Beiträge von Lilli33

    Leider nichts Besonderes


    Inhalt:
    2007. Cassandra Taylor und Ethan Holt lernen sich beim Casting an der Schauspielschule kennen und fühlen sich auf den ersten Blick vom jeweils anderen angezogen. Doch bis sie sich über ihre Gefühle klar werden, dauert es einige Zeit. Und irgendwann wird Ethan Cassie wieder verlassen …


    2013. Nach drei Jahren der Trennung treffen sich Cassie und Ethan wieder. Sie spielen gemeinsam in einem Theaterstück. Ethan will ihre Beziehung wieder aufleben lassen, Cassie will dies um jeden Preis vermeiden, doch die körperliche Anziehung zwischen den beiden ist immer noch vorhanden.


    Meine Meinung:
    Die Geschichte wird von Cassie in der Ich-Form erzählt. Die Zeitebene wechselt dabei immer wieder zwischen 2007, als die beiden sich erstmals begegnen, und 2013, als sie sich nach einigen Jahren wiedersehen. Dadurch wird schon früh klar, dass Cassie und Ethan zwar trotz des ewigen Zögerns und Hin und Hers von 2007 schließlich doch zusammenkommen, dass die Beziehung aber nicht hält. Denn sonst könnte es ja den Handlungsstrang von 2013 nicht geben. Damit ist eigentlich schon jede Spannung zunichte gemacht.


    Leider konnte mich Leisa Rayven mit diesem Roman nicht überzeugen. Bei „Romeo“ und „Julia“ erwarte ich eine emotionale, romantische Geschichte, die zu Herzen geht. Damit kann die Autorin nicht aufwarten. Mich hat die Geschichte von Cassie und Ethan relativ kalt gelassen. Die Gefühle der beiden sind gut hinter der körperlichen Anziehung versteckt. Ständig geht es nur darum, wie schön sie sind, wie gut sie riechen, wie gut sie sich anfühlen und welche körperlichen Reaktionen dies beim anderen hervorruft. Aber in das tiefste Innere dieser beiden jungen Menschen dürfen wir als Leser kaum schauen. „Broken Juliet“ trifft es zwar schon, aber der Romeo Ethan ist alles andere als „bad“, denn eigentlich will er Cassie nur schützen und deshalb keine Beziehung mit ihr. Da Cassie aber vor allem Sex mit Ethan im Sinn hat, erleben wir ein nervenzehrendes Gerangel zwischen ihnen, das aus schier endlosen Wiederholungen besteht.


    Mir erschienen die Protagonisten ziemlich platt, ich konnte mich mit keinem von ihnen wirklich anfreunden oder gar identifizieren. Vor allem Cassie hat mich genervt, denn sie benahm sich oft wie ein unreifer, naiver Teenager, und zwar auch noch im 2013er Handlungsstrang.


    „Du glaubst … du … Nein!“ Mein Gehirn hat abgeschaltet.
    Er schaut mich an, als wäre ich völlig gaga, ich glotze stumpfsinnig zurück.


    Tja, ich schaute auch oft ins Buch, als wäre sie gaga.


    Leider haben auch die Nebenfiguren nicht viel zu bieten. Sie wirken absolut austauschbar und können den Roman nicht aufpeppen.


    Der Schreibstil ist zwar gut lesbar und es ist wohl auch verständlich, dass immer wieder Umgangssprache mit einfließt, aber begeistern konnte mich das auch nicht. Am besten fand ich noch, dass die Dialoge zuweilen ganz humorvoll waren.


    Im Oktober 2015 wird der Roman fortgesetzt, was ich gar nicht für notwendig erachte. Man kann den ersten Band auch gut für sich lesen.


    Die Reihe:
    1. Wohin du auch gehst
    2. Ich werde immer bei dir sein

    Melancholisch, amüsant, authentisch


    Inhalt:
    Als Connie ihrem Mann Douglas eines Nachts eröffnet, dass sie überlegt, ihn zu verlassen, fällt dieser aus allen Wolken. Er hatte seine Ehe und sein Familienleben für glücklich gehalten. Er liebt seine Frau und seinen 17-jährigen Sohn Albie und kann sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Auch Connie liebt Douglas, und trotzdem nagen Zweifel an ihr, ob sie noch weiter mit ihm zusammenleben möchte. Doch den geplanten großen Urlaub, die „Grand Tour“ durch die Kunstmuseen von Europa, will sie trotzdem durchziehen. Douglas nimmt sich vor, auf dieser Reise seine Frau zurückzugewinnen. Doch das ist leichter gesagt als getan!


    Meine Meinung:
    Mit „Drei auf Reisen“ hat David Nicholls einen großartigen Roman geschaffen, der „Zwei an einem Tag“ in nichts nachsteht. Mit absoluter Präzision beobachtet er seine Protagonisten, die wirken wie du und ich. Ganz nah am Ich-Erzähler Douglas führt er die Leser durch die Handlung quer durch Europa. Nach und nach analysiert er auf unterhaltsame Weise die Beziehung zwischen Douglas und Connie und auch die zu Albie. In Rückblicken entblättert er Schicht für Schicht das Familienleben, und man merkt schon bald, dass nicht alles so eitel Sonnenschein ist, wie es auf den ersten Blick wirkt. Douglas hat viel falsch gemacht, wenn auch immer in der besten Absicht, und das macht ihn so sympathisch. Er tappt in so einige Beziehungs- und Erziehungsfallen, die ich selbst nur zu gut kenne.


    Connie und Douglas sind so verschieden, wie sie kaum verschiedener sein könnten. Sie ist Künstlerin, lebensfroh, chaotisch. Er ist Wissenschaftler, Biochemiker, setzt auf Ordnung und Disziplin. Da ist ein Aufeinanderprallen unterschiedlicher Ansichten und Verhaltensweisen vorprogrammiert. Man wundert sich fast, wie die Ehe der beiden mehr als zwanzig Jahre lang halten konnte. Doch die beiden lieben sich wirklich, wollen, dass es dem anderen gutgeht.


    „Ich komme bald. Geh schlafen.“
    „Ich kann ohne dich nicht einschlafen.“
    „Mit mir anscheinend auch nicht.“
    „Nein. Nein, das stimmt. Es ist … ein Dilemma.“ (S. 159)


    Und dieses Dilemma bezieht sich nicht nur aufs Einschlafen, sondern auf das ganze Leben. Sie können nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander. Ich war sehr gespannt, wie Nicholls dieses Dilemma lösen würde, und muss sagen, dass ich mit dem Ende sehr zufrieden bin.

    Erschreckendes Szenario


    Inhalt:
    England, in nicht allzu ferner Zukunft. Eine Seuche hat sich breit gemacht. Ein Pilz befällt die Menschen, die sich daraufhin schnell in eine Art Zombies verwandeln und noch nicht Infizierte bedrohen. Doch einige Kinder reagieren anders auf die Infektion. Sie werden in einem Militärbunker zu Forschungszwecken gefangen gehalten. Dr. Caldwell ist dabei willens, die Wissenschaft über alles zu stellen. Für sie sind die infizierten Kinder einfach Testobjekte. Miss Justineau dagegen sieht in den Kindern Menschen. Eines Tages geschieht etwas Unvorstellbares und die zehnjährige Melanie findet sich mit Dr. Caldwell, Miss Justineau, Seargent Parks und Private Gallagher auf der Flucht. Die wild zusammengewürfelte Gruppe ist auf Zusammenhalt angewiesen, um „draußen“ zu überleben, was nicht einfach ist, denn jeder von ihnen hat andere Ziele.


