Tribunal - André Georgi

  • Kurzbeschreibung (gem. Amazon)
    Metall, Glas Blut. Alle tot. Warum lebe ich noch? -- Jasna Brandic, Topermittlerin des Tribunals in Den Haag, überlebt als Einzige ein brutales Attentat auf ihren Kronzeugen. Ohne diesen droht das Verfahren gegen den Massenmörder Kovac endgültig zu scheitern. Da erreicht Jasna die Nachricht, dass ein international gesuchter Kriegsverbrecher bereit ist, gegen Kovac auszusagen – vorausgesetzt, sie schafft es, ihn vor seinen eigenen Leuten zu schützen und lebend nach Den Haag zu bringen. Jasna setzt auf eigene Faust alles daran, den Mann zu finden. Sie ahnt nicht, dass sie Teil eines perfiden Spiels ist ? eine Jagd auf Leben und Tod beginnt.


    über den Autor (gem. Amazon)
    André Georgi, geboren 1965 in Kopenhagen, ist in Berlin aufgewachsen. Er studierte Philosophie und Germanistik und lebt als Drehbuchautor und Dramaturg in Bielefeld. Von ihm stammen zwanzig Drehbücher zu Fernsehkrimis - darunter für den Tatort, für Bella Block und die Verfilmungen von Kurzgeschichten von Ferdinand von Schirach und Siegfried Lenz.


    meine Meinung
    Jasna Brandic ist kurz vor dem Ziel. Sie hat es geschafft einen Kronzeugen für die Verurteilung des Kriegsverbrechers Kovac nach Den Haag zu bekommen. Doch kurz bevor der Zeuge vor Gericht aussagen kann, kommt es zu einem tötlichen Attentat. Der Prozess droht aufgrund fehlender Zeugen zu platzen, da erreicht Jasna eine Nachricht aus Belgrad. Wird sie ihr folgen?


    "Tribunal" ist der erste Thriller von André Georgi und er hat sich dafür ein nicht gerade leichtes Thema ausgesucht. Er behandelt in seinem Werk die Jagd auf Kriegsverbrecher aus dem Bosnienkrieg Anfang der 90er Jahre. Auch wenn die Thematik bedrückend ist und viel Raum für gut erzählte Geschichten lässt, konnte mich der Stil Georgis nicht überzeugen.


    Die Geschichte wird die gesamte Zeit aus der Erzählerperspektive berichtet. Dabei begleitet man sowohl die Ermittlerin Jasna, als auch später eine kleine Gruppe von Kriegsverbrechern, die sich auf der Flucht befinden. Die Entwicklung der Story ist spannend und man merkt, dass der Autor auch als Dramaturg unterwegs ist.


    Allerdings wird Georgi mit seinem Stil seiner Geschichte nicht gerecht. Er erzählt nüchtern, distanziert und schonungslos. Was zu Beginn noch sehr gut passt, verleidete mir mit Fortschreiten des Werkes den Spaß am Lesen (soweit man hier von Spaß aufgrund der Thematik sprechen kann). Seine Figuren bleiben blass und oberflächlich, so dass ich auch keine Bindung aufbauen konnte. Die Beweggründe der Täter bleiben ebenso im Dunkeln wie die Entscheidungen der Ermittler. Zudem verwendet Georgi keine Anführungszeichen bei der wörtlichen Rede, was gerade en vogue zu sein scheint, aber für mich immer wieder störend ist.


    Das für mich größte Manko sind aber die bildlichen Vergleiche, die der Autor zieht. Egal, in welcher blutigen oder gewaltsamen Situation sich seine Figuren gerade befinden, die Vergleiche Georgis beziehen sich auf die primären und sekundären Geschlechtssmerkmale von Männern und Frauen. Das passt nun gar nicht zur Geschichte und schon gar nicht zur Thematik. Hier hätte ich mehr Fingerspitzengefühl erwartet.


    Fazit: ein sehr gutes Debüt, was die Story angeht, aber am Stil sollte der Autor meiner Meinung nochmal feilen. Daher auch nur eine eingeschränkte Leseempfehlung.

