'Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana' - Kapitel 01 - 04

  • Hallo Ihr Lieben,


    der erste Tag unserer Leserunde ist vorbei und was soll ich sagen:


    ich hab noch nicht mal angefangen :cry


    Und da mich mein Ober-ober-Boß gestern mit einer überraschenden Sitzung mit lauter Ober-ober-Bosses für Mittwoch eingeplant hat, wird's heute wohl superspät und damit wieder nichts... :cry


    Bye
    Pelican :wave

  • Hallo, allerseits!


    Darf ich auch mitlesen? Ich habe das Buch gerade in der Stadtbücherei ausgeliehen, und auch schon das erste Kapitel gelesen. Vielversprechend.


    Imeneo

  • Aber immer doch, Imeneo! Nur zu!


    Ich habe jetzt zwei Kapitel gelesen, bin gerade nicht sehr aufnahmefähig, hoffe aber, daß mir der Eco ein bißchen helfen wird.


    Sprachlich gefällt er mir schon wieder extrem gut -- er hat aber auch einen kongenialen deutschen Übersetzer ...

  • So, die ersten vier Kapitel und damit den ersten Teil habe ich durch.


    Was ich davon halten soll, weiß ich noch nicht so richtig. Interessant fand ich ja alle diese Nebelzitate. Ich sehe schon eine kommentierte Ausgabe aus dem Jahre 2104 vor mir, in der in unzähligen Fußnoten erklärt wird, worauf sich alle diese Sätze beziehen. Leider kenne ich selbst nur den kleinsten Teil davon, könnte also die Fußnoten selbst auch gut gebrauchen. Eigentlich müsste ich jede Menge googeln, um den Sachen nachzugehen, aber dazu bin ich dann doch zu faul. (Außerdem stößt man dann ja doch nur auf Bücher, die man nicht kennt und eigentlich auch gleich mal lesen müsste.)


    Die Idee selbst, über einen Menschen zu schreiben, der sein episodisches Gedächtnis verloren hat, und zwar mal nicht in Krimiform, finde ich gut.


    Die "geheimnisvolle Flamme" wird ja am Anfang des 4. Kapitels erstmals genannt; jetzt frage ich mich, wer denn "Königin Loana" sein könnte. Weiß jemand, ob das auch eine Romanfigur ist? Oder vielleicht eine historische Gestalt? Na ja, ich nehme an, dass das später im Buch geklärt wird. Wäre aber trotzdem schön, es schon jetzt zu wissen.


    Noch 'ne Frage: Weiß jemand, woher der Titel des 3. Kapitels stammt? Das ist ja auch ein Zitat, ebenso wie der Titel des 4. Kapitels. Ich frage mich auch, ob nicht alle Kapitelüberschriften Zitate sind.
    Ja doch, gerade doch mal gegoogelt: "Der grausamste Monat" ist aus T. S. Eliot - Das wüste Land:

    Zitat

    April ist der grausamste Monat, er brütet dem toten Land Flieder aus, mischt Erinnerung mit Verlangen, rührt auf stumpfe Wurzeln mit Frühlingsregen. Winter hielt uns warm, deckte die Erde in vergeßlichen Schnee, fütterte ein wenig Leben mit getrockneten Knollen.


    Ist ja interessant, da kommt ja auch das Wort "Erinnerung" drin vor, also das, woran es dem Erzähler mangelt. Das könnte man jetzt sicher endlos interpretieren, was ich mir aber erspare. Vermutlich ist es mit allen Zitaten so; ich glaube nicht, dass Eco da irgendwas unüberlegt erwähnt. Es scheint mir wirklich ein ideales Buch für Literaturwissenschaftler zu sein.
    Falls ihr einen Hinweis versteht/ein Zitat identifiziert, schreibt das doch ruhig hier im Thread. Noch besser, weil mit weniger Arbeit für uns verbunden, wäre natürlich eine Seite in Internet, wo irgendein Irrer schon alles zusammengestellt hat. Gibt's so was?


