Die Lust am Text - Roland Barthes

  • Gebundene Ausgabe: 97 Seiten
    Verlag: Suhrkamp Verlag


    OT: Le plaisir du texte
    Aus dem Französischen von Traugott König


    Kurzbeschreibung:
    Das abstrakteste Instrumentarium moderner Semiologie dient dazu, dem Leser ein unmittelbares sinnliches Vergnügen am Text zu vermitteln. Diese Lust erwächst aus der intellektuellen und moralischen Prinzipienlosigkeit des Lesenden, dem im Moment der Lektüre nichts fremd, der allen Einflüsterungen zugänglich ist. Wie das im einzelnen – und im besonderen bei Roland Barthes (1915–1980), dem wichtigsten Vertreter strukturalistischer Literaturbetrachtung – vor sich geht, wird in scheinbar beiläufigen, jedoch äußerst kunstvollen Aphorismen und Exkursen verdeutlicht.


    Über den Autor:
    Roland Barthes, Literaturkritiker, Schriftsteller und Philosoph des 20. Jahrhunderts, war einer der bedeutendsten französischen Denker der Nachkriegszeit.


    Mein Eindruck:
    Dieses Essay über das genußvolle Lesen hat der französische Philosoph Roland Barhes offensichtlich mit großem Vergnügen geschrieben. Das spüre ich beim Lesen seines gedanklichen Spiels über den Umgang mit Texten.


    Einen Text nach seiner Lust zu bewerten, bedeutet nicht darüber zu urteilen, ob er gut oder schlecht ist.
    Im Mittelpunkt dieses Essay steht, was der Text beim Leser
    auslöst.
    Interessant finde ich auch, wenn Barthes darüber spricht, wie unterschiedlich verschiedene Texte gelesen werden. Manche taugen dazu schnell gelesen zu werden, zu überfliegen und zu überspringen, bei anderen ist langsames Leser erforderlich, man darf nichts auslassen.


    Barthes Empfehlung: ein aristokratischer Leser sein


    Roland Barthes zeiht seine Schlüsse aus der Lektüre von Büchern von Proust, Zola, Balzac, Sade, Jules Verne, Stendahl u..a.
    Aber beim Nachdenken über seine Themen kann man diese Namen auch leicht ersetzen durch Autoren, die für einen selbst das bedeutet was für Barthes die französische Literatur ist, und die Ideen über Texte Funktionen auch dann.


    Für Barthes ist Proust “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” der Bezugstext, den er auch in anderen Romanen wiederfindet.
    Solche Erfahrungen finde ich mit anderen Autoren und Büchern teilweise auch wieder.


    Manchmal führen die Abhandlungen des Themas zu originellen Aphorismen.
    Zum Beispiel:

    Zitat


    Die Lust am Text, das ist jener Moment, wo mein Körper seinen eigenen Ideen folgt - denn mein Körper hat nicht dieselben Ideen wie ich.


    Jeder zweite Franzose, heißt es, liest nicht: Die Hälfte Frankreichs wird der Lust am Text beraubt - beraubt sich dieser Lust.


    Die Lust am Text beachtet keine Ideologie.


    Man kann auch der Erkenntnis folgen
    Lusttötend ist die Langeweile, auch bei Texten.


    Barthes Buch, das 1973 entstanden ist, fand ich so beeindruckend, weil es von Leichtigkeit und Humor getragen ist, Barthes Leseerfahrungen kann ich teilen und/oder nachvollziehen. Viele seiner Schlußfolgerungen leuchten mir sofort ein. So stelle ich mir einen gelungenen philosophischen Text über Literatur vor.


    ASIN/ISBN: 3518469088

  • Mit seinem essayistischen Text versucht der Autor zu erklären, was Lust am Text ist, sein kann. Allen, denen Lesen (und auch Schreiben) Passion bedeutet, die sich mit Wirkung von Texten auseinander setzen, die hinter die Mechanismen blicken wollen, sei dieses Büchlein ans Herz gelegt. Viele fantastische, manchmal auch abenteuerliche oder originelle Thesen werden aufgestellt und begründet. Man muss nicht mit allem einverstanden sein oder nachvollziehen können, um Freude daran zu haben. Die Argumentationen bieten Unterhaltungswert.


    S. 43
    Der Text ist ein Fetischobjekt, und dieser Fetisch begehrt mich. Der Text erwählt mich durch eine ganze Vorrichtung von unsichtbaren Filtern, selektiven Hindernissen: das Vokabular, die Bezüge, die Lesbarkeit usw.; und ganz verloren mitten im Text (nicht hinter ihm wie ein Deus ex machina) ist immer der andere, der Autor.


    Was den Stil anbelangt: Roland Barthes hatte beim Schreiben mit Sicherheit nicht die Bequemlichkeit seiner Leser im Sinn. Sperrige Satzgebilde treffen auf interessante Wortneuschöpfungen (z. B. „desorthographieren“.


    Ebenso ist es für die Lektüre des Textes vermutlich hilfreich, über literaturwissenschaftliches Vokabular zu verfügen. Wenn nicht, sollte man sich nicht scheuen, einige Begriffe nachzuschlagen, um den ganzen Sinngehalt des Textes verstehen zu können. (Ich spreche hier aus praktischer Erfahrung… *g*)


    Man merkt dem Geschriebenen jedoch das tiefe Bedürfnis des Autors an, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen.


    S. 58
    Ich interessiere mich für die Sprache, weil sie mich verletzt oder verführt.


    Ich hatte definitiv meinen Spaß mit diesem Büchlein und gebe 9 von 10 Eulenpunkten.