    Meine Meinung:
    M. R. Carey hat mit „Die Berufene“ ein erschreckendes Szenario entworfen, das gar nicht unbedingt so abwegig erscheint. Gut, dass ein Pilz die Menschen in Zombies verwandelt, kann ich mir nun nicht wirklich vorstellen, doch wie die verschiedenen Handelnden mit der Situation umgehen, wird sehr authentisch beschrieben. Sehr schön wird hier herausgestellt, dass es nicht nur Gut und Böse, Schwarz und Weiß gibt. In jedem steckt ein bisschen von allem, auch wenn es anfangs nicht den Anschein hat. Dadurch wirken die Protagonisten sehr interessant und glaubhaft. Sie alle haben eine Vergangenheit, die sie geformt hat und in die Gegenwart hineinspielt. Mir hat es sehr gut gefallen, dass die Charaktere sich im Lauf des Buches immer weiter entwickeln. So waren sie für manche Überraschung gut.


    Die Hauptrolle spielt eindeutig das Mädchen Melanie, aus deren Perspektive ein Großteil des Romans erzählt wird. Aber auch die Sicht der anderen Figuren wird dargestellt. Hierbei verwendet Carey die personale Erzählperspektive in der Gegenwart. Auffällig ist, dass die Sprache kindlicher wirkt, wenn es um Melanie geht. Das ist aber keineswegs störend, sondern passt einfach.


    Die Handlung bietet etwas Außergewöhnliches und ist von vorne bis hinten logisch durchdacht. Neben anschaulichen Beschreibungen der Umgebung oder der Situation gibt es immer wieder sehr spannende Szenen, Kämpfe, Fluchten, Ängste. Teilweise werden aber auch Vorkommnisse beschrieben, die beim empfindlichen Leser Ekel erregen können. Allzu empfindlich sollte man daher besser nicht sein.


    „Die Berufene“ ist ein Einzelband, was ich mir 50 Seiten vor Schluss noch nicht vorstellen konnte. Ich hatte keine Ahnung, wie Carey die Geschichte zu einem Ende führen könnte. Dementsprechend überrascht war ich dann von der „Lösung“, aber sie gefällt mir recht gut.


    Fazit:
    Diese spannende Dystopie mit einer sympathischen Protagonistin und einer durchdachten Handlung empfehle ich gerne weiter.

    Einfühlsam erzählt, aber mit Längen


    Inhalt:


    2011. Tooly Zylberberg ist die Besitzerin eines bankrotten Antiquariats in einem kleinen Dorf in Wales. Zusammen mit ihrem Angestellten Fogg verbringt sie den Großteil des Tages mit Lesen. Als Tooly eines Tages von einem Ex-Freund aus Amerika die Nachricht erhält, dass es ihrem Vater sehr schlecht geht, reist sie dorthin und wird mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Eine Vergangenheit, die sie nie so richtig verstanden hat. Eine Vergangenheit, die ihr die Wurzeln genommen hat. Auf ihrer Reise erfährt sie einiges über ihre Herkunft, über die Menschen, die sie großgezogen haben.


    Meine Meinung:


    Tom Rachman erzählt sehr einfühlsam. Man kann schön in die Protagonisten hineinschauen und lernt sie schnell lieben. Nach und nach lernt man ihr tiefstes Inneres kennen, und das ist sehr interessant, denn wir haben es hier nicht mit 08/15-Protagonisten zu tun, sondern mit besonderen, merkwürdigen Menschen.


    Zum Einen wäre da natürlich Tooly, die ihre Kindheit in vielen verschiedenen Ländern verbracht hat, nie länger als ein Jahr in derselben Stadt - wie wir später erfahren, aus gutem Grund. Dann gibt es Paul, der um Tooly besorgt ist, aber trotzdem seine Schwierigkeiten mit ihr hat. Sarah ist eine charmante Frau, aber ziemlich flatterhaft und verantwortungslos. Humphrey hat das Leben schon übel mitgespielt, aber er kümmert sich rührend um Tooly, wenn auch nicht unbedingt kindgerecht. Dann gibt es noch den charismatischen Venn, der anscheinend die Fäden in der Hand hält und dem es alle recht machen wollen. Wie diese Personen miteinander verknüpft sind, wird im Roman Stück für Stück enthüllt.


    Dazu springt Rachman zwischen drei Zeitebenen hin und her. 1988 ist Tooly etwa 9 Jahre alt, 1999 20 und 2011 Anfang 30. Diese drei Jahre stehen für bestimmte Abschnitte in Toolys Leben. Ich möchte dazu gar nicht mehr sagen, denn ich möchte ja nicht die Handlung verraten. Der Wechsel der Zeitebene ist klar zu erkennen, verwirrt den Leser also nicht. Teilweise ist ein kleiner Cliffhanger eingebaut, was ein bisschen Spannung erzeugt, von der es leider insgesamt etwas zu wenig gibt. Aber auch wenn das Buch nicht gerade vor Spannung explodiert, denke ich doch, dass es eine recht interessante und lesenswerte Geschichte ist.


    Durch bildhafte Beschreibungen wirkt der Roman sehr atmosphärisch. Man kann sich sowohl die Personen als auch das Ambiente, diese alte Buchhandlung in Wales oder die Straßen von Bangkok oder New York, sehr gut vorstellen. Herrlich, wie Tooly mit Fogg oder Humphrey den ganzen Tag in den Büchern verbringt und ein wenig von dem von ihnen Gelesenen auch uns Lesern zugänglich wird. So erfahren wir nebenbei noch etwas über die französische Revolution oder über russische Staatsmänner und vieles mehr.


    „Aufstieg und Fall großer Mächte“ ist eigentlich ein großartiger Roman, und doch hat er mich nicht uneingeschränkt begeistert. An einigen Stellen ging es mir einfach zu langsam voran, da zog sich ein Abschnitt wie Kaugummi. Eine etwas straffere Erzählweise wäre mir lieber gewesen. Aber das ist vielleicht mein ganz subjektives Empfinden.
    Kommentar

    Buch, Bücher und noch mehr Bücher


    Inhalt:
    Fünf Familien waren ursprünglich Mitglieder der Adamitischen Akademie. Doch die Rosenkreutz wurden ausgeschlossen und werden seitdem verfolgt. So leben sie heimlich und zurückgezogen unter dem Namen Fairfax in England. Hier wachen sie über eine riesige Bibliothek. Die 15-jährige Furia hat das bibliomantische Talent ihres Vaters geerbt und hilft ihm, den Fehler eines Vorfahren auszubügeln, indem sie „Leere Bücher“ auf der ganzen Welt suchen und zerstören, denn diese Leeren Bücher sind gefährlich …


    Aufmachung:
    Mit dem Golddruck auf dem Schutzumschlag und auch auf dem inneren Cover ist das Buch schon rein äußerlich ein Schmuckstück. Toll fand ich auch, dass ein wunderschönes Libropolis-Lesezeichen beiliegt, da dieses Lesezeichen auch in der Geschichte eine Rolle spielt.


    Meine Meinung:
    Ich hatte große Erwartungen an dieses Buch, vielleicht zu große. Eine Welt, in der sich alles nur Bücher dreht, ist für mich an sich schon magisch. Doch wurde hier zwar viel über Magie geschrieben, es fühlte sich für mich aber gar nicht so magisch an, wie ich erwartet hatte. Durch seitenweise Erklärungen und Beschreibungen dieser Welt gab es doch einige etwas langatmige Stellen. Doch sind sie notwendig, denn die Welt, die Kai Meyer sich hier ausgedacht hat, ist sehr komplex und fantasievoll. Alles dreht sich um Bücher, Bücher und Bücher. Bibliomanten können mit Hilfe von Büchern Magie wirken. Exlibris werden gejagt, und Lesezeichen wachsen auf Bäumen. Furia Fairfax ist auf der Suche nach ihrem Seelenbuch, dem einen Buch auf der ganzen Welt, das zu ihr gehört und ihre magischen Kräfte voll entwickeln kann. Auf der Flucht vor den Agenten kommt Furia nach Libropolis, der Stadt der Bücher, deren Vorbild das real existierende walisische Dorf Hay-on-Wye ist. Hier findet das Mädchen neue Verbündete, doch kann sie nie ganz sicher sein, wem sie trauen kann und wem nicht. Dabei lernt sie immer mehr über ihre eigenen Fähigkeiten und über die Welt, in der sie lebt.


