für mich lebendig, ich habe mitgelitten und -gefiebert, den Schlachtenlärm gehört und den Rauch der brennenden Häuser gerochen. Kurz: ich fühlte mich in eine weit entfernte Zeit versetzt. Immer wieder wird der Konflikt Christentum - Heidentum thematisiert und dabei auch nicht mit, manchmal nur leiser, Kritik an ersterem hinterm Berg gehalten. Ich konnte die inneren wie äußeren Konflikte, die sich durch das seinerzeitige Neben- bzw. Ringen miteinander ergaben, sehr gut nachempfinden und habe mich an mancher Stelle gefragt, wie ich selbst, wäre ich in solcher Situation, wohl reagieren bzw. entscheiden würde.


    Nach vierhundert Seiten ist dann der erste der sechs Bände beendet. Der Boden ist bereitet, das Geschlecht begründet, dessen Geschicke wir in den Folgebänden über einen Zeitraum von über tausend Jahren bis hin in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts begleiten können. An markanten Punkten der deutschen Geschichte werden wir den Nachfahren des Ingo und der Irmgard, des Ingraban und der Walburg begegnen. Und selbst wenn deren Namen längst dem Vergessen anheim gefallen sein werden, so werden ihr Denken und Handeln ihren Einfluß auf die Nachkommen behalten.



    Kurzfassung


    In dunkler Vorzeit hebt der Romanzyklus um ein ursprünglich thüringisches Geschlecht an. Die ersten vierhundert Jahre sind geprägt vom Kampf gegen Nachbarn wie auch dem Ringen um den damals neuen Glauben, den Bonifatius ins Land bringt.
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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")