Liebe, wie eine Kugel durch den Kopf

  • hab heut einen unausstehlichen Typen getroffen ... es stellte sich heraus , dass er nur Kopfweh hatte ... da fühlte ich mich inspiriert, etwas zu schreiben
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    Liebe, wie eine Kugel durch den Kopf




    Ich liege auf dem Bett und wälze mich herum. Das grelle Licht meiner Nachttischlampe brennt wie Säure in meinen Augen. Meine Schläfen pochen und pulsieren; es fühlt sich an, als hätte jemand die Nerven meines Kopfes über Glassplitter gespannt, so dass jede Bewegung mich fast wahnsinnig macht. Ich setz mich auf und greife nach meinen billigen Zigaretten. Ach scheisse, was ist da noch mal alles drin? Amoniak? Teer? Ich sollte es lassen; allein die Vorstellung dieser Chemiekeule lässt meine Kopfschmerzen zu einem neuen Höhepunkt kommen. Doch wie jedes mal ist die Sucht stärker. Meine Lungen verlangen ihren Obulus. Ich hab ihnen gezeigt, wie beruhigend das Rauchen ist, und nun lassen sie mich nicht mehr in Ruhe.
    Wo bleibt sie nur? Sie hat gesagt, sie will um zehn hier sein. Ich will sie nicht sehen. Ihre glänzenden Doc Martens. Ihr penetrantes Parfum. Ihr roter Lippenstift, der jedes mal Flecken auf meinem Hemdkragen hinterlässt. Das sind alles Reize, die ich nicht haben muss. Ich stehe auf und zieh die Vorhänge zu. Die Dunkelheit beruhigt meine Nerven. Die Glut der Zigarette brennt heiss und wärmt meine Lippen. Meine Hand leuchtet bei jedem Zug rot auf, als wäre ich der Teufel, als würde mir etwas innewohnen. Die staubige Wohnung, voller Krempel, den man so im Leben ansammelt, Bücher, Kleidung, Geschirr, ist Zeuge meines desolaten Zustandes.
    Sie sagt, sie liebt mich. Sie sagt, sie sieht mich gerne, und ich glaube ihr. Warum verspätet sie sich dann? Hat sie einen anderen? Bin ich nur ein Zaungast in ihrem Leben? Die Kopfschmerzen bringen mich noch um – vielleicht liegt es an der Schwüle. Der Sex ist gut, zumindest sagt sie das. Ich mach all den Scheiss, den Frauen von einem erwarten. Ich geh mit ihr unter Leute, und sie weiss, dass ich das nur ungern mache. Ich kauf Küchengeräte und Hygieneprodukte. Selbst die gottverdammte Waschmaschine hab ich repariert.
    Seit sie mich besuchen kommt, hab ich soetwas wie ein bürgerliches Leben. Gut, sie ist keine Traumfrau, das Leben auf der Strasse hat sie geprägt, all die versoffenen Nächte mit ihren Punkerfreunden. Sie ist launisch und nicht besonders intelligent. Doch sie gibt sich so viel mühe ... und eine Zeitlang fand ich das süss. Sie will ein geregeltes Leben mit all dem Schnick-schnack, den man so erwartet; all die Dinge die man als Mittdereissiger haben muss. Oh nein ... sie wird bestimmt aufräumen, einer dieser Ticks, den Frauen haben, um sich das Leben schön zu malen. Das beissende Geräusch des Staubsaugermotors erfüllt mich jetzt schon mit Grauen. Der stechende Geruch des Putzmittels, die hellerleuchtete Wohnung, offene Fenster und der Lärm der Srassen. Diese gottverdammten Kopfschmerzen. Ich hoffe ich kotze sie nicht voll. Das wäre zu viel, das macht keine Frau mit. Wie zum Hohn stellt sich Übelkeit ein. Soll ich jetzt schon kotzen gehen, mir den Finger in den Hals stecken, wie eines dieser verwöhnten Möchtergernmodels. Manchmal bringt sie etwas zu essen mit, Hähnchenteile oder Fast-Food. Ich muss mich irgendwie rausreden, aber so dass sie nichts merkt, schlimm genug, dass ich so aschfahl im Gesicht bin, als hätt ich mich gerade dem Grab enthoben. Ich zünde mir noch eine Zigarette an, das Nikotin legt sich wie ein alter Freund über meine Nerven. Nein, wegen meines Aussehens ist sie bestimmt nicht mit mir zusammen, ich bin nicht gerade das, was man einen Schönling nennt und mindestens 10 jahre älter als sie, so genau weiss ich das nicht. Vielleicht sollte ich einfach nicht aufmachen, mich hinlegen und schlafen, sie wird schon verstehen, sie ist cool.