    Furia ist zwar eine interessante Protagonistin, die sich nicht einfach in eine Schublade stecken lässt. Aber leider blieb sie für meinen Geschmack etwas zu blass. Ich hatte bis zum Schluss kein konkretes Bild von ihr und konnte mich nicht mit ihr identifizieren. Manche ihrer Handlungsweisen konnte ich nicht nachvollziehen. Ihre Sympathien wechselt sie zum Teil so locker wie andere das Hemd. Da konnte ich mich in ihren kleinen Bruder Pip schon besser hineinversetzen. Schade, dass seine Auftritte eher kurz waren.


    Insgesamt ist es aber schon ein tolles Buch, das ich gerne gelesen habe und das mir einige Stunden Lesevergnügen beschert hat.

    Erschütternder Roman mit autobiographischen Zügen


    Bekannt geworden ist Lilly Lindner durch die Veröffentlichung ihrer Autobiografie „Splitterfasernackt“ im Jahr 2011. Auch „Was bleibt, wenn ich verschwunden bin“ greift zum Teil eigene Erlebnisse der Autorin auf. Hier geht es um zwei Schwestern, Phoebe ist neun, April sechzehn. Beide sind hochintelligent, die Eltern hoffnungslos überfordert. April ist in einer Spezialklinik, wo ihre Magersucht behandelt werden soll. So schreiben sich die beiden Mädchen Briefe, die ihr inniges Verhältnis erkennen lassen.


    Anfangs fand ich die Briefform sehr ermüdend. Im Nachhinein empfinde ich diese Form des Romans als die einzig Passende. Nach wie vor schade finde ich, dass die Briefe nicht datiert sind. Das hätte mir eine Einordnung erleichtert.


    Was die beiden Mädchen schreiben, ist erschütternd. Die Eltern sind nicht in der Lage, ihnen irgendwelchen Halt zu geben. Den geben sich Phoebe und April gegenseitig.


    „Schwestern müssen schließlich zusammenhalten, weil man zusammen viel mehr halten kann als alleine.“ (S. 17)


    Doch was kann ein neunjähriges Kind groß bewirken, wenn die große Schwester quasi schon aufgegeben hat, wenn ihre „Freundin Ana“ (die Magersucht) alle Macht über sie hat? Die beiden Kinder sind nicht „normal“, aber was ist schon normal? Und warum ist es überhaupt wichtig normal zu sein? Aprils Leben ist eine einzige Qual, sie fühlt sich unverstanden, zurückgewiesen und absolut einsam. Anstatt zu kämpfen, zieht sie sich in die Stille zurück, im Gegensatz zu Phoebe, die sich zum Glück nicht so schnell verbiegen lässt.


    „Aber manchmal muss man die Wut und die Angst rausschreien, sonst bleiben sie in einem stecken, und dann explodiert man irgendwann.“ (S. 161)


    Über viele Weisheiten aus dem Mund der Neunjährigen muss man schmunzeln oder den Kopf schütteln, weil sie so wahr sind. Dabei sprüht das Buch vor lauter Wortspielen und Wortschöpfungen, fast war mir das schon etwas zu inflationär. Dadurch habe ich sicherlich das ein oder andere gar nicht mitbekommen. Überhaupt geht es viel um Wörter und Worte, denn mit ihnen kann man so viel Gutes tun oder aber auch zutiefst verletzen. Leider hat die Autorin die beiden Begriffe „Wörter“ und „Worte“ anscheinend willkürlich durcheinander geworfen, ohne die unterschiedliche Bedeutung zu würdigen. Das wird die meisten Leser wahrscheinlich nicht stören, wenn sie es überhaupt bemerken. Mich hat es leider sehr stark gestört, so stark, dass es stellenweise den Inhalt des Buches überlagert hat. Das hätte nicht sein müssen, und ich finde es sehr schade, denn davon abgesehen, kann Lilly Lindner wirklich sehr gut mit Wörtern und Worten umgehen. Ihre Sätze gehen unter die Haut.


    Fazit:
    Trotz kleiner Kritikpunkte gibt es von mir eine klare Leseempfehlung. Möge das Buch dazu beitragen, dass wir mehr aufeinander achten und uns gegenseitig stützen.

    Vom Festhalten und Loslassen


    Inhalt:
    Der 40-jährige Ben ist psychisch und finanziell am Ende. Nach einem schweren Schicksalsschlag hat ihn seine Frau Janet verlassen und will die Scheidung. Ben hat nichts gelernt, war „nur“ Hausmann und Vater. Nun steht er vor dem Nichts. Er besucht einen Kurs für häusliche Pflege und lernt so den 19-jährigen Trevor kennen, der bei seiner Mutter lebt. Trevor sitzt im Rollstuhl, er leidet an Muskeldystrophie Duchenne. Wenn er schon sein eigenes Leben nicht auf die Reihe kriegt, versucht Ben wenigstens, Trevor ein bisschen zu unterstützen und aufzumuntern.


    Meine Meinung:
    Jonathan Evison hat einen wirklich tollen Erzählstil. Er ist sehr locker, aber tiefgründig. Mir gefällt, dass Ben hier als Ich-Erzähler fungiert. Es kommt einem so vor, als würde er sich direkt an den Leser wenden. Man bekommt seine ganzen Gedanken und Gefühle gut mit. Das ist wirklich klasse gemacht. Ich mag die Ironie und den Sarkasmus, mit dem er erzählt. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, direkt neben ihm zu stehen bzw. mit ihm im Auto zu sitzen.


    Ben war mir von Anfang an sehr sympathisch. Er hat Fehler gemacht und weiß das auch. Gerade deswegen leidet er so sehr unter der Situation. Er macht sich Vorwürfe und verzweifelt schier daran. Und doch gibt er nie auf, kämpft um das, was von seinem Leben noch übrig ist - auch mit recht skurrilen Methoden.


    Erst durch die eingeschobenen Rückblenden wird immer deutlicher, was in Bens Leben schiefgelaufen ist. So sieht man die Katastrophe kommen, obwohl sie schon längst passiert ist. Man möchte eingreifen, Ben zurufen - aber es hilft ja nichts, das Schreckliche ist ja schon geschehen.


    Auch bei Trev läuft es nicht so toll. Sein Vater hat die Familie vor vielen Jahren verlassen. Etwa ab der Mitte des Buches beginnt dann der im Klappentext erwähnte Roadtrip. Ben und Trev machen sich auf den Weg zu Trevors Vater quer durch die USA. Sie gabeln verschiedene junge Leute auf, wodurch die Reisegruppe sehr bunt wird. Jeder ist ganz besonders und man könnte sicher über jede Figur ein eigenes Buch schreiben. Es ist schön zu lesen, wie diese fremden Menschen füreinander da sind. Das gibt einem Hoffnung. Am Schluss wird jeder einen Schritt weitergekommen sein und etwas für sein weiteres Leben mitgenommen haben.


    Fazit:
    „Umweg nach Hause“ ist ein warmherziger, feinfühliger und locker zu lesender Roman, den ich gerne weiterempfehle. Der Grundtenor ist eher melancholisch, doch gibt es auch viele Momente des Glücks und der Hoffnung.


    Von mir gibt es die volle Punktzahl :-)

    Eine kunterbunte Senioren-WG


    Inhalt:
    Philip ist Arzt. Nach 35 Jahren in Afrika kehrt er wieder in seine Heimatstadt Köln zurück, um sich um seine Mutter zu kümmern. Doch die alte Dame stirbt drei Tage vorher und hinterlässt ihrem Sohn eine schöne, große Altbauwohnung. Als Philip dann auf der Domplatte zufällig seine alte Jugendfreundin Ricarda trifft, die wegen Sanierungsarbeiten für einige Monate aus ihrer Wohnung ausziehen muss, hat er einen spontanen Einfall: eine WG in seiner geerbten Wohnung.


