Unter Dieben (Tales of the Kin 1) - Douglas Hulick

  • Anmerkung: Ich beziehe mich hier auf die englische Ausgabe - Among Thieves.



    Drothe lebt in Ildrecca, der Hauptstadt eines Imperiums, das von einem quasi-unsterblichen Kaiser regiert wird - der sich durch Wiedergeburt in drei möglichen Personen immer wieder erneuert. Seine Schwester geht als Baroness am Hofe ein und aus, Drothe aber ist ein Mitglied der Unterwelt; als Informationsbroker fängt er Gerüchte, Neuigkeiten und Geheimnisse auf und verkauft sie weiter, hat aber nebenher auch den einen oder anderen Deal mit dem Schmuggel von Artefakten am Laufen. Er ist gerissen und kann sich, wenn es sein muss, auch mit der Klinge seiner Feinde erwehren, aber wenn's hart auf hart kommt, verlässt er sich auf die Hilfe seines Freundes Bronze Degan, einem exzellenten Schwertkämpfer und Mitglied des ältesten und angesehensten Söldnerordens der Stadt.
    Drothe ist gerade hinter einem imperialen Artefakt her, das ihm ein eigentlich verbündeter Schmuggler aus unbekannten Gründen vorenthalten will. Die Suche katapultiert ihn binnen kürzester Zeit in eine Verschwörung, deren Ausmaße sich nicht einmal ansatzweise abschätzen lassen. Plötzlich trachten ihm mehrere Assassinen nach dem Leben, sein Artefakt weckt nicht nur in der gesamten Unterwelt Begehrlichkeiten, sondern auch bei den Elitetruppen des Kaisers und zu allem Überfluss braut sich auch noch ein Krieg zwischen zwei Unterweltbossen zusammen, in den er mitten zwischen die Fronten gerät.



    Ich habe die englische Fassung gelesen, und nach einem kurzen Blick in die deutsche Version fürchte ich, dass leider viel von der Leichtigkeit und dem Sprachwitz des Originals in der Übersetzung verloren geht. Eine Empfehlung also gleich zu Beginn: Wer kann, sollte sich das englische Original zu Gemüte führen.
    'Among Thieves' ist auf jeden Fall ein sehr unterhaltsames Abenteuer, eine Mischung aus Mantel-und-Degen-Action, Schatzsuche und Rätselraten um uralte Legenden und jeder Menge Galgenhumor, wie man sie eben nur in Unterwelt-Stories findet. Ich würde das Buch am ehesten mit Scott Lynchs hervorragenden 'Lügen des Locke Lamora' vergleichen, auch wenn es da nicht ganz herankommt. Trotzdem ist es deutlich besser als das mittelmäßige Fantasy-Grundrauschen, das seit Jahren die Regale beherrscht - und ein durchaus empfehlenswertes Lesevergnügen.


    Das Buch ist wirklich spannend geschrieben, und zwar buchstäblich ab der ersten Seite. Immer neue Desaster lenken den Weg des Helden wieder und wieder in andere Richtungen. Die Handlung bleibt stets unvorhersehbar und hält einen als Leser bei der Stange.
    Die Story wird in der ICH-Perspektive aus Sicht von Drothe erzählt, amüsant und mit viel Augenzwinkern, auch wenn es oft rau zur Sache geht. Vor allem die Actionszenen sind wirklich gut und spannend geschrieben. Ich persönlich hätte mir einen Tick mehr Heldenhaftigkeit vom Protagonisten erhofft - in den zahlreichen Scharmützeln kommt er eigentlich immer nur deshalb mit heiler Haut davon (und oft nur reichlich angekratzt), weil er entweder Glück hat, oder jemand wie sein Freund Bronze Degan zur Stelle ist, um ihn rauszuhauen. Das ist ein kleiner Nervfaktor, der zwar die Spannung erhöht (ab der Hälfte des Buches ist man sich wirklich bei keinem einzigen Zusammenstoß mehr sicher, ob der Held den überhaupt noch überlebt), aber einen auch händeringend wünschen lässt, dass Drothe doch ausnahmsweise auch mal ein Messerwurf gelingen möge.
    Ein großer Pluspunkt sind die Schatzjagd und die sich schrittweise entwickelnde Hintergrund-Story, die immer größere und immer schattenhaftere Player enthüllt, die die Fäden zu ziehen scheinen, sich dann aber wiederum als Marionetten einer noch höheren Macht entpuppen. Man fühlt sich unwillkürlich zum Miträtseln angehalten.


    'Among Thieves' ist leichte und unkomplizierte, nichtsdesdotrotz aber sehr spannende Fantasy-Kost. Kein episches Meisterwerk, aber mit so lockerer Feder geschrieben, dass das Lesen einfach Spaß macht und ausgezeichnet unterhält.
    Acht Eulenpunkte.

    Ich hab' mich verirrt.
    Ich bin dann mal weg, um nach mir zu suchen.
    Sollte ich zurückkommen, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte, ich soll hier warten!

  • Und hier noch das mit 6€ sehr günstige englische Taschenbuch. Die Kindle-Ausgabe mit 4€ ist sogar noch günstiger.

    Ich hab' mich verirrt.
    Ich bin dann mal weg, um nach mir zu suchen.
    Sollte ich zurückkommen, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte, ich soll hier warten!

  • War mein erster Ausflug in einen "richtigen" Fantasyroman und mir hat es sehr gut gefallen.


    Die Charaktere waren interessant und man begleitet Drothe von Beginn an immer tiefer in die Welt der Kin und in Verrat und Intrigen. Mich konnte es überraschen, wer da eigentlich mit wem tatsächlich zusammenarbeitete und was die Motive waren.


    Drothe blieb für mich als Hauptcharakter immer ein wenig "unerreichbar", ich hatte kein Bild von ihm im Kopf, dennoch hat er eine unwahrscheinlich große Präsenz. Sein bester Freund Bronze Degan hingegen war für mich viel greifbarer und ich konnte ihn mir gut vorstellen.


    Die Kritik, dass Drothe sich andauernd von Degan "retten lassen" muss, teile ich nicht. Ich habe das auch schon in Amazonrezis so gelesen und habe das nicht so empfunden. Der Glücksfaktor war allerdings wirklich stark,

    .


    Mir hat diese Zeichnung des Reichs sehr gut gefallen. Die kaiserlichen Wiedergeburten erinnerten ein wenig an Buddhismus, die teilweise verbotene Magie (Glimmer genannt) war spannend und die Wortschöpfungen für die einzelnen Gattungen von Kämpfern und Dieben wie bspw. Arme, Nasen, Schnitter, etc. fand ich interessant.


    Die Entscheidungen von Drothe gegen Ende des Buchs kann ich nicht nachvollziehen und so interessant er als Figur jetzt war, für mich lebte die ganze Atmosphäre gerade durch

    . Vor dem Autor ziehe ich dabei aber meinen Hut, weil er für meinen Geschmack auch unbeliebte Sequenzen schreibt und viele Dinge vom Anfang des Buchs am Ende dann nochmal eine Rolle spielen und seien es nur Worte, die einem erst nur als Warnung vorkamen, die dann am Ende aber leider wahr werden.


    10 Punkte.