    Ich liege weitere 30 Minuten schweigend da, die Uhr zeigt Elf Uhr Sieben. Langsam beginne ich zu denken, dass sie heute nicht mehr kommt. So ein Miststück ... wie kann sie nur. Wenn sie kommt werde ich sie einfach wegschicken. Ich werde ihr sagen, sie soll nie mehr wieder kommen, Wenn sie mich mit ihrer apathischen Art fragt warum, sage ich, ich hab Kopfweh. Ich hab Kopfweh, so schlimm und so stark, dass es niewieder aufhört, oder aber ich heute in einer Pfütze aus Kotze und Pisse verrecken werde. Wenn sie mich dann in ein dunkles Loch werfen und ein würdeloses Holzkreuz über mir in die Erde rammen, dann kann sie mich ja besuchen kommen. Wenn ich tot bin und dieser elende, stechende Schmerz endlich aufhört, dann kann ich sie wieder lieben, dann ertrage ich wieder ihr einnehmendes Wesen. Diese schwülen Sommernächte, kein Whiskey im Haus, um den Schmerz zu betäuben, um das Leben zu betäuben, sägen an meiner Geduld. Ich sehne mich nach einem sattellosen Ritt auf einem wilden Mustang, die feuerrote Sonne im Rücken; im Blick eine alte, kaum bewohnte Stadt, wo eine etwas üppige aber liebe Frau mit dem Mittagessen auf mich wartet. Und nicht das hier, diese klebrige Luft voller Abgase, die meine Kopfschmerzen anfeuern zu ungeahnten Höhen. Komm endlich ... komm, damit ich dir ins Gesicht spucken kann.


    Ich höre einem undefinierbaren Klackern, irgendwo hinter der Wand, zu, wahrscheinlich ein undichtes Wasserrohr, das das Haus von innen verfaulen lässt. Ich liege da und versuche den Schmerz zu ignorieren, aber es geht nicht, er hämmert wie ne Dampflockomotive gegen mein Gehirn. Ach könnt ich nur schlafen.
    Die Tür geht auf. Jemand steht im Türrahmen. Ich stiere halb benommen in die Dunkelheit. Jetzt gehts los, die ganze Show, es wird mich auffressen, na los komm, sag mir, dass du mich liebst, frag mich wies mir geht. Ich erkenne ihr Parfum, und es widert mich an. Ich drehe mich auf der Couch von ihr weg und belle in den Raum: "Lass mich in Ruhe, mir gehst scheisse."
    Sie legt etwas auf den Tisch, ihr atem ist wild.
    "Lies das morgen", sagt sie, als solle ich es gar nicht hören. Sie schliesst die Tür und verlässt meine Wohnung. Wieder Stille. Dieser verdammte Geruch wird sich jetzt noch eine Stunde hier halten, warum badet sie nicht gleich in dem Zeug.
    Ich höre, wie sie die Striegen runtergeht; jeder Schritt hallt in meinem Kopf. Ach, du verdammter Schmerz, wann hat das angefangen, hört es jemals wieder auf? Wie lange habe ich diese Scheisse jetzt schon? Zwei Stunden? Zwei Tage? Zwei Monate? Tu was, beweg dich, jetzt oder nie. Meine Augen springen unruhig hin und her, mein Magen verzieht sich. "Geh nicht", flüstere ich ins Nichts. "Bleib bei mir."
    Ich springe auf und renne ihr nach. Vielleicht ist es noch nicht zu spät, vielleicht hat sie Nachsicht, vielleicht ist sie ein Engel. Nur sie kan mich retten