    Meine Meinung:
    Ich fand die Idee der Senioren-WG sehr ansprechend, zumal es eine wunderbar bunte Truppe ist. Da haben wir einmal den freundlichen Philip, der sein halbes Leben im afrikanischen Busch verbracht hat, die perfekt organisierte Psychologin Ricarda, den kiffenden Taxifahrer Harry, den trauernden Witwer und pensionierten Sparkassenbeamten Eckart und die fröhliche und pragmatische Wurstfachverkäuferin Uschi. Dass das Zusammenleben so unterschiedlicher Typen nicht reibungslos vonstatten geht, dürfte klar sein. Und ich hätte mir ehrlich gesagt viel mehr witzige und spannungsgeladene Situationen vorstellen können, als das Buch letztendlich zu bieten hat. Insofern hat mich Beatrice Meier ein wenig enttäuscht. Die Handlung plätschert anfangs etwas vorhersehbar vor sich hin und mir fehlte einfach der Pepp. Erst etwa zur Mitte hin wurde ich wirklich überrascht und war dann gespannt, wie sich die Geschichte weiterentwickelt. Zum Schluss schwenkt die Autorin dann zwar wieder in erwartete Bahnen ein, doch war das für mich in Ordnung, weil es dann einfach passte.


    Der Humor in diesem Buch war mit etwas zu gekünstelt bzw. altbacken. Aber wer über Versprecher wie „terroristisch“ statt „theoretisch“ lachen kann, ist hier genau richtig.


    Auffällig sind die recht kurzen Kapitel und die häufigen Perspektivwechsel, bei so vielen Protagonisten aber nicht verwunderlich. Der Schreibstil ist einfach und locker zu lesen. Von den Figuren bekommt man schnell ein einigermaßen klares Bild. Besonders gut gefiel mir Harry, der mit seiner unverblümten Art für etwas Schwung in der Bude sorgt. In Rückblicken erfährt man mehr über das frühere Leben der WG-Bewohner. Dies war stellenweise etwas trocken zu lesen.


    Beatrice Meier hat auch das Drehbuch zum gleichnamigen Film geschrieben, der 2015 von der ARD ausgestrahlt werden soll. Als Film kann ich mir die Geschichte noch um einiges lebendiger und unterhaltsamer vorstellen.


    Fazit:
    „Alleine war gestern“ ist nette Unterhaltung mit ernsthaften Themen, nett zu lesen, aber bleibenden Eindruck wird das Buch bei mir wohl nicht hinterlassen.

    Ein außergewöhnliches Buch ...


    … wenn man zwischen den Zeilen liest und den vor Kitsch und Klischees triefenden Text außer Acht lässt. Die Hauptrolle spielen drei Jugendliche in Hannah Lake, Pennsylvania, USA.


    Ambrose ist der Ringer-Star der ortsansässigen High School, ein Vollstipendium fürs College ist ihm sicher. Die ganze Stadt ist sein Fan und hofft auf immer neue Siege. Ambrose ist ein Adonis und der Schwarm aller Mädchen.


    Fern ist die Tochter des Pfarrers, entsprechend zur Hilfsbereitschaft und Aufopferung erzogen und eigentlich sehr sympathisch. Sie findet sich hässlich, sodass sie ihrer Schwärmerei für Ambrose (ja, auch sie schwärmt für ihn) keine Chance gibt, denn der kann ja schließlich hübschere Mädchen haben.


    Bailey leidet an Muskeldystrophie, ein baldiger Tod ist absehbar. Obwohl er an den Rollstuhl gefesselt ist und kaum mehr seine Arme heben kann, sprudelt er vor Lebenslust über. Er war in diesem Buch mein wahrer Held, weil er uns zeigt, dass man immer etwas aus seinem Leben machen kann, egal wie bescheiden die Umstände sind.


    Obwohl nun der Weg dieser drei nach Abschluss der High School vorgezeichnet scheint, kommt alles ganz anders. Und doch ist nichts davon überraschend. Dies hat mich an dem Buch vielleicht am meisten gestört: dass alles so vorhersehbar verläuft, weil eben einfach ein Klischee an das andere gereiht wurde.


    Aber auch der kitschige Schreibstil war nicht so mein Ding, genauso wenig wie die ständigen Wiederholungen von Ferns Hässlichkeit und Ambroses Schönheit.


    Doch worum es in diesem Buch geht, das hat mir gefallen: Freundschaft, Liebe, Lebenslust, Mut, dass innere Schönheit wichtiger ist als äußere. Der Roman bietet viele schöne Lebensweisheiten und ist deshalb lesenswert. Wer also kitschige Liebesgeschichten mag, wird an diesem Jugendbuch seine Freude haben.


    Von mir leider nur 6 Punkte.

    Auch ohne Kommissar Dühnfort absolut lesenswert


    Inhalt:
    Fiona ist gerade mal sieben Jahre alt, als ihr heiß geliebter Vater Ben wegen Mordes an seiner Geliebten verhaftet wird. Er versichert dem Kind, dass alles nur ein Missverständnis ist und verspricht, dass er bald zurückkommt. Doch daraus wird nichts, denn Ben wandert für 18 Jahre ins Gefängnis. Jahrelang hört Fiona kein Sterbenswort von ihm. Kein Wunder, dass sie sich enttäuscht von ihm abwendet und schließlich nichts mehr von ihm wissen will. Doch als Ben ein Jahr nach seiner Haftentlassung scheinbar bei einem Unfall stirbt, lässt sie das doch nicht so kalt. Zusammen mit dem gut aussehenden und netten Rettungsassistenten Matthias Stiller, den sie „Darcy“ nennt, macht sich Fiona an die Aufarbeitung der Vergangenheit.


    Meine Meinung:
    Ich bin ja ein Fan von Kommissar Dühnfort und war daher sehr gespannt, ob mir Inge Löhnigs neues Buch ohne ihn auch gefallen würde. - Eindeutig ja! „Mörderkind“ konnte mich ebenso begeistern wie die Romane der Dühnfort-Reihe.


    Wir haben es hier nicht mit einem Ermittler-Krimi zu tun. Eigentlich ist es mehr eine tragische Familiengeschichte mit kriminellem Hintergrund. In zwei Handlungssträngen werden die Geschehnisse von 1995 und die aktuellen vom Herbst 2014 aufgerollt und miteinander verknüpft. Dabei entsteht ein komplexes Netz aus vielen Details. Es empfiehlt sich, beim Lesen sehr aufmerksam zu sein, denn die Autorin hat immer wieder kleine Hinweise eingestreut, die den Leser bei seinen Spekulationen voran bringen. Mit anderen führt sie uns allerdings auch gekonnt auf den Holzweg. Ab einem bestimmten Punkt weiß der Leser dann mehr als Fiona, was dem Roman aber nicht die Spannung nimmt, denn nun muss man um die junge Frau bangen, die sich selbst in Gefahr bringt.


    Inge Löhnigs Schreibstil ist locker und leicht zu lesen. Über Fionas sprühenden Sarkasmus muss man immer wieder schmunzeln. Es herrscht zwar keine atemberaubende Hochspannung - das erwarte ich bei einem Kriminalroman auch gar nicht - aber eine gewisse Spannung ist durchgängig vorhanden und fesselt einen an den Roman.


    Mir hat die Figur der Fiona sehr gut gefallen, und das, obwohl sie keineswegs besonders sympathisch ist. Immer misstrauisch, abweisend und rechthaberisch, macht sie sich nicht allzu viele Freunde. Doch nach und nach kristallisiert sich heraus, warum sie so geworden ist, und das Gesamtbild stimmt einfach. Ich kann vieles von ihrem Verhalten nicht gutheißen und würde selbst nie so handeln, aber bei Fionas passt es einfach zu ihrem Charakter.