    Ich schreibe hier mal was ich erkannt habe, und woran ich mich noch erinnere:
    Der grausamste Monat - Wie gesagt T. S. Eliot: Das wüste Land
    Arthur Gordon Pym - Edgar Allen Poe: Die denkwürdigen Erlebnisse des Arthur Gordon Pym
    Eugenie Grandet - Honore de Balzac: Eugenie Grandet
    Seltsam im Nebel zu wandern - Herrman Hesse: Im Nebel
    Das tote Brügge - Georges Rodenbach: Das tote Brügge

  • Ich bin mit diesem Teil längst durch, aber irgendwie ... hab ich 's versäumt mich zu melden.


    Bodoni, der sein Gedächtnis und damit seine Biographie verloren hat, bewegt sich in der Welt all dessen, was er enmal gelernt und sich angelesen hat. Die Fülle der Zitate (direkte - kursiv gesetzt - und indirekte, also Anspielungen etc.) ist unüberbickbar ...
    Danke, Imeneo für deine Angaben. :-)


    Interessanterweise erzählt Eco in einer Rückblende, indem er Bodoni als Ich-Erzähler in der Vergangenheitsform sprechen läßt. Als Leser frage ich mich dann natürlich, ob Bodoni am Ende wieder Zugang zu seinem Gedächtnis gefunden haben wird ...


    Was mir besonders auffällt, ist, woran Eco seinen Bodoni das persönliche Erinnern festmacht: Es ist die Liebe, oder genauer, der Eros, der einen zündenden Funken springen läßt, jene "mysteriose Flamme". Da denke ih doch gleich an meinen heißgeliebten Platon! :-)

  • Zitat

    Original von Iris
    Was mir besonders auffällt, ist, woran Eco seinen Bodoni das persönliche Erinnern festmacht: Es ist die Liebe, oder genauer, der Eros, der einen zündenden Funken springen läßt, jene "mysteriose Flamme". Da denke ih doch gleich an meinen heißgeliebten Platon! :-)


    Ja fix mich nur an... :fetch


    Zum Glück hat meine Bücherei es, müsste es nur vorbestellen. "Die Geschichte der Schönheit" übrigens auch. :-]


    lg Iris :wave

  • Zitat

    Original von Delphin
    Ja fix mich nur an... :fetch


    :lache


    Zitat

    Zum Glück hat meine Bücherei es, müsste es nur vorbestellen. "Die Geschichte der Schönheit" übrigens auch. :-]


    Dannnbestell 's schnell! Mir gefällt es bislang wirklich gut, es ist sprachlich, stilistisch und erzählerisch anspruchsvoll, aber nicht abgehoben oder so, es fließt gut! :-)
    Und es gibt an allen Ecken und Enden Erinnerungen an andere Eco-Bücher ... Ich finde das total spannend! :-)

  • @ Delphin,


    hab eh schon Gedacht, wir könnten hier jetzt wirklich mal wieder ein paar Inputs über das Gehirn von Dir brauchen!


    Ich frage mich nämlich, ob das überhaupt sein kann, daß das Erlebte und das Erlernte in so unterschiedlichen Ecken des Gehirns abgespeichert ist, daß es sein könnte, daß man aufgrund eines Unfalls oder Schlaganfalls nur noch das Erlernte aktivieren kann.


    Oder ist es nicht etwa so, daß das Erlernte mit dem Erlebten so vernetzt ist, daß dann wahrscheinlich gar nichts mehr da wäre?


    Hm, hm, hm...


    Bye
    Pelican :wave

  • Die ersten vier Kapitel haben mir eigentlich sehr gut gefallen und ich mußte mich schon fast bemühen auch immer hübsch langsam zu lesen.


    Die sprachliche Gestaltung ist wie immer bei Eco (natürlich auch dank des hervorragender Übersetzers) hervorragend. Ich genieße den Fluß in Verbindung mit den eingearbeiteten Untertönen.


    Allerdings frage ich mich schon, ob ein erstes Gespräch mit der vergessenen Gattin tatsächlich so ablaufen könnte / würde. Interessant finde ich auch, daß der Ich-Erzähler hier bereits sehr viel mit Ironie arbeitet.


