Wie erlebten Frauen die Jahre gleich nach dem zweiten Weltkrieg? Wie erfuhren Kriegsende und Neuanfänge, Vertreibung und Wiederaufbau, den Beginn eines Lebens ohne heißen Krieg?
Die freie Journalistin und Publizistin Helga Hirsch hat dazu neun Frauen befragt. Gegliedert hat sie ihr Thema in verschiedene Themenbereiche, Vertreibung, die Vorstellungen von Ehe und Familie in jenen Jahren, die Frage der Rückkehrer aus der Kriegsgefangenschaft, die Flucht aus dem Osten, Anfänge der DDR, Sexualität und Emanzipation. Die befragten Frauen erzählen ihre Geschichte, frei, ohne Einschränkungen. Hirsch gibt jeweils in einem ergänzenden Teil Hintergrundinformationen dazu, etwa über politische Entwicklungen in den Jahren von ca. 1945 bis 1955, Zahlen zu Bevölkerung, Einkommen, aber auch Kulturgeschichtliches über Kleidung, Wohnungseinrichtungen, Schwangerschaftsverhütung oder was in den Kochtopf kam.
Die Informationen sind dicht, die Berichte der Frauen lebendig. Das knappe Jahrzehnt zeigt sich bunt, vielfältig und komplex, was die Lebensentwürfe und die Möglichkeiten der Frauen damals angeht. Das ist gut dargestellt und bietet aufschlußreiche, spannende Lektüre. Hervorzuheben ist der Eingangstext von Christina Thürmer-Rohr, die bereits alle Grundthemen des Buchs anspricht, abgesehen allerdings von der DDR, und damit einen guten Einstieg bietet.
Im Lauf des Lesens aber verfliegt der positive Eindruck des Buchs. Was auf den ersten Blick ein logischer und durchdachter Aufbau zu sein schient, erweist sich bald als Durcheinander. Zum einen ist nicht klar, nach welchen Kriterien die Zeitzeuginnen ausgewählt wurden. Sind es Freundinnen der Autorin? Berühmtheiten? Stehen sie für bestimmte gesellschaftliche Gruppen? Schon an dieser Stelle beginnt die Einschränkung. Die Frauen haben einen bürgerlichen Hintergrund, Frauen aus einfachen Verhältnissen oder Frauen aus dem Arbeitsleben, Verkäuferinnen, Sekretärinnen, Frauen in Fabriken etwa fehlen ganz. Der Schwerpunkt liegt bei Hausfrauen, die versorgt waren, bis der Ehemann im Krieg fiel oder bis auf weiteres verschwand und die nun für die Restfamilie sorgen mußten. Eine der Frauen erzählt ihre Geschichte unter einem Pseudonym. Da erhebt sich die Frage, wie zuverlässig die Aussagen denn dann sind.
Die Themenvielfalt ist beim genaueren Hinsehen ebenso eingeschränkt. Es gibt ganz sicher viel Interessantes in dem Buch zu entdecken, aber zentral sind die Erfahrungen der Flucht in den Westen und vor allem das Streben nach materiellem Aufstieg. Sehr schnell wird eben der dann auch mit ‚Freiheit’ gleichgesetzt. Die, die dieses Buch liest, erwartet ein rundum konservativer Blick auf die Dinge.
Die beiden Kapitel über die DDR zeichnen dementsprechend die bösen Erfahrungen nach, die eine junge Frau macht, die in die staatliche Verfolgungsmaschinerie geriet, sowie einen bilderbuchartigen Aufstieg, der 1990 ein ungutes Ende fand. Letzterer Bericht aber gehört eben deswegen zu den differenziertesten, weil die Interviewpartnerin, Herta Kuhrig, ein hohes Maß an Selbstreflexion mitbringt, den so manche Frau westlich der Mauer vermissen läßt. Sehr diskussionsbedürftig ist das Kapitel über den Umgang mit ehemaligen Nazis in Westdeutschland, die es offenbar nur in der Propaganda der DDR gab. Frauenfragen werden angerissen, etwa die gezielte Verdrängung der Frauen vom Arbeitsmarkt, aber nicht diskutiert um so weniger, als einige der Interviewten individuelle Beispielkarrieren vorzuweisen haben.
Ausgewogenheit sollte eine nicht erwarten bei diesem Buch. Der Text stellt auch keine Fragen, sondern gibt Antworten. So war es. Frau X hat’s erlebt. Man darf’s glauben. Überprüfen kann man es nicht. Daß als Belege auch Dialoge aus Filmen der Zeit angeführt werden, macht das Ganze auch nicht eben solider.
Ein weiteres Problem sind die Fotos. Es gibt viele Szenen aus dem Alltag damals, leider sind sie völlig beliebig und nichtssagend. Die Bildunterschriften sind vage oder schildern gar etwas, das auf dem Foto gar nicht gezeigt wird. Hier fehlt jede publizistische Sorgfalt, das ist lieblos und schlecht gemacht.
Das Buch lohnt sich, wenn überhaupt, eher für Leserinnen mit einigen Vorinformationen, wer sie nicht hat, sollte es mit Skepsis lesen und scharf auf Widersprüchlichkeiten achten.