    Ebenso stimmig wie die Protagonistin ist auch die ganze Handlung. Jedes Detail hat seinen Platz, alles ist logisch zusammengefügt, sodass am Ende keine wichtige Frage ungeklärt bleibt.


    Übrigens: Für Dühnfort-Fans gibt es mit "Nun ruhet sanft" im Mai 2015 den 7. Band der Reihe.

    Auch ohne Harry Hole ein echter Nesbø


    Inhalt:
    Sonny Lofthus ist 30 Jahre alt. Er sitzt seit zwölf Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Staten in Oslo ein, für zwei Morde, die er gar nicht verübt hat. Doch er hat sich mit seinem Leben dort arrangiert. Er ist ein ruhiger Häftling, der sich aus allem raushält. Wegen seiner Schweigsamkeit kommen seine Mithäftlinge gerne zum Beichten zu ihm. Er verurteilt niemanden, gibt allen die ersehnte Absolution. Bis ihn eines Tages ein alles veränderndes Geständnis aus seiner Lethargie reißt …


    Meine Meinung:
    Zuerst war ich etwas enttäuscht, dass dies kein Roman mit Harry Hole ist, doch schnell konnte ich feststellen, dass es trotzdem ein echter Nesbø ist, wie man sie kennt, spannend, emotional und über weite Strecken undurchsichtig.


    Das Buch beginnt langsam, fast ein bisschen zu langsam. Doch wird dies durch den rasanten Rachefeldzug des Sohns später wettgemacht. Die Jahre im Gefängnis scheinen spurlos an ihm vorbeigegangen zu sein, er wirkt immer noch so jung wie der 18-Jährige, der damals verhaftet wurde. Glaubhaft wird dargestellt, welche Entwicklungen (Handy, Internet …) Sonny während seiner Haftzeit verpasst hat. All dies lässt ihn sehr sympathisch wirken. Außerdem ist man als Leser natürlich auf seiner Seite, weil er gegen die Korruption in den höchsten Gesellschaftskreisen angeht, auch wenn er es aus rein egoistischen Motiven heraus tut. Jo Nesbø schafft es dabei locker, dass man als Leser die unnachgiebige Art und brutale Morde durch Sonny hinnimmt, ohne sie zu verurteilen.


    Wie man sieht, geht es bei diesem Kriminalroman nicht darum herauszufinden, wer der Mörder ist. Trotzdem ist das Buch hochspannend geschrieben. Es fehlt auch nicht an überraschenden Wendungen.


    Doch nicht nur Sonny hatte meine Sympathien, sondern auch der ermittelnde Kommissar Simon Kefas, ein Freund von Sonnys Vater. Er muss einerseits Sonny wieder zur Strecke bringen, andererseits fühlt er sich ihm aber auch verpflichtet - eine Zwickmühle.


    Besonders Sonny Lofthus und Simon Kefas sind sehr detailliert und vielschichtig dargestellt. Sie wirken sehr plastisch, man meint sie wirklich zu kennen. All ihre Handlungen und Beweggründe sind absolut nachvollziehbar.


    Das Buch lässt sich sehr gut lesen. Die Sprache ist einfach, aber nicht platt. Zuweilen kann man Anklänge von Poesie darin finden. Auch die ein oder andere philosophische Betrachtung ist eine Bereicherung. Die für skandinavische Krimis so typische düster-melancholische Atmosphäre kommt auch hier sehr gut rüber.


    Fazit:
    Ich kann das Buch wärmstens empfehlen. Freunde von skandinavischen Krimis werden ihre Freude daran haben.

    Spannendes und märchenhaftes Abenteuer


    Inhalt:
    Die elfjährige Jo, eigentlich Jolanda, liebt Wasser in jeder Form, ganz im Gegensatz zu ihrer Mutter Inge, die immer eine Heidenangst hat, wenn Jo schwimmen geht. Als Inges Tante Mette ihr ein Häuschen in Dänemark vererbt, muss sie wohl oder übel ans Meer fahren, um sich um die Angelegenheit zu kümmern. Natürlich ist auch Jo dabei und nach und nach entdeckt sie mit Hilfe ihrer Freundin Julie und deren Bruder Mads, dass hinter dem Erbe nicht nur das Häuschen am Strand steckt, sondern sich ein viel größeres Geheimnis verbirgt.


    Meine Meinung:
    „Lillesang - Das Geheimnis der dunklen Nixe“ richtet sich eigentlich ganz klar an Kinder ab ca. zehn Jahren. Die Sprache ist, deren Alter entsprechend, leicht verständlich, das Alter der Protagonisten ist ca. 11 bis 14 Jahre, und Hintergrund der Handlung ist das Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ von Hans Christian Andersen. Dieses wunderbare Märchen und seinen Autor hat Nina Blazon genial in ihre Geschichte eingewoben. Und obwohl es sich um ein Kinderbuch handelt, fühlte ich mich als Erwachsene mit dem Buch sehr wohl. Es ist dermaßen spannend geschrieben, dass sich mancher Roman für Erwachsene eine Scheibe davon abschneiden könnte, doch nicht so spannend oder gruselig, dass Kinder Albträume davon bekommen würden. Die Handlung ist so komplex, dass es auch für Erwachsene nie langweilig wird, doch nicht zu kompliziert, als dass Kinder dieses Alters nicht folgen könnten. Hier ist der Autorin eine Gratwanderung hervorragend gelungen. Ich würde das Buch damit fast als „All-age-Fantasy“ einordnen.


    Die Protagonistin Jo war mir von der ersten Seite an sehr sympathisch, ein Mädchen mit dem Herz am rechten Fleck, aufgeweckt und intelligent, mutig und loyal. Unterstützt wird sie von ihrer besten Freundin Tanja, und in Dänemark lernt sie schnell die gleichaltrige Julie kennen und mögen. Die drei wachsen zu einem unschlagbaren Team zusammen, das es mit dem Bösen aufnehmen muss. Doch wer ist hier der Böse? Ist es die alte Bente, die immer nach Fisch stinkt? Oder ist es Julies Bruder Mads, der sich in letzter Zeit sehr verändert hat und nachts heimlich aus dem Haus schleicht? Oder ist es das dunkle Wesen im Meer, das Jo mit seinem Gesang zu sich lockt? Immer wieder lockt Nina Blazon den Leser auf eine falsche Spur. Oft trügt der Schein und es ist ganz anders, als es auf den ersten Blick wirkt. Jo weiß bald nicht mehr, wem sie trauen kann und wem nicht. Sie muss einige Gefahren überstehen, bevor sie ihr wahres Erbe antreten kann. Doch mit Hilfe wahrer Freundschaft und Liebe scheint schließlich alles überwindbar.


    Fazit:
    Ich kann das Buch allen märchenbegeisterten Lesern jedes Alters nur wärmstens empfehlen. Für mich war es ein Highlight in diesem Jahr.

    Das Ende einer Kindheit


    Hamburg, Sommer 1976.
    Bénédicte ist glücklich. Maman, ihre geliebte französische Großmutter, ist zu Besuch und spielt mit den Kindern, der dreizehnjährigen Bénédicte, genannt Bic, und ihrem viele Jahre jüngeren Bruder Marcel. Alles scheint perfekt. Bis Bic ihre Mutter Aimée in einer Blutlache findet. Aimée leidet schon lange unter Depressionen und hat versucht sich umzubringen. Aimée wird von Sanitätern weggebracht. Die Familie zieht in das westfälische Städtchen Sprede, wo der Vater die Leitung des Irrenhauses übernimmt. Über Aimée wird nicht gesprochen. Die Kinder haben keinen Kontakt zu ihr. Sie wissen nicht, wo sie ist, und man kann Zweifel haben, ob sie überhaupt noch lebt.


