Digger Hamburg: Kleiner segeln, größer leben - Stephan Boden

  • Ich habe das Buch bei vorablesen gewonnen und habe mich riesig darüber gefreut - waren die letzten Urlaube doch allesamt Segeltörns (wenn auch in südlicheren Gefilden). Somit hat mir das Buch hier schon gut gefallen, aber schaut selbst :-)


    Das Buch (amazon.de)
    Warum lässt man seinen Job sausen und arbeitet lieber am Boot? Warum kann ein Segeltörn das Leben verändern? Stephan Boden entdeckt das einfache Leben für sich. Nach einem erfolgreichen „Erstleben“ als Werbefilmer mit eigenem Studio und jeder Menge technischem Spielzeug mistet er aus und reduziert seine Bedürfnisse auf das Wesentliche. Sein großes Boot tauscht er gegen „Digger Hamburg“, eine 5,75 m lange Varianta 18 aus. Mit ihr tingelt Stephan Boden im Sommer 2012 vier Monate lang über die Ostsee – und fühlt sich dabei frei wie nie zuvor. Dieser Segeltörn wird sein Leben verändern. 1000 Seemeilen. Zwei Personen. Ein Hund. 18 Fuß. Die Geschichte von „Digger Hamburg“. Downsizing, kleiner segeln, einfacher leben – für Aussteiger Stephan Boden und seine Freundin ist das das wahre Leben.


    Über den Autor gibt es bei amazon noch keinen wirklichen Text, ich denke, oben ist er schon gut beschrieben ;-)



    Meine Meinung
    Zuallererst: Das Buch ist meiner Meinung nach wirklich nur für jemanden geeignet, der sich - zumindest einigermaßen - mit den Fachbegriffen des Segelns auskennt. Ansonsten hat man wohl wenig Spaß...


    WENN man aber weiß, was Stephan Boden da schreibt über seine Tour bis weit hinein in die Ostsee, die dann doch auf einmal immer kleiner und kleiner wird, bis er gar nicht mehr weit weg will, sondern eigentlich nur noch zu sich selbst, dann ist das Buch ein wunderbarer Winter-Überbrücker, bis man selbst wieder seine Taschen packen kann, die Leinen losmacht und das Segel trimmt.


    Die Beschreibung seiner dreimonatigen Fahrt quer durch die Ostsee mit seiner Freundin Kathleen und der Hündin Polly führt ihn von der deutschen Küste entlang der dänischen, und ein bisschen hierhin und dorthin. Seine Erlebnisse - vor allem mit dem Wind und dem Wetter - schreibt er witzig und kurzweilig, aber auch so im Jargon, dass ein "unwissender" Nicht-Segelnder-Leser wohl alle drei Wörter im Internet nachschauen müsste.


    Toll gemacht finde ich die Aufmachung des Buchs, man sieht hier dann doch die berufliche Vorgeschichte von Boden als "Werbemensch" bzw. "Filmmensch", oder es wirkt zumindest so. Schöne Bilder, unterschiedlich formatierte Texte, tolle Karten. Aber: Die Einträge, die aus dem Blog, den er während der Zeit geschrieben hat, übernommen sind, ähneln bis gleichen fast immer den Texten im Buch - das fand ich doch sehr schade. Denn ganz ehrlich: Eine Geschichte zweimal zu lesen, macht sie meistens nicht interessanter, vor allem nicht, wenn das gleich hintereinander passiert.


    Und man kann so viel mehr mit dem Buch: Die Facebook-Seite von Digger ansehen, die Videos, die im Buch mittels Code "verlinkt" sind, ansehen und so fast "live" bei der Tour dabei sein. Außerdem gehörig über sich selbst lachen, wenn man sich wie ich dabei ertappt fühlt, auf "die mit dem kleinen Boot in der riesen Box" sauer zu sein, weil für das eigene fahrende Eigenheim kein Platz mehr ist.


    Ich habe beim Lesen von "Digger Hamburg" nie das Gefühl gehabt, hier mein neues Lieblingsbuch gefunden zu haben. Aber für den Freizeitsegler wie mich ist es nun doch, nachdem ich es zu Ende gelesen habe, irgendwie ein bisschen wie die Erleuchtung: Toll, was er gemacht hat, toll, wie einfach alles sein kann, toll, mit wie wenig man zufrieden sein kann. Und ich fände es auf jeden Fall noch toller, wenn ich beim nächsten Törn mit der gleichen Einstellung wie Stephan Boden starten würde - weniger ist also mehr :-)

  • Gereizt an dem Buch hat mich ein etwas anderer Reisebericht und vor allem das „Downsizing“, also das einfachere Leben. Von beiden ist etwas dabei, doch in erster Linie ist es ein Bericht über einen Segeltörn durch die Ostsee. Es tauchen sehr viele Fachbegriffe rund ums Segeln auf und wie dschaenna schon andeutet - ich als Laie konnte damit gar nichts anfangen. Und jedes Wort nachzuschlagen war mir schnell zu mühsam. Ein Glossar oder die Erklärung im Text wären deshalb mehr als hilfreich gewesen, so habe ich etliche Sätze wegen Nichtverständnis einfach überlesen.


    Gewünscht hätte ich mir mehr Segelflair anstatt der vielen Fachbegriffe, mehr Hafenatmosphäre und dafür weniger Beschreibungen und vor allem mehr Fernwehgefühl! So bleibt es eine recht nüchterne Aufzählung der Fahrten von A nach B bei Windstärke X mit Y Knoten. Auch hätte mich interessiert, wie es sich zu zweit (noch dazu bei einer relativ neuen Beziehung) auf so einem kleinen Schiff lebt, wie man diese Enge aushält und vor allem auch, wie man die Alltagsproblemchen meistert.


    Trotz allem war es ein Buch, das für mich sehr entspannend und zum Abschalten bestens geeignet war. Genüsslich habe ich die Tour der dreien auf der Ostsee gelesen und nach zwei langwierigen Büchern das Dahinflitzen durch die Seiten genossen. Von daher hat es mir durchaus gefallen, ich bin allerdings der Meinung, es hätte weit mehr draus werden können als „nur“ ein unterhaltsamer Reisebericht. Das Resümee am Ende der Reise/des Buches deutet dies an – in diesem Stil hätte ich mir auch den Rest gewünscht.


    Noch ein Wort zur Aufmachung: die ist wirklich gelungen! Ungewohnt starkes Papier, dazu durchgehend farbig mit vielen Bilder inklusive einer Übersichtskarte – so stelle ich mir ein gelungenes Reisebuch vor. Allerdings ist die Verwendung der typengleichen Schrift sehr gewöhnungsbedürftig, erinnert es doch sehr an mechanische Schreibmaschinen aus dem letzten Jahrtausend. Toll auch die vielen Zusatzinfos, -bilder und –videos im Netz und QR-Codes zum direkten Aufrufen im Buch habe ich auch noch nie gesehen.


    Fazit: Hochwertiges Reisebuch über einen ungewöhnlichen Segeltörn, allerdings durch die vielen Fachbegriffe eher für Leute, die was mit der Segelsprache anfangen können. Ich fand es entspannend, habe aber vieles nicht verstanden und den Flair des Segelns etwas vermisst. Daher gibt’s nur eine durchschnittliche Wertung mit 6 Punkten.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021