    Die mysteriöse Flamme erscheint mir hier weniger von Liebe bestimmt. Eros finde ich passender... Mal sehen, wie sich dieses Motiv weiterentwickelt.


    Bye
    Pelican :wave

  • So, hallo erstmal,


    ich bin jetzt auch mit den ersten Vieren fertig.
    Dieses Buch von Eco ist das bisher erste, in das ich so schnell und leicht einsteigen konnte. Keine Fremdsprachen, die ich nur zum Teil verstehe, keine Zitate, die ich nur zum Teil oder gleich gar nicht kenne, keine Bemerkungen, die ich nicht kenne.... ( :-] ) sprich: ein Buch für mich.


    Ich habe mich in den ersten zwei Kapiteln ein bisschen gewundert,
    wie die Dialoge zwischen Paola und Yambo verlaufen... so - mh, wie soll ich sagen? -- emotional platonisch, irgendwie.


    Gut, ich bin noch keine Psychologing,
    aber wie würde ICH wohl mit meinem Mann reden, wenn er diesen Unfall gehabt hätte? Von Paolas Emotionen hab ich noch nichts gelesen..


    Und habt ihr eine Ahnung, WELCHEN Unfall GENAU, Yambo nun hatte?
    Mich interessiert das.


    Ich bin auch interessiert an dem "Gedächtnis" an sich.. so erfahre ich mal - auch mit Fachwörtern - wie das "da oben" abläuft.. :lache


    Viel Spaß beim Lesen,
    liebe Grüße,



    Kathrin

  • Zitat

    Original von Kathrin: Ich habe mich in den ersten zwei Kapiteln ein bisschen gewundert,
    wie die Dialoge zwischen Paola und Yambo verlaufen... so - mh, wie soll ich sagen? -- emotional platonisch, irgendwie.


    Genau so ging es mir auch. Ich fand die Dialoge schon fast steril. Und die Tatsache, daß Paola Psychologin ist, gibt mir dafür keine ausreichende Begründung...


    Bye
    Pelican :wave

  • Das "Sterile" im Umgang miteinander fand ich durchaus passend: Bodoni kennt Paola ja nicht mehr, und Paola hat das paradoxe Erlebnis, daß die ihr wohl vertrauteste Person plötzlich ein Fremder ist. Ich kann mit durchaus vorstellen, daß das äußerst irritierend wirken muß, also auch befremdend. Man muß sich quasi neu kennenlernen, so wie Bodoni "sich neu erfinden" muß.


    Mich hat auch nicht gestört, daß man nichts über den Unfall erfährt. Unfälle können nun einmal einfach so passieren. Es geht um die Folgen dieses Ereignisses, um Bodonis Suche nach sich selbst, nicht um den Unfall.


    Obwohl es schon erstaunlich ist, daß es ihn so gar nicht interessiert ...

  • Zitat

    Iris schrieb: Obwohl es schon erstaunlich ist, daß es ihn so gar nicht interessiert ...


    Das ist ein interessanter Punkt...



    Daß die Dialoge von seiner Seite "steril" wirken, hat mich eigentlich weniger gestört. Im Gegenteil, ich bin ganz Deiner Meinung, daß das nach einem Gedächtnisverlust und dem daraus resultierenden Umgang mit lauter Fremden normal und verständlich ist. Bei Paola entstand bei mir irgendwie der Eindruck, daß sie auch gar keine Anstrengungen macht, relativ schnell wieder einen Zugang zu finden und damit eine Beziehung aufzubauen. Wir wissen zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nichts über die Beziehung der beiden (abgesehen von der Enthüllung über seine gelegentlichen Affären), ich gehe aber davon aus, daß ein Mensch mit dem ich über 30 Jahre verheiratet bin, für mich die Bezugsperson und der Gesprächspartner im Leben ist, d.h. bei ihr ein Verlust eingetreten ist, bei dem es vorstellbar wäre, zu versuchen, so schnell wie möglich die Beziehung wieder herzustellen. Natürlich ist sie Psychologin und hat damit einen berufsbedingten Vorteil, ihr Verhalten der Situation entsprechend anzupassen. Ob das aber reicht die eigene emotionale Betroffenheit so auszuschalten?