    Mich hat Heinitz’ Debütroman stark beeindruckt. Sehr einfühlsam schildert die Autorin etwa ein Jahr im Leben von Bénédicte und ihrer Familie. Der Neuanfang in Sprede ohne die Mutter, ohne die gewohnten Freunde, ist vor allem für Bic nicht leicht. In der neuen Schule ist sie die Außenseiterin. Als sie sich mit Susi anfreundet, geht es etwas besser. Auch Susi wird von den anderen Kindern gemieden. Schließlich gibt es da aber auch noch einen sehr interessanten und netten Jungen …


    Begeistert war ich auch von der Lebensgeschichte Philos, eines Bewohners des Irrenhauses. Auch er ist ein Außenseiter, und so ist kein Wunder, dass Bic sich mit ihm wohl fühlt und sich mit ihm anfreundet.


    Bic war mir von Anfang an sympathisch und ich habe sie gerne durch ihr neues Leben begleitet. Sie strotzt nur so vor Fantasie und malt sich alles Mögliche aus. Man erlebt ihre Welt fast wie durch ihre Augen, so dicht ist man als Leser am Geschehen dran. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass eine Nebelwand um Bic herum wabert, die sie vor der echten Welt abschirmt, ihr den Zugang verwehrt, sie aber auch vor ihr beschützt. So tastet Bic sich langsam durchs Leben, ohne klar zu sehen, wo es lang geht.


    „Als der Sommer eine Farbe verlor“ ist ein leises Buch, das von atmosphärischen Beschreibungen lebt und von sehr interessanten Charakteren. Es hat mich bis zum Schluss gefesselt und dann leider eiskalt fallen gelassen. Denn mit dem Schluss kann ich mich gar nicht anfreunden. Für mich ergibt das keinen Sinn. Aber das kann man sicherlich auch anders sehen.


    Noch ein kleiner Tipp: Es kommen immer wieder französische Wörter und Sätze vor. Dazu gibt es hinten im Buch teilweise Übersetzungen.

    Spannender Jugendthriller


    Inhalt:
    Nach dem Unfalltod ihrer Eltern ist Clara im Waisenhaus aufgewachsen. Mit 16 Jahren schafft sie mit einem Begabtenstipendium den Sprung in das Eliteinternat Rotensand auf Rügen. Doch ihr Aufenthalt dort beginnt nicht gerade positiv. Ihre Mitbewohnerin Susanne ist alles andere als begeistert, dass sie nun mit der Neuen das Zimmer teilen soll. Auch Melanie ist von Anfang an auf Konfrontation aus. Doch damit nicht genug. Eine Schülerin des Internats ist verschwunden und wird schließlich tot aufgefunden, geschmacklos zugerichtet. Und der Mörder schlägt noch einmal zu. Clara befindet sich unversehens mitten in den Ermittlungen und gerät damit auch ins Visier des Täters.


    Meine Meinung:
    Corina Bomanns Schreibstil gefällt mir sehr gut. Er ist locker und wirkt sehr lebendig. Das Buch lässt sich dadurch flott lesen. Die Beschreibungen sind ausreichend detailliert, sodass man eine klare Vorstellung von der Szenerie bekommt.


    Clara erzählt in der Ich-Form. So begleitet man diesen Charakter hautnah durch das Geschehen und bekommt alle ihre Gedanken und Gefühle mit. Clara finde ich als Protagonistin sehr interessant und spannend. Obwohl sie es als Waise sicher nicht leicht hatte in den letzten Jahren, kämpft sie sich durchs Leben, lässt sich nichts gefallen, ist absolut kein Weichei und besitzt jede Menge Rückgrat. Dass sie dabei auch noch höflich ist, ist ein weiterer Pluspunkt. Die Figur der Clara weist viel Tiefe auf. Auch einige der Nebencharaktere sind sehr interessant aufgebaut und bilden einen gelungenen Gegensatz zur Protagonistin oder ergänzen sie gut.


    Die Erzählung wird aufgepeppt durch kurze Einschübe aus Sicht des Täters. Hier benutzt die Autorin die personale Erzählweise. Somit lassen sich beide Perspektiven leicht auseinanderhalten.


    Ein bisschen schade fand ich, dass die Handlung doch relativ geradlinig verläuft. Es gibt wenig wirkliche Überraschungen. Das „Labyrinth aus Verdächtigen und falschen Fährten“, das der Covertext verspricht, habe ich vergeblich gesucht.


    Trotzdem hat mir das Lesen dieses Jugendthrillers recht viel Spaß gemacht. Es gibt einige sehr spannende Momente, wo man mit Clara mitfiebert und mitbangt und den Atem anhält. Es gibt aber auch für ein Jugendbuch doch ziemlich grausame Szenen, die für sensible Gemüter sicher nicht so prickelnd sind. Wer hier ein bisschen empfindlich ist, sollte bei diesem Buch vielleicht vorsichtig sein.


    Erwähnenswert sind auch das thematisch passende Cover, das ein bisschen
    gruselig wirkt, und der rote Buchschnitt, der schon gleich an Blut
    erinnert und dadurch die perfekte Atmosphäre schafft.

    Inhalt:
    Gerold Plassek, 43, ist Journalist bei einer Gratiszeitung. Hier verbringt er den Tag mit Nichtstun zwischen den wenigen Zeilen, die er schreibt. Abends flüchtet er sich in seine Stammkneipe und spricht dem Alkohol mehr zu, als ihm guttut. Sein Leben ändert sich plötzlich, als Alice ihm ihren 14-jährigen Sohn Manuel aufdrängt. Alice will ein halbes Jahr im Ausland arbeiten, Manuel aber unbedingt in Wien bleiben. Und wer bietet sich da als Aufsichtsperson mehr an als der leibliche Vater, auch wenn der von seinem Vaterglück bisher nichts ahnte und Manuel keine Ahnung hat, wer sein Vater ist und auch gar nichts von diesem wissen will?


    Als dann auf eine kleine Zeitungsnotiz hin, die Gerold geschrieben hat, ein anonymer Spendensegen losbricht, gerät er immer mehr ins Rampenlicht und erweist sich schließlich gar nicht als der Loser, für den ihn immer alle gehalten haben, einschließlich er selbst.


    Meine Meinung:
    Dieser Roman basiert auf einer wahren Begebenheit, dem sogenannten „Wunder von Braunschweig“, einer Serie von anonymen Spenden an soziale Einrichtungen oder bedürftige Einzelpersonen, die im November 2011 begann. Den Spenden lagen meistens kleine Zeitungsausschnitte bei, in denen auf die Nöte der Einrichtungen bzw. Personen eingegangen wurde.


    Daniel Glattauer hält sich in seinem Roman weitgehend an diese Vorlage. Auch im Roman gibt es eine Serie von anonymen Spenden, denen Zeitungsnotizen beiliegen, und zwar Zeitungsnotizen, die Gerold Plassek verfasst hat. Warum ausgerechnet Notizen des Versagers Gerold? Weder sein Chef noch er selbst können sich einen Reim darauf machen. Auf jeden Fall kann sein Lotterleben so nicht weitergehen, denn nun hat er eine moralische Verpflichtung. Er hat es quasi in der Hand, wer Spenden bekommt, indem er einen Artikel darüber schreibt. Und dass er diese Verpflichtung ernst nimmt, dafür sorgt Manuel, der Gerold kräftig in den Hintern tritt und ihm mal ordentlich die Meinung geigt. Konnten sich die beiden anfangs nicht ausstehen, dreht sich das Blatt schon bald, und Gerolds Ziel ist es, Manuels Respekt und Liebe zu gewinnen.


    Da die Geschichte aus Gerolds Sicht in der Ich-Form erzählt wird, kann man sich dabei gut in den Protagonisten hineinversetzen. Seine Gedanken, seine Gefühle werden direkt zum Leser transportiert. Und auch wenn einem dieser Typ Mensch im richtigen Leben eher unsympathisch wäre, kann man Gerold doch irgendwie mögen, zumal er sich im weiteren Verlauf ja auch ganz stark ändert. Manuels Enthusiasmus ist einfach ansteckend, vor allem wenn man vor dem eigenen Kind gut dastehen will.