  • Fesselnder Politthriller


    Inhalt:
    Den Haag, 2005. Der Prozess gegen den serbischen Kriegsverbrecher Kovac geht in eine neue Runde. Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen wird Oreskovic zum Gerichtsgebäude gebracht. Der ehemalige Gefährte Kovacs will die Kronzeugenregelung für sich in Anspruch nehmen und gegen Kovac aussagen. Die Topermittlerin des Tribunals, Jasna Brandic, hat viele Monate darauf verwendet, Oreskovic zur Aussage zu überreden und nach Den Haag zu bringen. Doch dann kommt natürlich alles ganz anders. Es wird keine Aussage geben und die Chancen, Kovac jemals zu verurteilen, sinken rapide. Kein Wunder, dass Jasna nach dem nächsten Strohhalm greift und sich damit in tödliche Gefahr begibt. Sie reist nach Serbien, wo sie einen neuen Zeugen auftreiben will.


    Meine Meinung:
    André Georgi versteht es, fesselnd zu schreiben, hat er doch bereits zwanzig Drehbücher zu „Tatort“- und anderen Fernsehkrimis geschrieben. „Tribunal“ ist sein Debütroman, der mich von der ersten Seite an packen konnte. Der Schreibstil ist so eindringlich, man taucht förmlich zwischen die Protagonisten ein. Das Buch ist in vier Abschnitte geteilt, die an unterschiedlichen Schauplätzen spielen. Die einzelnen Abschnitte bestehen aus vielen kurzen Kapiteln mit ständig wechselnder Perspektive. Dadurch wird dem Leser ein umfassendes Bild vermittelt. Das ist wirklich klasse gemacht! Auch die Rückblicke und Vorausschauen haben mir gut gefallen. Dadurch wird das aktuelle Geschehen toll abgerundet.


    Dass die wörtliche Rede ohne Anführungszeichen steht, macht das Lesen zwar mühsamer, aber wenn man sich konzentriert, geht es schon. Und durch die Konzentration rutscht man umso tiefer in die Geschichte hinein.


    Das Prinzip des „show, don’t tell“ wurde wirklich sehr gut umgesetzt. Zum Beispiel ist die allgemeine Nervosität vor dem Prozesstag absolut greifbar. Ich musste mir fast einen Beruhigungstee kochen.


    Dieser Politthriller ist Fiktion, lehnt sich aber an wahre Begebenheiten an, und die Geschichte hätte auch genau so passieren können. Dementsprechend realistisch habe ich viele Szenen empfunden, was manchmal, zum Beispiel bei Folterszenen, schon hart an der Grenze des Erträglichen war.


    „Tribunal“ besticht durch eine dichte Atmosphäre, hohes Tempo und ansteigende Spannung. Dem Leser wird kaum eine Verschnaufpause gegönnt. So muss ein guter Thriller sein.


    Viel zu schnell werden Gräueltaten aus dem Bewusstsein verdrängt. Daher finde ich es umso wichtiger, dass sie in solchen Romanen immer wieder aufgenommen werden und die Opfer nicht ganz in Vergessenheit geraten.

  • Der Thriller um die Topermittlerin des Den Haager Tribunals, Jasna Brandic, ist außerordentlich brutal. Als geübte Thrillerleserin bin ich alles andere als zartbesaitet, aber das, was ich hier las, war heftig, sehr heftig. Trotzdem konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen. Das hohe Erzähltempo hat mich mitgerissen und mit 316 Seiten hat dieses Buch meiner Meinung nach genau die richtige Länge für einen Thriller.


    Diese sehr gelungene Verknüpfung der Thrillerhandlung mit dem historischen Hintergrund des Balkankrieges hat mich überzeugt. Zwar ist André Georgi als Drehbuchautor nicht unbekannt, sein Romandebüt ist dennoch beachtlich. Die kurzen Sätze lassen den Leser fast durch das Buch hasten, das hat aber auch zur Folge, dass die sprachliche Gestaltung mehr zielgerichtet als schön ist. Für einen Thriller finde ich dies nicht unpassend.


    Trotz aller schonungslos ungeschönt beschriebenen Grausamkeiten ist „Tribunal“ ein durchaus lesenswerter, spannender Thriller. Ich empfehle ihn den Liebhabern dieses Genres gern weiter.