Judith Hermann: Aller Liebe Anfang


  • Ganz am Rande eine Bemerkung in Richtung der werten Miteule DraperDoyle:
    Eigentlich schade, dass du "mal wieder" nichts verstanden hast. Aber es kann natürlich passieren, dass man in seinem Übereifer, dem Gegenüber einen vermeintlichen Widerspruch nachzuweisen, voll am Ziel vorbei steuert.


    Mich würde aber auch interessieren was du geraucht hast................ ( arter : Ich mache soviele Punkte wie es mir gefällt. Basta!). :gruebel


    In diesem Sinne wünsche ich dir einen schönen Sonnabend.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Es liegt mir fern, dir irgendwas nachzuweisen, allerdings halte ich es für nicht angemessen (jaja, jetzt wirst du gleich einwerfen, dass es dir völlig Brille ist, was ich für angemessen halte ;-)), eine Autorin als Depri-Tante und Schlaftablette zu bezeichnen, weil man ihre Bücher langweilig findet. Oder was gibt es da sonst zu verstehen?

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Es war ein Zufall, daß ich an diese Geschichte geriet, weil ich schon Hermanns ersten Band mit Erzählungen kopfschüttelnd zugeklappt habe. Nach der Lektüre, klar. Aber von mir aus hätte ich nichts mehr gelesen.


    Es hat sich seither nichts geändert, das ist mein Fazit, obwohl die Geschichte noch nicht zuende ist. Weder an meiner Einschätzung samt Kopfschüttlen, noch an Hermanns Art zu erzählen. Sie hat ein paar wichtige Eigenschaften, die man für Literatur braucht. Erkenntnis der Welt, den Drang, die Erkenntnis mitteilen zu wollen, ein gewisses Talent, das mit Sprache zu tun. Was ihr abgeht, ist ein Thema, das ihres ist, ein ureigenes, ganz bestimmte Fragen, die sie abarbeitet, die ihren Ausgangspunkt für die Betrachtung bilden oder deren Antwort sie sucht. Was auch fehlt, ist die Leidenschaft, das zu tun. Jedenfalls finde ich die nie in ihren Geschichten.
    Irgendwie kreist sie um Fragen der Bedeutung der menschlichen Existenz im Hier und Jetzt, der Bedeutung von Interaktion der Geschlechter heute. So in die Richtung.


    Der Zufall, der mich an ihren Roman brachte, war die derzeitige Lesung im Radio. Ich habe eine Geschichte gehört, in der es tatsächlich um die titelgebende Frage geht, nämlich was das Liebesgefühl auslöst. Herman scheint den Auslöser in der Schutzlosigkeit des Individuums zu sehen, die wiederum ein Gegenüber dazu veranlaßt, sich der Schutzlosen anzunehmen. Tolle Themen.
    Daraus entwickeln sich dann Probleme der Art, wie man für die/den anderen angemessen sorgen kann, sie oder ihn schützen, vor Unheil bewahren. Und natürlich, inwiefern Liebe an sich wieder Unheil ist oder auslöst.
    Am ehesten durchgängig war das in der Beziehung Stella - Ava zu finden und bei Stella in Ausübung ihres Berufs. Das ist gut erzählt, aber literarisch letztlich wenig befrieidgend, weil das die klassischen Fürsorge-Szenarien sind. Da fehlten mir neue Sichtweisen.


    Die Stalking-Geschichte habe ich zuerst für eine Art Phantasievorstellung oder Überhöhung von Stella gehalten, die voller eigener Zweifel an allem, was sie nicht anfassen kann und dadurch darüber verfügen, den klaren Blick verliert und im Dauer-Sinnieren versinkt. Es scheint jetzt aber, es fehlen mir noch drei Lesungen, tatsächlich ernst zu werden. Der Sprung ist mir nicht klar, ich hoffe, es gibt kein Abrutschen ins Pathos. Das wird, fürchte ich, endgültig eine Bauchlandung.


    Was die Geschichte bisher immer mühsamer macht, ist das denkerische Hin und Her Stellas. Sie kommt dabei nicht vom Hundersten ins Tausendste, sondern, fataler, vom Ersten zum Zweiten zum Dritten zum Vierten etc., bis sie mit beiden Beinen in die Katastrophe hüpft, ohne daß das vorbereitet worden wäre. Und es ist jedesmal das Schlimmste, was am Ende in Stellas Kopf auftaucht.


    Das ist nicht ganz falsch, wohlbemerkt, Herman hat damit das Denken gerade von Frauen gut eingefangen. Selbstzweifel, Entscheidungslosigkeit, die Unfähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, Selbstanklagen als Folge geringen Selbstwertgefühls abgelöst von Hochgefühlen wegen Selbstüberschätzung. Aber das alles wird völlig eintönig vorgebracht. Irgdenwann hört man nicht mehr hin.
    Ähnlich ist es mit peniblen Beschreibungen bestimmter alltäglicher Tätigkeiten. Soll das eine Dosis Nouveau roman sein, strikt neutrales Erzählen, absolut chronologisch mit möglichst wenig Charakterisierung? Ich grüble noch.


    Was ich am schwierigsten finde, ist leider, daß Hermann ihre Geschichte selbst liest. Sie hat eine so freundliche Stimme, sie liest so lieb, leider auch kaum moduliert. Am Satzende hebt sie immer ein wenig die Stimme, aber das baut auch keine Atmosphäre auf. Im Gegenteil trägt die Art des Vortrags dazu bei, daß die Geschichte versippert.
    Ich war nach den ersten Szenen mit Ava und Stella geneigt, mir das Buch zu kaufen. Es hat einiges, was es reizvoll macht, und ich habe eine gewisse Unkonzentriertheit, die beim Zuhören aufkam, auf die Art des Vorlesens geschoben.
    Inzwischen halte ich die Geschichte aber für gescheitert. Auf halber Strecke steckengeblieben. Tot sinniert.


    Wie oben geschrieben, mir fehlt ein innerer Kern, eine oder auch mehrere Fragen, die mit Leidenschaft gestellt und bearbeitet werden. Es geht dabei nicht um Antworten, es geht um Offenheit, Wahrheit, Echtes.
    Aber Hermann versteckt sich. Wie Stella. Alles vage, nebulös, passiv.
    Schade.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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