    Die Annäherung zwischen Vater und Sohn beschreibt Glattauer sehr einfühlsam und berührend. Beide profitieren von dieser Beziehung. Gerold bekommt endlich mal wieder den Hintern hoch und Manuel findet in seinem Vater nach und nach eine Vertrauensperson. Die Charaktere sind detailliert ausgearbeitet und sehr interessant mit viel Tiefgang gezeichnet. Obwohl die Geschichte an sich recht ernst ist, liest sie sich sehr amüsant, denn Glattauer hat sie mit viel Humor, mit Selbstironie und Sarkasmus gespickt.


    Fazit:
    Ein Buch mit dem typischen Humor von Daniel Glattauer, aber auch mit viel Tiefe. Womöglich sein bester Roman. Auf jeden Fall absolut lesenswert.

    Eine Liebesgeschichte der anderen Art


    Bei einem Wanderurlaub fallen Billie und Franck in eine Felsspalte. Während Billie sich nur am Arm verletzt hat, hat Franck starke Schmerzen und kann sich nicht bewegen. Bald wird er bewusstlos. Billie lässt ihrer beider Leben Revue passieren.


    Das Leben meint es nicht gut mit Billie und Franck. Billie wurde als Säugling von ihrer Mutter verlassen, wuchs bei der verhassten Stiefmutter auf. Liebe und Fürsorge lernt das Mädchen nicht kennen. Zitat: “Irgendwann und ohne dass es seine Absicht gewesen wäre, meinte mein Vater es endlich einmal gut mit mir und starb." (S. 107)


    Franck ist schwul und leidet sehr unter seinem herrischen Vater. Beide haben nichts zu lachen, bis sie in der Schule zusammen für ein Theaterstück proben. Hierbei kommen sie sich nahe und werden Freunde. Freunde fürs Leben. Auch wenn das Schicksal sie immer wieder auseinander treibt, kommen sie früher oder später doch wieder zusammen und sorgen füreinander.


    Mir fiel es nicht leicht, in das Buch hinein zu finden. Billies ungehobelte Sprache mit vielen Vulgär- und Fäkalausdrücken hat mich abgestoßen. Natürlich wirkt diese Sprache authentisch, aber lesen mag ich so etwas einfach nicht.


    Die erzählten Episoden aus den Leben der zwei jungen Menschen sind anfangs recht kurz. Alles wirkt ein bisschen abgehackt und wenig geschmeidig. Für den Lesefluss ist das zwar nicht förderlich, aber es spiegelt das Erzählte wider. Insofern passt es gut.


    Ist das Buch anfangs mehr oder weniger trostlos, wirkt es später doch hoffnungsvoll. Anna Gavalda zeigt, dass man sich nicht aufgeben darf, dass man sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen kann und dass mit wahrer Liebe alles leichter geht.


    "Nur wer fällt, lernt fliegen" ist vielleicht nicht Anna Gavaldas bestes Werk, aber durchaus lesenswert.

    Fesselnder Politthriller


    Inhalt:
    Den Haag, 2005. Der Prozess gegen den serbischen Kriegsverbrecher Kovac geht in eine neue Runde. Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen wird Oreskovic zum Gerichtsgebäude gebracht. Der ehemalige Gefährte Kovacs will die Kronzeugenregelung für sich in Anspruch nehmen und gegen Kovac aussagen. Die Topermittlerin des Tribunals, Jasna Brandic, hat viele Monate darauf verwendet, Oreskovic zur Aussage zu überreden und nach Den Haag zu bringen. Doch dann kommt natürlich alles ganz anders. Es wird keine Aussage geben und die Chancen, Kovac jemals zu verurteilen, sinken rapide. Kein Wunder, dass Jasna nach dem nächsten Strohhalm greift und sich damit in tödliche Gefahr begibt. Sie reist nach Serbien, wo sie einen neuen Zeugen auftreiben will.


    Meine Meinung:
    André Georgi versteht es, fesselnd zu schreiben, hat er doch bereits zwanzig Drehbücher zu „Tatort“- und anderen Fernsehkrimis geschrieben. „Tribunal“ ist sein Debütroman, der mich von der ersten Seite an packen konnte. Der Schreibstil ist so eindringlich, man taucht förmlich zwischen die Protagonisten ein. Das Buch ist in vier Abschnitte geteilt, die an unterschiedlichen Schauplätzen spielen. Die einzelnen Abschnitte bestehen aus vielen kurzen Kapiteln mit ständig wechselnder Perspektive. Dadurch wird dem Leser ein umfassendes Bild vermittelt. Das ist wirklich klasse gemacht! Auch die Rückblicke und Vorausschauen haben mir gut gefallen. Dadurch wird das aktuelle Geschehen toll abgerundet.


    Dass die wörtliche Rede ohne Anführungszeichen steht, macht das Lesen zwar mühsamer, aber wenn man sich konzentriert, geht es schon. Und durch die Konzentration rutscht man umso tiefer in die Geschichte hinein.


    Das Prinzip des „show, don’t tell“ wurde wirklich sehr gut umgesetzt. Zum Beispiel ist die allgemeine Nervosität vor dem Prozesstag absolut greifbar. Ich musste mir fast einen Beruhigungstee kochen.


    Dieser Politthriller ist Fiktion, lehnt sich aber an wahre Begebenheiten an, und die Geschichte hätte auch genau so passieren können. Dementsprechend realistisch habe ich viele Szenen empfunden, was manchmal, zum Beispiel bei Folterszenen, schon hart an der Grenze des Erträglichen war.


    „Tribunal“ besticht durch eine dichte Atmosphäre, hohes Tempo und ansteigende Spannung. Dem Leser wird kaum eine Verschnaufpause gegönnt. So muss ein guter Thriller sein.


    Viel zu schnell werden Gräueltaten aus dem Bewusstsein verdrängt. Daher finde ich es umso wichtiger, dass sie in solchen Romanen immer wieder aufgenommen werden und die Opfer nicht ganz in Vergessenheit geraten.

    Broschiert: 368 Seiten
    Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag


    Autor: Anja Jonuleit, in Bonn geboren, wuchs am Bodensee auf und ging dann ein paar Jahre ins Ausland. Sie studierte Italienisch und Englisch am Sprachen- und Dolmetscherinstitut in München, arbeitete als Übersetzerin und Dolmetscherin, bis sie mit Mitte dreißig das Schreiben entdeckte. Sie hat vier Kinder und lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Friedrichshafen.


    Inhalt:
    Hannah wollte eigentlich mit Martin in den Urlaub fahren. Doch dann eröffnet ihr dieser, dass er stattdessen bei seiner Familie bleiben muss. Als Hannah dann auch noch erfährt, dass ihre geliebte Tante Eli gestorben ist, macht sie kurzerhand Schluss mit Martin, denn sie hat es satt, die zweite Geige zu spielen. Sie fährt nach Italien, wo Eli die letzten Jahre gelebt hat, um die Dinge zu regeln. Doch in dem kleinen Dorf in Umbrien wird Hannah nicht von allen freundlich aufgenommen. Ein paar Frauen treten geradezu feindselig auf; ein Nachbar, der „Apfelsammler“, vertreibt sie mit bösen Worten und Blicken aus seinem Obstgarten, in den sie auf einem Spaziergang geraten ist. Statt Elis Haus auszuräumen und zu verkaufen, beginnt Hannah ihre Umgebung zu erkunden und den Anfeindungen auf den Grund zu gehen.


    Meine Meinung:
    Das Buch ist in zwei Handlungsstränge unterteilt. Der eine spielt in der Gegenwart und erzählt Hannahs Geschichte. Der zweite besteht aus Brieffragmenten, die Eli verfasst hat. Beide sind in der Ich-Form geschrieben, die durch die Überschriften „Hannah“ bzw. „Elisabeth“ und deutlich unterschiedliche Schriftarten aber jeweils leicht zuzuordnen sind.