    Bye
    Pelican :wave

  • Zitat

    Original von Iris
    Mich hat auch nicht gestört, daß man nichts über den Unfall erfährt. Unfälle können nun einmal einfach so passieren. Es geht um die Folgen dieses Ereignisses, um Bodonis Suche nach sich selbst, nicht um den Unfall.


    Unfall?
    Vorausschicken muss ich, dass ich das Buch in schwedischer Übersetzung gelesen habe. Hier heißt das erste Buch "Incidenten" (Zwischenfall/Vorkommnis), und ich vermute, dass es auf deutsch "Der Unfall" heißt.
    Ich hatte das Buch so verstanden, dass Bodoni einen Schlaganfall erlitten hat.

  • Zitat

    Original von Imeneo
    Ich hatte das Buch so verstanden, dass Bodoni einen Schlaganfall erlitten hat.


  • Nach dem ersten Kapitel war ich versucht, das Buch mit dem Urteil "Ich mag keine Bekenntnisse eines geschwätzigen alten Mannes namens Eco lesen" zur Seite zu packen. Ich habe auch keine Lust zu lesen, wie sich die Hoden eines alten Mannes anfühlen und was diese Berührungen für Gefühle in ihm auslösen.
    Dann wurde plötzlich Interesse geweckt und zwar an der Stelle, an der er über seine Beziehung zu Sibilla nachdenkt. Es geht m.E. nicht um Eros, sondern um Identität, zu der Eros ja als Bestandteil gehört.
    Erinnerungen sind also ein Teil der Identität. Wenn man sie verloren hat, hat man einen Teil der Identität verloren. So. Das Schwierige und Spannende ist nun das Problem der Identitätsrückgewinnung. Wie macht man das? Kann man sicher sein, dass das, was man zurück gewinnt, mit dem, was man vorher erinnert hat, identisch ist? Man kann Erinnerungen ja ein wenig manipulieren. In wie weit manipuliert man damit Identität?
    Bei der Beziehung zu Sibilla hat Bodoni über verschiedene Möglichkeiten sinniert, ohne sich für eine entscheiden zu können. Wie aber würde die Identität verändert, hätte er sich für eine falsche Auslegung entschieden? Wie wäre das Leben des 60-Jährigen weitergelaufen, wenn er Sibilla für die Liebe seines Lebens gehalten hätte?


    Ist es generell möglich, die Identität eines anderen zu manipulieren, in dem man seine Erinnerungen verfälscht?


    Das Nebelbild gefällt mir ausgezeichnet.

  • Zitat

    Original von Ines
    Nach dem ersten Kapitel war ich versucht, das Buch mit dem Urteil "Ich mag keine Bekenntnisse eines geschwätzigen alten Mannes namens Eco lesen" zur Seite zu packen.


    Hey, du hast Autor und Erzähler verwechselt! :lache


    Zitat

    Es geht m.E. nicht um Eros, sondern um Identität, zu der Eros ja als Bestandteil gehört.


    Daß du das so herum betrachtest, ist klar. :knuddel1
    Allerdings würde ich Eros (wie Platon, dem Eco ja recht nahesteht) die treibende Kraft in der Identitäsbildung nennen -- ansonsten: volle Zustimmung. :-)


    Zitat

    Ist es generell möglich, die Identität eines anderen zu manipulieren, in dem man seine Erinnerungen verfälscht?


    Gute Frage ... Ich schätze, das würde funktionieren. Personen mit Amnesie verändern oft völlig ihren Charakter.
    In dem Film Regarding Henry (B: J.J. Abrams, R: Mike Nichols, D: Harrison Ford, Annette Bening u.a. dt. In Sachen Henry) wurde das ja mal à la Hollywood vorexerziert -- nicht unbedingt realistisch, aber m.M.n. angemessen für eine filmische Umsetzung.