Jonathan Rabb: Die sechste Tote

  • Jonathan Rabb: Die sechste Tote
    Knaur TB 2006. 656 Seiten
    ISBN-13: 978-3426631720
    Originaltitel: Rosa. A Berlin Trilogy


    Verlagstext
    Januar 1919: In Berlin regiert das Chaos. Das Kaiserreich ist zusammengebrochen, und politische Desperados verbreiten Unsicherheit und Schrecken. Inspektor Nikolai Hoffner ermittelt in einem bizarren Fall: Fünf Frauen sind Ritualmorden zum Opfer gefallen, mit einem Messer hat ihnen der Täter mysteriöse Zeichen in den Rücken geritzt. Schon bald wird ein sechstes Opfer gefunden: Es ist Rosa Luxemburg, die berühmte Revolutionärin. Hoffners Ermittlungen werden von der Politischen Polizei behindert, und er beginnt sich zu fragen, in welches Ränkespiel er geraten ist …


    Der Autor
    Jonathan Rabb (* 1964) … While in Germany researching the very compelling and very obscure seventeenth-century theorist Samuel von Pufendorf (Whiffenpoof on Pufendorf), Rabb got the idea for a thriller in which a young professor at Columbia gets caught up in a vast conspiracy predicated on deciphering a centuries-old manuscript, a response to Machiavelli’s The Prince. Suddenly theater and history had come together in the form of historical fiction and, leaving his Fulbright and academia behind, Rabb spent the next two years teaching test prep and writing furiously.


    In 1998, his first novel, The Overseer, reached bookshelves, followed three years later by The Book of Q - another historical thriller - and his marriage to Andra Reeve, the director of prime time casting at CBS television. Having discovered a new kind of bliss in his private life, Rabb decided it was time to dive into the decay and despair of Berlin between the wars. He set to work on what would be the first in his Berlin Trilogy, Rosa, and also began to teach fiction at the 92nd Street Y. In July 2004 his wife had twins, and for the next two years, while writing and researching Shadow and Light, Rabb became their primary caretaker. Somehow, they continued to grow and flourish, and Shadow and Light found its way to the page. … Quelle: goodreads.com


    Inhalt
    Kommissar Nikolai Hoffner von der Berliner Kriminalpolizei hat kurz nach dem Ersten Weltkrieg in einem Serienmord an Frauen zu ermitteln. Die Leichen werden auf Baustellen oder in Tunneln gefunden und tragen deutliche Zeichen, mit denen der Täter auf den Zusammenhang zwischen seinen Taten hinweisen will. Hoffner ist eine interessante, unangepasste Persönlichkeit. Seine Mutter ist Russin, die ehemals jüdische Familie konvertierte zum Christentum, um möglichst unauffällig leben zu können. In der Epoche zwischen den beiden Weltkriegen traut man einem Mann mit Nikolais Lebenslauf in der Polizei nicht über den Weg. Irgendetwas wird ihm schon anzuhängen sein, das ihn in die Nähe von Revolutionären stellt. In den Augen von Hoffners Kollegen, alle Kriegsteilnehmer des Ersten Weltkriegs, gibt auch Hoffners Assistent Hans Fichte keine gute Figur ab. Fichte wurde schon in der Grundausbildung bei einem Gasunfall untauglich für den Einsatz an der Westfront.


    Während Hoffner noch über Muster bei Serientaten grübelt, verschwindet eine der Leichen aus dem Leichenkeller des Polizeipräsidiums am Alex. Bizarrerweise ist es die Leiche Rosa Luxemburgs, für die die Politische Polizei sich zuständig fühlt. Gegen die Konkurrenz im eigenen Haus und gegen eine undichte Stelle, die in Windeseile die Presse über jeden neuen Leichenfund informiert, ermitteln Hoffner und Fichte. Unterstützt wird ihre Ermittlungsarbeit durch circa 10-jährige Laufburschen, die mit Botengängen und Beschattungen ihren Lebensunterhalt verdienen und die schon lange kein Klassenzimmer mehr von innen gesehen haben. Zu interessanten Begegnungen Hoffners kommt es mit Einstein und Käthe Kollwitz.


    Fazit
    Jonathan Rabb kann wunderbar authentische Figuren und deren glaubwürdige Innensichten schaffen. Indem er seine Hauptfiguren durch ihre Persönlichkeit aus der Reihe tanzen lässt, vermittelt er einen besonderen Blick auf die Zeit zwischen den Kriegen. Der amerikanische Autor betreibt einen beachtlichen Aufwand mit der Darstellung von Menschen aus unterschiedlichen Milieus, die Hausmeisterinnen, Prostituierten und die genannten Botenjungen finde ich äußerst gelungen.
    Für einen Thriller bringt das Buch sehr viel Atmosphäre mit zulasten der puren Spannung. Mit ein paar historischen Kenntnissen macht die Lektüre immer dann Spaß, wenn man mit Hoffner zusammen schlußfolgern kann oder z. B. schon vor ihm merkt, warum es völlig undenkbar ist, bei einer Familie an einem Freitagabend ohne Anmeldung aufzutauchen.


    gelesen habe ich die englische kindle-Ausgabe
    8 von 10 Punkten

  • zur englischen (kindle-)Ausgabe:


    Theoretisch hatte Rabb wohl geplant, besondere Authentizität durch die Nennung der deutschen Polizeiränge zu schaffen. Bei den Kommissar-Dienstgraden gelingt ihm das noch korrekt, sie sind - deutsch - konsequent kursiv gesetzt. Bei anderen Rängen und Eigennamen verzettelt er sich – im Text der der englischen kindle-Ausgabe – jedoch mit dieser Trennung zwischen authentischer deutscher Bezeichnung und der Version für die amerikanischen Leser. Einige Wortschöpfungen sind komplett sinnfrei und wirken wie Rechtschreibfehler bei der Recherche.


    Weder die Anrede „Fräulein“ ist in dieser Häufung für unverheiratete Frauen ohne Nennung des Nachnamens üblich gewesen, Deutsche haben sich nicht gegenseitig mit „Detective Inspector“ angesprochen, einen Kapitän in den Reihen der Polizei finde ich sehr sonderbar, die Straßennamen sind zum großen Teil fehlerhaft, über das Hallesche „Gate“ kann man streiten, die Siegessäule wird tatkräftig zur „Peace Column“ umgebogen. Schade, dass ein so gutes Buch durch das Einsparen eines deutschsprachigen Korrektors einen so nachlässigen Eindruck hinterlässt.