    Elis Geschichte beginnt 1965, als sie 17 Jahre alt ist. Sie lebt mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester Sophie in Mosisgreuth auf einem Einödhof. Vom strengen Vater bekommt sie immer wieder Schläge, während Sophie seine Prinzessin ist. Als Eli sich eines Tages in den italienischen Gastarbeiter Giorgio verliebt, ist die Tragödie vorprogrammiert. Elis Teil besteht hauptsächlich aus Erzählungen und Beschreibungen. Hier gibt es naturgemäß - es ist ja ein Brief - nur wenige Dialoge. Obwohl ich das sonst gar nicht so mag, hat mich in diesem Buch Elis Strang weit mehr gefesselt als der von Hannah. Dadurch dass sie ihre ganzen Erlebnisse, Gedanken und Empfindungen in Worte gefasst und niedergeschrieben hat, erhält man einen tiefen Einblick in diesen Charakter.


    Hannah ist mir dagegen bis zum Schluss relativ fremd geblieben. Nicht immer konnte ich ihr Verhalten, das teilweise wie besessen wirkte, nachvollziehen. Nichtsdestotrotz waren auch ihre Passagen gut zu lesen und spannend.


    Anja Jonuleit hat einen fesselnden Schreibstil. Die einzelnen Kapitel sind relativ kurz, sodass man dazu verleitet wird, immer gerade noch eins zu lesen, zumal sie auch öfter mal mit einem Cliffhanger enden. Die Beschreibungen sind sehr anschaulich. Ich hatte die Szenerie direkt vor Augen. Die teils bedrückende, teils freudige Atmosphäre ist fast greifbar dargestellt.


    Es gibt zwar immer wieder kleine Überraschungen, doch hat mir ein richtiger Höhepunkt gefehlt. Das große „Familiengeheimnis“ habe ich leider schon viel zu bald erahnt. Dabei könnte ich nicht einmal sagen, dass die Autorin dies schon früh angedeutet hätte. Ich glaube, hier hatte ich einfach die richtige Intuition.

    Kommissar Erik Winter ist zurück


    Inhalt:
    Winter hält es in Marbella nicht mehr aus, es zieht ihn zurück nach Göteborg in seinen alten Job, auch wenn er deswegen Albträume hat. Seine Familie ist jedoch nicht bereit, mitzugehen. So ist Winter im Verlauf des Buches nicht nur von dem brutalen Mordfall an einer Frau und zwei Kindern gefangen, sondern auch von seiner Zerrissenheit zwischen Schweden und Spanien.


    Meine Meinung:
    Der Mord erweist sich als komplexer als zunächst angenommen. Als Täter kommen etliche Personen in Frage, aber keine so wirklich richtig. Die Ermittlungen gehen in alle Richtungen und kommen nur langsam voran, wirken aber sehr authentisch. Wobei ich zugeben muss, dass Winter zum Teil recht eigenartige Methoden hat. Aber er ist auch nur ein Mensch, und das kommt in diesem Kriminalroman sehr deutlich zum Ausdruck. Mir gefällt dieser Ermittler mit seinen Ecken und Kanten, mit beruflichen und privaten Problemen ausgezeichnet. Seine Darstellung ist sehr gut und glaubwürdig gelungen. Man bekommt als Leser einen tiefen Einblick in seine Gedanken und Gefühle. Winter wird zwar als etwas Besonderes dargestellt, aber nicht als Übermensch.


    Da es sich um einen Kriminalroman und nicht um einen Thriller handelt, spielt das Drumherum auch eine große Rolle, zum Beispiel Winters Privatleben. Auch seine Kollegen, die an den Ermittlungen beteiligt sind, werden kurz angerissen.


    Spannung ist unterschwellig durchgehend vorhanden, wenn auch nicht gerade atemberaubend. Doch das muss ja nicht sein. Mir war es wichtiger, dass die typisch schwedische Atmosphäre, das Düstere des nordischen Winters, das einen Menschen depressiv machen kann, gut zum Ausdruck kam. Diese Düsternis spiegelt sich auch in dem Mordfall und den beteiligten Personen wider.


    Besonders gut fand ich, dass es Edwardson immer wieder gelang, mich auf eine falsche Spur zu führen. 10 Seiten vor dem Ende weiß man quasi noch nicht, wer der Täter war. Dabei wirkt am Ende alles ganz logisch. Überrascht war ich trotzdem.


    Der Schreibstil ist außergewöhnlich, aber ich hatte mich schnell daran gewöhnt. Winter macht öfter mal ein Brainstorming ohne Punkt und Komma. Ein Perspektivwechsel wird nicht deutlich angezeigt und muss durch den Zusammenhang erkannt werden. Dialoge verlaufen manchmal Schlag auf Schlag, sodass man leicht den Überblick verlieren kann, wer was gesagt hat. Oft sind auch die Dialoginhalte etwas kryptisch. Hier hilft nur aufmerksames Lesen und sich auf das Buch einlassen.


    „Das dunkle Haus“ ist bereits der 11. Band der Reihe um Kommissar Erik Winter. Man kann ihn unabhängig von den anderen lesen, das heißt, man braucht kein Vorwissen. Wenn man allerdings die früheren Bände danach lesen möchte, sollte man wissen, dass in diesem Band kurz darauf eingegangen wird, warum Winter mit seiner Familie nach Spanien gezogen ist.


    Die Reihenfolge:
    Tanz mit dem Engel
    Die Schattenfrau
    Das vertauschte Gesicht
    In alle Ewigkeit
    Der Himmel auf Erden
    Segel aus Stein
    Zimmer Nr. 10
    Rotes Meer
    Toter Mann
    Der letzte Winter
    Das dunkle Haus

    Edinburgh zum Dritten


    Ich habe bisher aus dieser Reihe nur Dublin Street gelesen, das mir ganz gut gefallen hat. Obwohl ich den zweiten Teil nicht kenne, hatte ich nicht den Eindruck, dass mir die Voraussetzungen für Jamaica Lane fehlen. Das Wichtigste, was bisher in Band 1 und 2 geschah, wird noch einmal am Anfang des Buches wiederholt. Und ganz ehrlich, auf die Handlung im Einzelnen kommt es bei diesem Buch nicht an.


    Diesmal erzählt Olivia als Ich-Erzählerin. Sie ist sehr schüchtern und fühlt sich zu dem attraktiven Nate hingezogen. Der sieht sie jedoch nur als „beste“ Freundin, nicht als Frau. Dann gibt es da noch den ebenfalls attraktiven Benjamin, den Liv in der Bibliothek, in der sie arbeitet, immer wieder sieht. Doch sobald er sie anspricht, fällt Liv in sich zusammen und bringt kein vernünftiges Wort mehr heraus. Da kommt sie auf die Idee, „Nachhilfeunterricht“ bei Nate zu nehmen, denn Nate ist ein Meister im Flirten.


    Das Buch ist ganz nett zu lesen, aber eine Offenbarung ist es nicht. Der erste Band hat mir da besser gefallen, vor allem auf Grund der Charaktere. Sowohl Liv als auch Nate gingen mir stellenweise dermaßen auf die Nerven. Das sieht doch schon gleich am Anfang jeder, dass diese beiden eigentlich vernarrt ineinander sind, es aber nicht zulassen. Ich hätte sie schütteln können oder besser noch ohrfeigen, damit sie endlich mal zu sich kommen. Das war mir einfach zu viel aufgesetztes Getue.


    Die Personen, die in den ersten beiden Bänden die Hauptrollen spielten, fungierten hier leider nur als Nebendarsteller.


    Die „Erotikszenen“ fand ich zum Teil ganz okay, zum Teil aber auch etwas plump. Es ging mir an manchen Stellen ziemlich gegen den Strich, was Liv da mit sich machen ließ. Sie kam ziemlich naiv und ohne eigenen Willen rüber. Keine Frau, mit der ich mich identifizieren möchte.